Peru / Politik

Nach Razzia im Regierungspalast: Neue Ermittlungen gegen Präsidenten von Peru

Castillo wittert "Komplott" von Staatsanwaltschaft und Opposition. Schwägerin des Präsidenten festgenommen. Nun auch First Lady im Visier der Justiz

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Der Regierungspalast in Lima
Der Regierungspalast in Lima

Lima. Gegen Präsident Pedro Castillo laufen derzeit sechs strafrechtliche Ermittlungen. Am Donnerstag, einen Tag nach der Festnahme seiner Schwägerin, Yenifer Paredes, kündigte die Staatsanwaltschaft ein neues Ermittlungsverfahren gegen das Staatsoberhaupt an. Der Vorwurf lautet: "Verstoß gegen die öffentliche Ordnung in Form einer kriminellen Vereinigung".

"Der Gegenstand der Untersuchung bezieht sich auf die in den Provinzen Chota, Cajamarca und Cajatambo, Lima vergebenen Bauprojekte", argumentierte die Staatsanwaltschaft in ihrer Begründung. Am Mittwoch hatte sich die Präsidentenschwägerin Paredes den Justizbehörden gestellt. Unter der Aufsicht von Staatsanwalt Hans Aguirre und Oberst Harvey Colchado hatte tags zuvor die Polizei den Regierungspalast durchsucht und Paredes nicht gefunden, gegen die eine zehntägige Untersuchungshaft angeordnet worden war.

Ihr wird die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung – mutmaßlich unter der Leitung von Präsident Castillo – vorgeworfen. Die Festnahme geschah in Begleitung von Castillos Unterstützern sowie Lourdes Huanca, der Vorsitzenden der Nationalen Föderation der Bäuerinnen.

Die Spezialeinheit der peruanischen Nationalpolizei (PNP) war davon ausgegangen, dass sich Paredes im Regierungspalast aufhielt, nachdem sie vergangene Woche mit dem Flugzeug aus Cajamarca in Lima eingetroffen war. Die Behörde vermutet, dass die Regierung Paredes' Festnahme vereitelt hat, da die Mitarbeiter des Regierungspalastes die Beamten anderthalb Stunden lang vor dem Gebäude warten ließen. Diese Zeit habe Paredes genutzt, um sich zu verstecken.

Die polizeilichen Maßnahmen fanden gleichzeitig an verschiedenen Orten in der Hauptstadt statt, wobei José Nenil Medina, Bürgermeister von Anguía im Departamento Cajamarca, und die Geschäftsbrüder Hugo und Angie Espino, die alle mit demselben Korruptionsnetzwerk in Verbindung stehen sollen, nach Angaben der Staatsanwaltschaft festgenommen wurden.

Laut der sonntäglichen Fernsehsendung Cuarto Poder boten Paredes und Hugo Espino Sanierungsarbeiten in der Provinz Chota in Cajamarca an – der nordperuanischen Region, aus der sie und der Präsident stammen. Auch die First Lady, Lilia Paredes, soll von den Verbindungen ihrer Schwester zu Espino gewusst haben – wie am Samstag bekannt wurde. Castillos Schwägerin ist die vierte Person aus dem Umfeld des Präsidenten, gegen die wegen Korruption ermittelt wird.

Castillo hielt noch am Dienstag eine Rede an die Nation. Er betonte, dass die Razzia im Palast "illegal" sei und dass ein Teil des Kongresses, die Staatsanwaltschaft und ein Teil der Presse ein Komplott geschmiedet hätten, um ihn aus dem Amt zu entfernen. Der Staatschef rief die "demokratischen Kräfte" und alle Peruaner auf, sich "zur Verteidigung des Rechtsstaates, der demokratischen Ordnung und des Volkswillens" zusammenzuschließen. "Sie haben vielleicht die Medien in der Tasche, sie haben vielleicht Geld, aber sie haben nicht das Volk", sagte Castillo.

Dass die Staatsanwaltschaft auch gegen einen amtierenden Präsidenten Ermittlungsverfahren wegen mutmaßlicher Korruption einleitet, ist ein beispielloser Vorgang in der Geschichte des Landes. Hinzu kommt ein neuer Parlamentsbericht, in dem seine Absetzung wegen angeblichen Hochverrats empfohlen wird. Minister, Kongressabgeordnete und andere Politiker und Beamte wie die Vizepräsidentin Dina Boluarte brachten ihre Ablehnung zum Ausdruck. Der Bericht entbehre jeglicher verfassungsrechtlichen Grundlage und es wäre ein Skandal, wenn Castillo auf der Grundlage dieses Dokuments entlassen würde, so Boluarte.

Castillo weist die gegen ihn erhobenen Korruptionsvorwürfe zurück. Bei einem Treffen mit führenden Vertretern der Metropole Lima und sozialer Organisationen im Regierungspalast sagte er, dass die Situation seiner Schwägerin als "Teil des Kampfes" und "des politischen Lebens in Peru" betrachtet werden müsse. "In den Medien wird immer wieder behauptet, dass es im Regierungspalast eine Familie gibt, die in Korruption verstrickt ist. Es ist schon mehr als ein Jahr her, und sie können es nicht beweisen, das ist ihre Agenda, sollen sie doch weitermachen. Wir werden uns weiterhin für Peru einsetzen", bekräftigte der Präsident.