Argentinien / Politik

Argentinien: Verteidiger von Cristina Kirchner "zerlegen" Anklage

Widersprüche der Anklage beim Schlussplädoyer der Verteidigung offengelegt. Mögliche Klage gegen Richter und Staatsanwaltschaft wegen Rechtsbeugung

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Cristina Kirchner setzte das Verfahren in den Kontext der politischen Verfolgung und stellte eine Verbindung zu dem Mordanschlag auf sie her
Cristina Kirchner setzte das Verfahren in den Kontext der politischen Verfolgung und stellte eine Verbindung zu dem Mordanschlag auf sie her

Buenos Aires. Das Schlussplädoyer der Strafverteidiger der Ex-Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner im Korruptionsprozess um öffentliche Aufträge in der Provinz Santa Cruz ist abgehalten worden. Die Anwälte Carlos Beraldi und Ari Llernovoy führten an drei Tagen, über 16 Stunden lang, akribisch die Widersprüche der Staatsanwaltschaft auf. Es geht dabei um Diskrepanzen zwischen Behauptungen der Anklagebehörde, der Zeugenaussagen und im Prozess vorgelegten Dokumenten.

Nach mehr als drei Jahren seit Beginn des Verfahrens konnte kein einziger der 114 Zeugen in den 127 Anhörungen einen Zusammenhang zwischen der Ex-Präsidentin und den ihr vorgeworfenen kriminellen Machenschaften herstellen. Die Staatsanwaltschaft hatte im August eine Haftstrafe von zwölf Jahren gegen Kirchner gefordert.

Der Ex-Präsidentin wird vorgeworfen, mit ihrem verstorbenen Ehemann, dem ehemaligen Präsidenten Néstor Kirchner, während ihrer Regierungsperioden (2003-2015) eine illegale Vereinigung im argentinischen Staat eingenistet zu haben. Ziel sei es gewesen, der Provinz Santa Cruz am Parlament vorbei einen überhöhten Anteil am Staatshaushalt zukommen zu lassen.

Laut der Anklage soll Cristina Kirchner diese Geldmittel über arrangierte öffentliche Ausschreibungen für Straßenbauten an einen befreundeten Bauunternehmer geleitet haben, der ihr wiederrum eine entsprechende Provision zurückgezahlt haben soll. Der entstandene Schaden soll circa eine Milliarde US-Dollar betragen.

Kirchners Anwälte Beraldi und Llernovoy gingen in ihrem Plädoyer sehr methodisch vor und kontrastierten jeden Anklagepunkt mit den entsprechenden Dokumenten und Zeugnissen. Die Aussagen wurden als Videoausschnitt vorgeführt und die entsprechenden Dokumente groß dargestellt. Dabei wurden eindeutig falsche Behauptungen und sogar manipulierte Dokumente nachgewiesen.

Die wichtigsten Punkte lassen sich in den folgenden Themenblöcken zusammenfassen:

- Die Angehörigen des Parlaments, die heute zur klagenden Partei gehören, haben damals als Opposition für die Haushaltsgesetze gestimmt, die die Bauprojekte in Santa Cruz vorsahen. Die Opposition stellte diese damals nicht in Frage. In ihren alternativen Haushaltsvorschlägen waren dieselben Beträge für den Straßenbau und sogar dieselben Projekte enthalten. Außerdem sagte die Abgeordnete und Mitklägerin Margarita Solbizer unter Eid aus, dass kein Druck auf die Abgeordneten ausgeübt wurde, für die Haushaltsgesetze zu stimmen.

- Das Parlament hatte zu jedem Zeitpunkt die Kontrolle über die Haushaltsgesetze und über deren nachträgliche Entwicklungen. Es wurde auch belegt, dass Treuhandschaften, die dem Straßenbau zugewiesen wurden – laut der Klage "irregulär und heimlich" – in den Budgets eindeutig identifiziert waren und laut Satzung für diesen Zweck vorgesehen waren.

- Die Kontrolle über die Verwendung des Haushalts wird nach der Verfassung nicht vom Präsidenten ausgeführt, sondern vom Kabinettsminister. Trotzdem wurde keiner der damaligen Minister, darunter der amtierende Präsident Alberto Fernández, in die Anklage aufgenommen. Keiner der Zeugen aus den Ministerien oder den Behörden sagte aus, Anweisungen bekommen zu haben, eine bestimmte Firma zu bevorzugen. Die Ausschreibungsverfahren wurden auch nicht beanstandet, weder von den Kontrollgremien noch von Konkurrenzfirmen.

- Die laut der Staatsanwaltschaft zu hohen Preise, die mutmaßlich schlechte Qualität der Arbeiten sowie die vermeintlichen Zahlungen für nicht realisierte Arbeiten wurden zu keinem Zeitpunkt belegt. Während des Verfahrens wurden nur fünf der 51 Aufträge geprüft und auch bei diesen wurde nichts Irreguläres festgestellt.

- Die Verteidigung warf der Anklage und den Richtern vor, selbst nicht genug ermittelt und gleichzeitig keine Untersuchungen der Verteidigung zugelassen zu haben. Die Klage basiere lediglich auf Medienberichten, die ungeprüft für wahr befunden wurden. Einige davon erwiesen sich als Falschmeldungen.

- Bei der von der Staatsanwaltschaft behaupteten Schadenssumme, die während des Prozesses ständig schwankte, handelte es sich um eine grobe Schätzung, die auf keiner konkreten Studie oder Gutachten basierte.

Am letzten Tag des Schlussplädoyers nahm die Expräsidentin selbst an ihrer Verteidigung teil. Sie konzentrierte sich auf die staatsrechtlichen und politischen Aspekte und erläuterte, warum dieser Prozess verfassungswidrig und ein Bruch der föderalen Rechte der Provinzen sei. Sie setzte es in den Kontext der politischen Verfolgung, als "Lawfare" bekannt, und stellte eine Verbindung her zu dem vor kurzem auf sie verübten Mordanschlag.

Wie Beraldi vorher bereits angekündigt hatte, teilte Kirchner nochmals ihr Vorhaben mit, gegen die Staatsanwaltschaft Anzeige wegen Rechtsbeugung zu erstatten. Sie forderte das Gericht in diesem Sinne auf, die Prozessakten als Beweis zu sichern.