Menschenrechtskollektiv in Venezuela kritisiert "unglaubwürdigen" UN-Bericht

Laut Sures mangelt es den öffentlichkeitswirksamen Anschuldigungen von Menschenrechtsverletzungen an Objektivität und Unparteilichkeit

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Sebin-Angehörige sollen Gefangene misshandelt haben ‒ belastbare Beweise legte die Fact-finding Mission laut Sures jedoch nicht vor
Sebin-Angehörige sollen Gefangene misshandelt haben ‒ belastbare Beweise legte die Fact-finding Mission laut Sures jedoch nicht vor

Caracas. Die progressive venezolanische Menschenrechtsorganisation Sures hat den jüngsten Bericht der "Unabhängigen internationalen Erkundungsmission zur Bolivarischen Republik Venezuela" der Vereinten Nationen in Frage gestellt.

Am 20. September veröffentlichte das Team aus Marta Valiñas (Portugal), Francisco Cox (Chile) und Patricia Tappatá (Argentinien) einen Bericht, in dem der venezolanische Staat beschuldigt wird, Verbrechen gegen die Menschheit zu begehen, darunter willkürliche Verhaftungen und Folter. Zudem wird behauptet, dass Präsident Nicolás Maduro und andere hochrangige Beamte direkt daran beteiligt sind.

Der Bericht wurden auf der 51. Sitzung des UN-Menschenrechtsrates vorgelegt. Auch deutschsprachige Medien griffen die Vorwürfe auf.

Im Fokus stehen vor allem die Geheimdienste DGCIM (Dirección General de Contrainteligencia Militar) und Sebin (Servicio Bolivariano de Inteligencia Nacional). Insgesamt werden 212 Fälle von angeblicher Folter, sexueller Gewalt oder anderer "unmenschlicher Behandlung" von Häftlingen durch die beiden Behörden aufgeführt. Es wird behauptet, dass "echte und vermeintliche Dissidenten und Regierungsgegner ins Visier genommen wurden".

Die im September 2019 vom UN-Menschenrechtsrat eingesetzte und im Oktober 2020 um weitere zwei Jahre verlängerte "Fact-finding Mission" erwähnt auch mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen in den Bergbaugebieten im Bundesstaat Bolívar.

Gegenüber Venezuelanalysis erklärte Sures, dass die Mission "die Grundpfeiler des Multilateralismus angreift", und wies zugleich darauf hin, dass das Dokument selbst eine "geringe Beweiskraft aufweist, die nicht mit den schwerwiegenden Anschuldigungen vereinbar ist".

Die Menschenrechtsorganisation stufte die Methodik der Untersuchung zudem als "unzuverlässig" ein: Valiñas, Cox und Tappatá waren nie in Venezuela und stützten sich lediglich auf 246 anonyme Interviews, was eine unabhängige Überprüfung der Behauptungen unmöglich mache.

"Der Bericht steht im Widerspruch zu den Grundsätzen der Unabhängigkeit, Unparteilichkeit, Objektivität, Integrität und Transparenz", schlussfolgert das Kollektiv.

Die unabhängige Organisation stellte ebenfalls die Behauptung in Frage, dass die dem Staat vorgeworfenen Verstöße "systematisch" seien und erinnerte daran, dass die Behörden des Landes mutmaßliche Menschenrechtsverletzer vor Gericht gestellt und inhaftiert haben. So hatte Generalstaatsanwalt Tarek William Saab bekanntgegeben, dass zwischen 2017 und 2021 210 Sicherheitsbeamte wegen Menschenrechtsverletzungen verurteilt wurden.

Sures wirft Valiñas, Cox und Tappatá außerdem vor, "die Auswirkungen der internationalen Sanktionen auf die venezolanische Bevölkerung zu ignorieren", obwohl andere UN-Gremien und Berichterstatter detailliert dargelegt haben, dass sie "die wirtschaftlichen und humanitären Probleme verschärfen und die Fähigkeit zum Schutz der Menschenrechte, insbesondere der schwächsten Bevölkerungsgruppen, beeinträchtigen".

Das dreiköpfige Team wurde sowohl von venezolanischen als auch von internationalen Menschenrechtsgruppen immer wieder dafür kritisiert, dass es die Zwangsmaßnahmen der USA und die Gewalttaten der von den USA unterstützten Oppositionsgruppen ausblendet.

In einer Stellungnahme vom 26. September wies die Regierung Maduro die "falschen Anschuldigungen" in dem "Pamphlet" der Untersuchungsmission zurück. Der Bericht habe "weder eine methodische Grundlage noch einen direkten Bezug zur Realität des Landes" und sei ein weiteres Beispiel für den politisierten Gebrauch der Menschenrechte.

Caracas hat die von Valiñas geleitete Mission bereits in der Vergangenheit kritisiert. Im Jahr 2020 bezeichneten die Regierung einen früheren Bericht als "politisiert" und von einer "Geistermission" verfasst, da sie Mission nicht im Land tätig war. Sie lehnte die Erneuerung der Mission im Oktober 2020 ab und legte einen Gegenbericht vor, in dem die Menschenrechtslage im Land dargelegt wurde.

Im Gegensatz zur Fact-Finding Mission hat die venezolanische Regierung eine kooperativere Beziehung zur Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Michelle Bachelet, deren Amtszeit im August endete.

Bachelet hat mehrfach die Strafverfolgung in Venezuela kritisiert, unter anderem wegen angeblich mangelnder Unabhängigkeit der Justiz. Sie hat jedoch auch die staatlichen Behörden dafür gelobt, dass sie einige ihrer Empfehlungen befolgt haben, darunter die Auflösung der Sondereinheit Faes der Nationalpolizei. Das Büro des Hochkommissariats ist mit 16 Beamten im Land vertreten.

Caracas hat auch Justizreformen durchgeführt, nachdem der Internationale Strafgerichtshof (IstGH) eine formelle Untersuchung der mutmaßlichen Menschenrechtsverletzungen durch staatliche Sicherheitskräfte während der gewaltsamen Proteste der Opposition im Jahr 2017 eingeleitet hatte.

Obwohl die Regierung Maduro mit der Entscheidung von IstGH-Chefankläger Karim Khan nicht einverstanden war, unterzeichnete sie ein Kooperationsabkommen mit der in Den Haag ansässigen Einrichtung, das auch die Eröffnung eines Büros des IStGH in Caracas vorsieht.