Waldbrände im Amazonasraum in Brasilien eskalieren im Vorfeld der Präsidentenwahl

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Durch Brände entwaldetes indigenes Land in Porquinhos, Maranhão
Durch Brände entwaldetes indigenes Land in Porquinhos, Maranhão

Brasília. Die Waldbrände im brasilianischen Teil Amazoniens sind aktuell auf Rekordniveau. Allein im September 2022 wurden dort 41.282 Brände festgestellt, 2,5-Mal so viele wie im Vorjahres-Monat.

Dies ist laut Daten des Nationalen Raumforschungsinstituts INPE der höchste Wert seit September 2010 (43.933 Brände). Seitdem gab es nur in drei Septembermonaten (2017, 2020 und 2022) Rekordwerte von über 30.000 Bränden, zwei davon in der Amtszeit von Präsident Jair Bolsonaro, der nun für eine Wiederwahl kandidiert.

Die kumulierten Brände dieses Jahr ‒ 89.285 Brennpunkte bis zum 5. Oktober 2022 ‒ übersteigen bereits die Zahl der gesamten Brände im Vorjahr. Im August gab es die höchste Anzahl in den letzten zwölf Jahren. Es wird erwartet, dass sie dieses Jahr die Marke von 100.000 überschreiten wird.

Die Brände konzentrieren sich im "Bogen der Amazonasabholzung" in Brasilien, wie eine aktuelle Karte des unabhängigen Wissenschafts-Journalismusnetzwerks Scidev.Net zeigt.

In neun von zehn Gemeinden mit der größten zwischen 2019-2021 abgeholzten Fläche im Amazonasgebiet gab es in der ersten Wahlrunde Stimmenzuwächse für Bolsonaro im Vergleich zu 2018. Die Orte, in denen er gewann, liegen in dem historisch am meisten von Waldzerstörung betroffenen Gebiet, vor allem in den Bundesstaaten Pará und Rondônia.

Aus den INPE-Daten geht hervor, dass zwischen August 2021 und Juli 2022 im Amazonas-Biom eine Fläche von 8.590,33 Quadratkilometer abgeholzt wurde.

Wissenschaftler:innen zufolge hängt die Zunahme der Brände mit der Lockerung der Kontrollmaßnahmen unter der Bolsonaro-Regierung und mit den Erwartungen an den Ausgang der Wahlen zusammen. Laut dem Biologen Rômulo Batista von Greenpeace Brasilien kommt es in Wahljahren immer zu einem Anstieg der Brände im Amazonasgebiet aufgrund der Unsicherheit, welche Umweltpolitik die nächste Regierung verfolgt.

Dem ehemaligen INPE-Direktors Ricardo Galvão zufolge werden die Wälder für die Ausweitung von Rinderweiden und Ackerbau brandgerodet. Der Physikprofessor an der Universität von São Paulo und Mitglied der Akademie der Wissenschaften wurde im Juli 2019 von Bolsonaro entlassen, weil er Daten zur Abholzung veröffentlicht hatte. Laut Galvão befürchten Farmer eine Verschärfung der Umweltpolitik im Falle eines Wahlsiegs von Lula da Silva, weshalb sie jetzt noch so schnell und viel wie möglich abholzten.

Trotz der Dürreperiode in Amazonien seien Behauptungen falsch, die Feuer wären aufgrund der Hitze spontan ausgebrochen. Nach Angaben des Umweltingenieurs Alberto Setzer, der das Brandüberwachungssystem des INPE entwickelt hat, werden 99 Prozent der Brände illegal gelegt, was durch nachlässige Kontrollen begünstigt werde. Satellitenbilder zeigten in Echtzeit, wann und wo dies geschehe. Wenn Brände weiterhin vorkämen, dann weil es ein politisches Interesse an fehlenden Kontrollen gebe, so Setzer.

Infolge der massiven Haushaltskürzungen im Umweltministerium unter Bolsonaro wurde die Überwachung im Amazonasgebiet durch die Umweltbehörde eingeschränkt.

Galvão zufolge kursierten extrem umweltschädliche Gesetzesentwürfe und es gebe Druck auf die gewählten Abgeordneten und Senatoren, zuzustimmen. Diese Entwürfe zielen laut Batista darauf ab, indigenes Land für "industrielle Aktivitäten" zu öffnen und Umweltgenehmigungen flexibler zu gestalten. Bei den jüngsten Parlamentswahlen wurden zahlreiche Senatoren und Abgeordnete gewählt, die die Politik der amtierenden Regierung unterstützen.

Umweltthemen wurden den Wissenschaftlern zufolge im Wahlkampf zu wenig diskutiert. Das Problem bestehe darin, dass die Öffentlichkeit noch nicht klar erkenne, wie schädlich die derzeitige Politik für die Umwelt ist, Sie hoffen, dass vor der Stichwahl am 30. Oktober die Vorschläge beider Kandidaten der Bevölkerung mit größerer Klarheit präsentiert werden.