Argentinien: Hebe de Bonafini, "unermüdliche Kämpferin", mit 93 Jahren verstorben

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Kollage der "Madres" zum Tod von Hebe Bonafini: "Hebe ist umgezogen"
Kollage der "Madres" zum Tod von Hebe Bonafini: "Hebe ist umgezogen"

Buenos Aires. Am vergangenen Sonntag ist Hebe de Bonafini, eine der bekanntesten "Mütter des Maiplatzes" (Madres de Plaza de Mayo) und eine der führenden Persönlichkeiten im Kampf um Gerechtigkeit und Menschenrechte in Argentinien und Lateinamerika verstorben.

Bonafini stammte aus einer Arbeiterfamilie aus Ensenada, einem Vorort von La Plata, und machte eine Ausbildung als Schneiderin und Textilarbeiterin. Mit einem Arbeiter aus der staatlichen Erdölfirma verheiratet, hatte sie drei Kinder, von denen die beiden ältesten Söhne an der Universität von La Plata studierten und dort in einer kommunistischen Gruppe tätig waren.

Am 24. März 1976 fand der durch zivile und kirchliche Kreise unterstützte Staatsstreich der Streitkräfte statt. Anschließend nahm die politische Repression im Land drastisch zu. Bonafinis ältester Sohn Jorge wurde Anfang 1977 entführt und verschwand. Sie begann, ihn zu suchen und fragte in Polizeiwachen und Kasernen nach ihrem Sohn. Im April hörte sie von der Existenz einer Gruppe von Müttern von weiteren Verschwundenen, die jeden Donnerstag im stillen Protest auf dem Platz vor dem Präsidentenplast ihre Runden drehten, und schloss sich ihnen an.

Im Dezember desselben Jahres wurde ihr zweiter Sohn Raúl entführt. Kurz darauf verschwanden zwei der Gründerinnen der "Madres", Mary Ponce de Bianco und Esther Ballestrino de Careaga.

Trotz der Angst und der Drohungen schafften die verbliebenen Mütter es gemeinsam, am Tag der Menschenrechte am 10. Dezember 1977 einen Aufruf in der Tageszeitung La Nación veröffentlicht zu bekommen.

An diesem Tag wurde die dritte Gründerin der Müttergruppe, Azucena Villaflor, entführt. Ihre Leiche wurde erst 2005 gefunden. Trotzdem beschloss der Rest der Gruppe weiterzumachen. Im Jahr drauf verschwand auch ihre Schwiegertochter Maria Elena Bugnone Cepeda, Frau ihres Sohnes Jorge.

Hebe de Bonafini wurde 1979 zur Präsidentin der Müttergruppe der Mütter gewählt. Sie war maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Ausrichtung der "Madres" politischer wurde und einen weniger ausschließlich persönlichen Charakter erhielt. Bis dahin hatte jede Mutter auf ihrem weißen Kopftuch den Namen ihres Kindes gestickt. Ab da waren sie ganz weiß: Sie kämpften nun für alle Verschwundenen. Wie sie selbst es ausdrückte, "alle 30.000 sind meine Kinder."

Unstimmigkeiten über diese Ausrichtung führten dazu, dass sich die Gruppe nach der Rückkehr der Demokratie in zwei teilte. Neben den Madres de Plaza de Mayo entstand zusätzlich die "Linea Fundadora" (Gründerlinie).

Auch mit dem Ende der Diktatur führten sie den Kampf weiter. Präsident Raúl Alfonsin weigerte sich lange Zeit, sich mit ihr zu treffen. Als seine Regierung unter dem Druck des Militärs die sogenannten "Endpunkt-Gesetze" und "Gehorsamspflicht" verabschiedete, durch die die Verantwortung nur auf höhere Offiziere begrenzt wurde, lehnte Bonafini diese ab und verweigerte nun selbst Alfonsin den Händedruck, als dieser sie endlich traf.

Auch gegen Carlos Menem und seine Amnestiegesetze für Verbrechen unter der Diktatur ging sie heftig an, so wie auch gegen dessen neoliberale Politik und die seines Nachfolgers, Fernando de la Rua.

Zu internationaler Politik äußerte sie sich ebenfalls häufig, protestierte gegen die US-Blockade gegen Kuba, unterstützte die Regierungen von Rafael Correa in Ecuador, Hugo Chávez in Venezuela und Evo Morales in Bolivien.

Als Nestor Kirchner 2003 die Regierung übernahm, stand sie ihm sehr skeptisch gegenüber. Nachdem seine Regierung jedoch die früheren Gesetze kippen ließ und die Justiz die Prozesse wegen Dikaturverbrechen wieder aufnahm, stellte sie sich an seine Seite. Bis zuletzt hatte sie eine sehr gute Beziehung zu Cristina Kirchner und traf sich des Öfteren mit ihr. Kirchner war es auch, die im Namen der Tochter Bonafinis am Sonntag den Tod der 93-Jährigen bekannt gab.

Mit Jorge Bergoglio, dem Bischof von Buenos Aires, stand sie früher auf Kriegsfuß, versöhnte sich jedoch mit ihm, als er zum Papst gewählt wurde und hatte zuletzt eine enge Beziehung zu Franziskus.

Die argentinische Regierung verfügte eine dreitägige Staatstrauer. Die Asche der "unermüdlichen Kämpferin", wie die kubanische Tageszeitung Granma Bonafini in einem Nachruf nennt, soll nach ihrem Wunsch auf der Plaza de Mayo verstreut werden.

Gestern fand bereits eine spontane Versammlung am Ort der regelmäßigen Märsche der Mütter vor dem Präsidentenpalast statt. Am kommenden Donnerstag, dem Wochentag, an dem ihre Runden bis heute stattfinden, soll dort zu ihrem Gedenken der 2328. Marsch stattfinden.