Peru: Geteiltes Stimmungsbild nach Absetzung von Linkspräsident

Kaum Rückhalt für neue Präsidentin. Massenproteste im ganzen Land fordern Neuwahlen. Regierungen in Lateinamerika bewerten Situation unterschiedlich

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Proteste in Ayacucho: "Schließt den putschistischen Kongress!" und "Pedro unser Freund, Ayacucho steht auf deiner Seite"
Proteste in Ayacucho: "Schließt den putschistischen Kongress!" und "Pedro unser Freund, Ayacucho steht auf deiner Seite"

Lima. Die Amtsenthebung und anschließende Festnahme des Linkspräsidenten Pedro Castillo stößt innerhalb und außerhalb Perus auf ein geteiltes Echo. Landesweit kam es zu Protesten.

In den Regionen Ayacucho, Puno, Cusco, Ica sowie in der Hauptstadt Lima gingen tausende Menschen auf die Straße. Während manche offen Castillo unterstützen, äußern viele ihre Ablehnung sowohl gegenüber dem Ex-Präsidenten als auch gegenüber dem von Rechtsparteien dominierten Parlament und fordern Neuwahlen. Auch wurden wieder Stimmen nach einer neuen Verfassung laut – ein Anliegen, das Castillo während seiner Amtszeit vergeblich verfolgt hatte.

Die Polizei ging gewaltsam gegen die Demonstrierenden vor. Die Nationale Koordination für Menschenrechte prangerte willkürliche Festnahmen mehrerer Personen, die im Zentrum der Hauptstadt für den ehemaligen Präsidenten demonstrierten, durch Zivilbeamte an.

Zuvor hatte die neue Präsidentin Dina Boluarte noch zu einer "politischen Waffenruhe" aufgerufen.

Die Politikerin, die an der Seite von Castillo 2021 für die Linkspartei Perú Libre kandidiert hatte, galt noch bis vor Kurzem als seine enge Verbündete. Vergangenes Jahr hatte sie angesichts des ersten Amtsenthebungsversuchs gegen ihn gar angekündigt, im Fall einer Absetzung des Linkspolitikers ebenfalls ihr Amt niederzulegen.

Lucía Alvites, Mitglied der Linkspartei Nuevo Perú (NP), wirft Boluarte einen Pakt mit der rechten Opposition vor. Sie sieht in der Amtsenthebung Castillos die Verwirklichung des "rassistischen und klassistischen" Ziels der Rechten, "den Willen des Volkes" zu brechen.

Die Linkspolitikerin und ehemalige Fraktionsführerin von NP, Indira Huilca, fordert Neuwahlen: "Auch wenn Dina Boluarte rechtmäßig die Präsidentschaft übernommen hat, hat sich dieses Parlament delegitimiert. Die Situation erfordert Neuwahlen – so bald wie möglich!"

Präsidentin Boluarte schließt Neuwahlen inzwischen nicht mehr aus: "Wenn die Gesellschaft es fordert und die Situation es hergibt, können wir in Abstimmung mit den politischen und demokratischen Kräften des Kongresses die Wahlen vorziehen."

Alvites geht noch weiter und fordert wie viele Demonstrant:innen eine neue Verfassung und die Beendigung des neoliberalen Systems in Peru: "Es braucht ein Referendum, damit dem Volk die Macht zurückgegeben wird. Man muss das Volk fragen, ob es eine neue Verfassung möchte", führt Alvites aus.

Politikwissenschaftler Eduardo Dargent hält die Kritik am Neoliberalismus als alleinige Ursache der aktuellen Probleme in der peruanischen Politik für zu kurz gegriffen: "Das Scheitern Castillos lässt sich durch andere Kontinuitäten erklären: dem Verteilen politischer Posten, Korruption sowie eine patrimoniale Staatsauffassung." Diese Probleme gingen über die Rechte hinaus und beträfen auch die Linke in dem südamerikanischen Land.

Auch im Ausland gibt es unterschiedliche Reaktionen und Auffassungen der Geschehnisse vergangene Woche. Das argentinische Außenministerium erklärte, man sei tief besorgt über die politische Krise, die die "Schwesterrepublik" Peru im Augenblick durchläuft.

Das brasilianische Außenministerium nannte die versuchte Entmachtung des rechtsdominierten Parlaments durch Castillo einen "Verstoß gegen die Demokratie und den Rechtsstaat" und begrüßte seine Absetzung. Der designierte Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hingegen sagte, es sei immer zu bedauern, wenn einen demokratisch gewählten Präsidenten dieses Schicksal ereilt.

"Von Anfang an hat die peruanische Rechte versucht eine demokratisch gewählte Regierung zu stürzen, von der sich die unteren Klassen mehr soziale Inklusion und Gerechtigkeit erhofft hatten", äußerte sich Boliviens Präsident Luis Arce.

Der mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador (Amlo) zeigte Verständnis für Castillos Entscheidung, das Parlament aufzulösen. "Interessen ökonomischer und politischer Eliten" hätten ihn zu dieser Entscheidung gezwungen.

Castillo hatte kurz vor seiner drohenden Absetzung Amlo um politisches Asyl gebeten gehabt – was ihm dieser nach eigenen Angaben auch gewähren wollte. Doch noch auf dem Weg zur mexikanischen Botschaft war Castillo verhaftet worden.