Bolivien / Politik

Die Justiz von Bolivien und der Gouverneur von Santa Cruz als Beschuldigter

Das Verfahren wegen des Putsches von 2019 steht unter Druck durch die Ultrarechte. Regierung verwahrt sich gegen internationale Einmischung

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Die Regierung veröffentlichte nach der Festnahme von Camacho dieses Foto, um Gerüchten über Misshandlungen und Verletzungen entgegenzutreten
Die Regierung veröffentlichte nach der Festnahme von Camacho dieses Foto, um Gerüchten über Misshandlungen und Verletzungen entgegenzutreten

Santa Cruz/La Paz. Die sechste Nacht in Folge haben Anhänger des inhaftierten Gouverneurs von Santa Cruz, Luis Fernando Camacho, die Straßen der Provinzhauptstadt mit Gewalt überzogen. Die Hauptrolle spielt dabei die ultrarechte Jugendorganisation Unión Juvenil Cruceñista (UJC).

Gewalttätige Gruppen versuchten am Montagabend, die Polizeistation des Departamentos in der Stadt Santa Cruz unter ihre Kontrolle zu bringen. Sie setzen Autoreifen in Brand und zerstachen Autoreifen, wodurch Fahrzeuge als Hindernisse in den Straßen liegen bleiben.

Das bolivianische Fernsehen berichtete, dass es erst der Verstärkung von Spezialeinheiten gelang, den Vormarsch einzudämmen. Nach der Abwehr der Angriffe durchsuchte die Polizei die Umgebung und stellte Flaschen mit Benzin, Sprengstoff und Pyrotechnik sicher.

Regierungsminister Eduardo Del Castillo verurteilte die Gewaltakte und berichtete, dass zwei Polizisten dabei verletzt worden seien. Die Protestierenden bezeichnete er als "irreguläre Gruppen, die die Demokratie und die Institutionen des Landes angegriffen haben".

Seit dem 28. Dezember besetzten Gruppen der UJC und Camachos Unterstützer Einrichtungen wie die Staatsanwaltschaft von Santa Cruz, die Banco Unión, die Steuerbehörde und andere, um gegen die Verhaftung von Camacho zu protestieren.

An diesem Tag wurde der Gouverneur von der Polizei im Rahmen des Verfahrens über den Staatsstreich von 2019 festgenommen. Zuvor hatte er viermal Vorladungen der Justiz zum Zwecke seiner Vernehmung ignoriert. Seit Oktober stand seine Überführung in Untersuchungshaft im Raum. Nach Angaben der Justiz ist Camacho über den Verfahrensstand jederzeit im Bilde gewesen. Gegen den Ultrarechten richtet sich die Anklage "Staatsstreich I" wegen Terror, Verschwörung und Volksverhetzung während des Putsches von 2019. Auch gegen Jeanine Añez, die damals die Präsidentschaft von Evo Morales übernommen hatte, Camachos Vater sowie drei ehemalige Minister und Militär- und Polizeichefs wird ermittelt.

In einer Erklärung der Generalstaatsanwaltschaft heißt es, dass die Verhaftung von Camacho "keine Entführung oder politische Verfolgung" sei. Sie unterliege der Rechtsprechung des Zehnten Strafrichters des Gerichtshofs des Departamentos von La Paz.

Laut Pressemeldungen wurde der Haftbefehl gegen den Gouverneur von Santa Cruz aufgrund des Verdachts "der mutmaßlichen Begehung des Verbrechens des Terrorismus" erlassen. Staatsanwalt Omar Mejilones beantragte Untersuchungshaft. Er erklärte dazu, dass Camacho im November 2019 mit dem festen Vorsatz nach La Paz kam, eine rechtmäßig demokratisch legitimierte Regierung abzusetzen. Der zuständige Richter entschied, Camacho für vier Monate präventiv zu inhaftieren, während der Fall geprüft werde.

Der Angeklagte selbst machte gegenüber der Staatsanwaltschaft keine Angaben. In einer öffentlichen Erklärung verkündete er: "Ich bin stolz, Teil des größten Kampfes in der Geschichte Boliviens gewesen zu sein. Ich habe keine Angst vor dem Gefängnis der Diktatur".

Die Justizbehörden versuchen in dem Fall, jeden Anlass für Beschwerden zu vermeiden. Nach in den Medien verbreiteten Mutmaßungen über den Gesundheitszustand des Inhaftierten, ließen sie die persönlichen Ärzte von Camacho zur Betreuung, eine von der Familie organisierte Ernährung und andere Privilegien zu. Sie zeigen sich jedoch entschlossen, die rechtliche Aufarbeitung der Ereignisse von 2019 und dem Folgejahr durchzuführen.

Inzwischen hat die bolivianische Regierung eine Erklärung von Spanien und Chile zum Verhalten des spanischen Abgeordneten Víctor González Coello und des chilenischen Abgeordneten Luis Fernando Sánchez gefordert. Beide hätten sich selbst als "Beobachter der Menschenrechtssituation" im Zusammenhang mit den Protesten gegen die Festnahme Camachos bezeichnet.

Das Außenministerium hat die Botschaft Spaniens und das Generalkonsulat von Chile in Bolivien um Informationen über den "Beobachterstatus" gebeten, den beide Parlamentarier öffentlich auf bolivianischem Territorium für sich in Anspruch genommen hätten.

Das Ministerium "lehnt das Vorgehen der genannten Abgeordneten ab, die sich ohne jegliche Akkreditierung die Vertretung ihrer Regierungen und Parlamente angemaßt haben, was eine inakzeptable Einmischung in die inneren Angelegenheiten Boliviens darstellt", so die diplomatische Note.

González und Sánchez begleiteten am Montag den Vorsitzenden des Komitees Pro Santa Cruz und Mitstreiter Camachos, Rómulo Calvo. Dabei sollen sie sich über die Anwendung von Gewalt gegen die Proteste, die die Freilassung von Camacho forderten, beschwert haben.