In Davos spricht Lateinamerika über Umwelt, Wirtschaft und soziale Herausforderungen

Forderung nach Einhaltung des Pariser Abkommens. Initiative für eine "integrative, nachhaltige und gerechte globale Besteuerung"

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Lateinamerika war mit insgesamt 16 Ländern auf dem Weltwirtschaftsforum vertreten
Lateinamerika war mit insgesamt 16 Ländern auf dem Weltwirtschaftsforum vertreten

Davos. Lateinamerika hat sich auf dem Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos mit Delegationen aus 16 Ländern und elf Regierungen präsentiert. Dabei meldeten sich private und öffentliche Vertreter Lateinamerikas mit Ansichten und Plänen zur postpandemischen Wirtschaft, zu Umweltzerstörung und Klimawandel sowie Reformen im Energie- und Finanzsektor zu Wort.

Angereist waren die Präsidenten von Kolumbien, Costa Rica und Ecuador sowie die Vizepräsidentin der Dominikanischen Republik, Minister und Gouverneure aus Brasilien, Mexiko, Guatemala, El Salvador, Honduras, Panama und Peru sowie der Präsident der Interamerikanischen Entwicklungsbank und der Exekutivdirektor der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Lateinamerika und die Karibik (Cepal).

Aus Brasilien waren Umweltministerin Marina Silva und Wirtschaftsminister Fernando Haddad nach Davos gekommen. Silva forderte die Einhaltung des Pariser Abkommens von 2015, wonach ab 2020 etwa 20 Milliarden US-Dollar den armen Ländern zur Bekämpfung des Klimawandels zur Verfügung gestellt werden sollten. Laut der Beiden fand dies bisher nicht statt.

Haddad präsentierte die neuen Wirtschaftspläne seines Landes, das Haushaltsdefizit innerhalb von zwei Jahren auf Null zu senken und 2023 eine Steuerreform durchzuführen. Ebenso diskutierte Haddad mit dem Generalsekretär der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), Mathias Cormann, über die Aufnahme Brasiliens in die Organisation.

Kolumbiens Präsident Gustavo Petro tauschte sich mit dem Schweizer Bundespräsidenten Alain Berset über die Politik des "totalen Friedens" in Kolumbien, Energiegemeinschaften und die Wiederherstellung des Amazonas-Regenwaldes aus. Petro äußerte dabei seine Vision von Lateinamerika als Zentrum der Produktion sauberer Energien "frei von Kohle, Öl oder Gas". Er forderte auch, dass Entscheidungen in den Vereinten Nationen über einen "dekarbonisierten Kapitalismus" verpflichtend sein sollten.

Bergbauministerin Irene Vélez erklärte, dass Kolumbien keine Verträge mehr für die Suche nach neuen Öl- und Gasvorkommen im Land unterzeichnen werde.

José Ocampo, Ökonom und Minister für Finanzen und öffentliche Kredite Kolumbiens, präsentierte die Initiative für eine "integrative, nachhaltige und gerechte globale Besteuerung". So soll besonders für Entwicklungsländer die Finanzierung eines wirtschaftlichen Aufschwungs inmitten einer hohen globalen Inflation ermöglicht werden.

Ecuadors Präsident Guillermo Lasso schlug sein Land als Austragungsort für die Konferenz eines neuen globalen Abkommens zur Bekämpfung der Plastikverschmutzung im Jahr 2025 vor. Erst eine Woche zuvor hatte Lasso jedoch ein von Umweltgruppen kritisiertes Dekret erlassen, durch das die Steuern auf Plastiktüten gesenkt werden. Er beanspruchte für seine Regierung, die Korruption zu bekämpfen und bezeichnete Impfungen als die Basis für den Wiederaufschwung seines Landes nach der Pandemie.

Perus Außenministerin, Ana Cecilia Gervasi, war angesichts der aktuellen Unruhen in dem Andenland (amerika21 berichtete) bemüht, Investoren Vertrauen in die Stärke und Möglichkeiten des peruanischen Marktes zu vermitteln. Julio Velarde, Präsident der peruanischen Zentralbank, sprach sich für die Entwicklung digitaler Währungen sowie deren Kontrolle und Regulierung durch die Zentralbanken aus.

El Salvadors Wirtschaftsministerin, María Luisa Hayem, fokussierte ihre Rede auf die Umsetzung von Maßnahmen zur Erleichterung des Handels und die Ausbildung junger Menschen in technischen Fertigkeiten und in englischer Sprache sowie auf eine modernisierte öffentliche Verwaltung, um Hindernisse für Investoren zu beseitigen und Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen.

Guatemalas Wirtschaftsminister Janio Rosales erörterte den Plan "Guatemala Moving Forward", wonach mit öffentlich-privater Zusammenarbeit und Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen sowie Nearshoring innerhalb von zehn Jahren 2,5 Millionen Arbeitsplätze in Guatemala geschaffen werden sollen. Nearshoring meint die Verlagerung und Schaffung von Arbeit in geographisch und kulturell nahe Gebiete wie beispielsweise Nachbarländer. Es dient als Abgrenzung zum Offshoring, das die Produktion und den Arbeitsplatz vor allem wegen niedrigerer Lohnkosten in entfernte Länder verlegt.

José Manuel Salazar-Xirinachs, Exuktivdirektor der Cepal, schlug die Umsetzung von clusterbasierten Maßnahmen als wirksames Instrument zur Förderung von Wachstum und produktiver Diversifizierung vor, um der Region aus der langanhaltenden Entwicklungskrise herauszuhelfen. Als Cluster bezeichnete Salazar-Xirinachs besondere Formen öffentlich-privater Partnerschaften. Lateinamerika und die Karibik seien die Regionen, die ihre Produktivität in den letzten Jahrzehnten am wenigsten habe verbessern können, so seine Aussage.