Guatemala / Politik

Wahlgericht in Guatemala will linke Kandidatur zur Präsidentschaft nicht zulassen

Die Favoriten der indigenen Bevölkerungsmehrheit zu den Präsidentschaftswahlen vom Ausschluss bedroht. Wahlgericht "überschreitet seine Kompetenzen"

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Proteste vor dem Gebäude des Wahlgerichts
Proteste vor dem Gebäude des Wahlgerichts

Quetzaltenango. Das guatemaltekische Wahlgericht TSE hat der linken Partei Movimiento para la Liberación de los Pueblos (Bewegung für die Befreiung der Völker, MLP) mitgeteilt, dass es ihre Kandidatur für die Präsidentschaftswahl nicht zulässt. Das vom Kandidaten für das Vizepräsidentenamt, dem ehemaligen Menschenrechtsobman Jordán Rodas, vorgelegte polizeiliche Führungszeugnis sei nicht gültig, es würden "rechtliche Beschwerden" gegen seine Person vorliegen, so die Begründung.

Eine Beschwerde der Partei, die am Montag über Anwälte eingereicht und von Protesten begleitet wurde, wies die Plenarsitzung der Richter des TSE am Donnerstagabend (Ortszeit) zurück ‒ die Registrierung von Thelma Cabrera und Jordán Rodas als Präsidentschafts- und Vizepräsidentschaftskandidaten für die am 25. Juni angesetzten Wahlen wird weiterhin nicht akzeptiert.

"Die Uhr tickt mit dieser Entscheidung gegen die MLP ... die nun gegen die Entscheidung des TSE Berufung einlegen oder sich an den Obersten Gerichtshof wenden muss, um den Rechtsstreit um die Registrierung ihrer Kandidaten fortzusetzen", schrieb Prensa Comunitaria dazu.

Die politischen Parteien oder Wahlbündnisse in Guatemala müssen laut Gesetzgebung immer als "Duo" mit Kandidaten für beide Ämter (binomio presidencial) antreten und als solches registriert werden.

Das Duo Cabrera ‒ Rodas war auf der zentralen Wahlversammlung der Partei Ende Dezember 2022 gewählt worden. Die MLP nahm bei den vorigen Wahlen 2019 erstmals an einer Abstimmung teil und konnte mit Cabrera als Kandidatin auf Anhieb den vierten Platz erreichen. Damals hatten nur rund drei Prozentpunkte für den Einzug in die Stichwahl gefehlt.

Die Partei gilt als "politisches Instrument" der Landarbeiterorganisation Comité de Desarrollo Campesino (Codeca) und hat ihren Rückhalt vor allem unter der indigenen Landbevölkerung. In drei Departamentos mit indigener Bevölkerungsmehrheit und unter Migranten in den USA, die erstmals an einer Wahl in Guatemala teilnehmen durften, erreichte Cabrera seinerzeit den ersten Platz.

Der in Quetzaltenango geborene Rodas hatte von 2017 bis 2022 das Amt des Menschenrechtsobmannnes inne. In dieser Zeit setzte sich der in der Studentenbewegung Politisierte stark für die Interessen der marginalisierten Bevölkerung ein und zog damit auch den Hass der wirtschaftlichen und politischen Elite auf sich. Wenige Stunden vor Ablauf seiner Amtszeit musste Rodas nach Drohungen aus rechten Kreisen am 20. August 2022 das Land verlassen (amerika21 berichtete).

Rodas wies alle Vorwürfen gegen seine Person zurück. In einer am vergangenen Samstag in Sozialen Netzwerken übertragenen Stellungnahme erklärte er, hinter dem angestrebten Ausschluss "steht die Angst der Korrupten ... vor der Alternative, die die Kandidatur darstellt". Alle notwendigen Unterlagen für die Kandidatur lägen vor, es gebe keine legalen Gründe sie zu verhindern. Die Wahlbehörde mache sich zum "Komplizen eines Wahlbetruges“. Rodas hat bei der Staatsanwaltschaft gegen den Leiter des Registeramtes der Wahlbehörde, Ramiro José Muñoz Jordán, eine Anzeige wegen "falscher Beschuldigung“ eingereicht, gab der Politiker bekannt.

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Die MLP hat ihre Anhängerschaft unter der indigenen Bevölkerungsmehrheit
Die MLP hat ihre Anhängerschaft unter der indigenen Bevölkerungsmehrheit

Auch für den Rechtsanwalt Gustavo Maldonado, der die MLP im aktuellen Fall vertritt, überschreitet das Wahlgericht seine Kompetenzen. Grundlage der Ablehnung der Kandidatur sei eine "Beschwerde", die der aktuelle Menschenrechtsobman, Ajejandro Córdova Herrera, gegen seinen Vorgänger eingereicht habe. "Komischerweise zwei Tage danach hat der Leiter des TSE die Mitarbeiter angewiesen, bei allen Kandidaten zu ermitteln, ob rechtliche Beschwerden vorlägen."

Allerdings ergebe auch eine vorliegende Beschwerde keine rechtliche Grundlage für die Verweigerung der Registrierung als Kandidaten. Nur eine rechtskräftige Verurteilung kann das Recht einer Person, sich aufstellen zu lassen, einschränken. Das Vorgehen sei ganz klar politisch motiviert und solle die Kandidatur der MLP verhindern, sagte Maldonado im Gespräch mit amerika21.

Indes erklärte Cirilo Pérez, Generalsekretär der MLP, gegenüber der Presse, man halte an Rodas als Kandidat fest. Es gebe keine Überlegungen, einen neuen Kandidaten zu nominieren. "Die MLP wird mit Rodas zur Präsidentschaftswahl antreten oder gar nicht", wurde er in Con Criterio zitiert.

Die Partei setzt dabei auch auf den Druck der Straße. Bereits am Donnerstagmorgen (Ortszeit) versammelten sich Anhänger vor dem Gebäude des Wahlgerichts, Teilnehmer sprachen von rund tausend Menschen aus verschiedenen Regionen Guatemalas, die die sofortige Zulassung von Cabrera und Rodas forderten.

Laut Prensa Libre hatten die Demonstrierenden auch vor "Blockaden von Flughäfen und Häfen sowie der Besetzung von Gebäuden gewarnt“, wenn die Kandidatur nicht zugelassen werde.

Die Landarbeiterorganisation Codeca hat ihre Mobilisierungskraft in den vergangenen Jahren immer wieder unter Beweis gestellt. Mehrfach war es der Organisation gelungen, mit landesweiten Straßenblockaden das Land lahmzulegen. Zu großen Demonstration in der Hauptstadt konnte die Organisation, zuletzt im vergangenen Jahr, zehntausende Menschen mobilisieren.

Auch im Ausland lebende Guatemalteken meldeten sich zu Wort. Das "Netzwerk internationale Solidarität mit Guatemala", nach eigenen Angaben eine Vereinigung von Guatemalteken aus dreizehn Ländern, versicherte in einem Schreiben ihre "Solidarität mit der MLP" gegen diese "mafiöse Aktion der Korrupten".