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Regierung in Kolumbien legt Entwurf für große Gesundheitsreform vor

Gesundheitssystem soll zurück in die öffentliche Hand. Mehrheiten im Kongress unsicher. Demonstrationen für und gegen die Reform

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Zustimmung zur Gesundheitsreform unter dem Slogan: "Ja zum Leben, Ja zur Gesundheit, Ja zur Reform"
Zustimmung zur Gesundheitsreform unter dem Slogan: "Ja zum Leben, Ja zur Gesundheit, Ja zur Reform"

Bogotá. Mit der Gesundheitsreform hat die linke Regierung von Gustavo Petro den Kampf um die für dieses Jahr geplanten großen Sozialreformen aufgenommen. Sie brachte ihr Projekt diese Woche in den Kongress ein. Die Entwürfe für die Veränderung des Rentensystems und des Arbeitsrechts sollen im März folgen.

Nachdem die Regierungskoalition im letzten Jahr Mehrheiten im Kongress fand, um eine progressive Steuerreform durchzusetzen, sind derzeit mögliche Allianzen mit den Fraktionen der traditionellen Parteien für weitere tiefgreifende strukturelle Veränderungen unsicher. Das nationale Großunternehmertum und die Leitmedien wettern gerade dagegen.

Präsident Petro rief deshalb die Bevölkerung auf, die Reformen auf der Straße zu verteidigen. Gewerkschaften und Unterstützer:innen der Regierung folgten dem Aufruf. Laut der Polizei sollen rund 28.000 Personen landesweit an Manifestationen teilgenommen haben. Bei einem öffentlichen Auftritt betonte Petro, dass der Wandel in Kolumbien nicht nur allein durch den Wahlsieg zu erreichen sei. Notwendig dafür sei vor allem "die permanente Mobilisierung" der Bevölkerung.

Die Anhänger:innen der rechten Opposition gingen einen Tag später auf die Straße, um gegen die Reformen zu demonstrieren. Die Polizei sprach von 47.000 Teilnehmer:innen insgesamt. In Medellín und Bogotá haben Demonstrierende Unterstützer:innen der Regierung und Mitglieder der unabhängigen Presse angegriffen. In Medellin stürzten sie eine Friedensskulptur des kolumbianischen Künstlers Fernando Botero um.

Unter den Demonstrierenden befanden sich der Ex-Verteidigungsminister Diego Molano, der Ex-Oberkommandierende der Armee Eduardo Zapateiro, sowie führende Persönlichkeiten der Oppositionspartei Centro Democrático wie die ultrarechten Maria Fernanda Cabal in Cali und Miguel Uribe in Bogotá. "Dies ist der Beginn des Wiederaufbaus von Cali. Raus, Kommunisten, die unsere Stadt zerstört haben", sagte Cabal. 2021 war Cali das Epizentrum der Widerstandsbewegung gegen die Regierung von Iván Duque.

Im Zentrum der Kritik der rechten Opposition stand der vorgelegte Entwurf zur Gesundheitsreform, der die Macht der privaten Gesundheitsunternehmen (Entidad promotora de Salud, EPS) in die öffentliche Hand überträgt.

Seit der Einführung des neoliberalen Gesetzes "Ley 100" verwalten die EPS autonom das Geld, das aus den staatlichen Kassen und aus den Beiträgen der Nutzer:innen in das Gesundheitssystem einfließt. Sie organisieren auch die medizinischen Dienstleistungen. Experten für das Gesundheitswesen klagen seitdem, dass die EPS in ihrer Geschäftslogik größere Gewinne erzielen, wenn sie den Patient:innen Dienstleistungen verweigern.

Ein weiteres Problem ist, dass die EPS vor allem dort präsent sind, wo es profitabel ist. In den städtischen Slums oder in marginalisierten ländlichen Randgebieten wie Amazonien, haben sie kaum Infrastruktur aufgebaut, kritisierte Petro in seiner Rede. Laut Gesundheitsministerin Carolina Corcho befinden sich von den landesweit 20.328 Kliniken und Krankenhäusern nur 1.964 in marginalisierten Gebieten.

Dadurch gebe es mehr Tote unter der armen als unter der wohlhabenden Bevölkerung. Dies sei zum Beispiel in der Corona-Pandemie sehr offensichtlich gewesen. Daher dürfe das Gesundheitssystem nicht durch den freien Markt organisiert werden, denn "wo bleibt dabei das Recht auf Leben?", so Petro weiter.

Organisationen von Ärzt:innen unterstützen das Vorhaben der Regierung. Die Idee hinter der Reform sei es, den Warencharakter der Gesundheit zu beseitigen, sagt beispielsweise Leonardo Quinceno, Vertreter der Vereinigung der Krankenhäuser des Departamento Quindío und Direktor des Krankenhauses La Tebaida.

Zu den Änderungen gehört der Aufbau eines präventiven Systems, kündigte Petro an. Es sollen medizinische Teams gebildet werden, die die entlegensten Teile des Landes erreichen. Sie müssten die dortigen Bewohner:innen regelmäßig aufsuchen, egal ob dies bedeute, "mit dem Boot oder dem Leichtflugzeug" dahin zu kommen. Diese sollen den neuen Zentren für primäre Gesundheitsversorgung (Centros de Atención Primaria, Caps) zugeordnet werden. Für maximal 20.000 Personen in einer Region oder einem Stadtviertel soll ein Team zur Verfügung stehen.

Das Geld für den Betrieb wird vom Staat ohne Vermittlung der EPS an die Zentren direkt überwiesen. Das medizinische Personal der Caps wird vom Staat festangestellt. So werden die Mitarbeitenden "Arbeitsplatzsicherheit haben", erklärte Petro. Mit den "Müll-Verträgen", wie die unwürdigen Arbeitsverträge in Kolumbien genannt werden, sei es im Gesundheitswesen dank der Reform vorbei, versprach der Präsident.

Die Reform schafft den Nationalen Gesundheitsrat (Consejo Nacional de Salud), der das Funktionieren des Gesundheitssystems nachverfolgen, bewerten und darüber berichten soll. Die Mehrheit der 40 Mitglieder des neuen Organs soll aus Delegierten von Gewerkschaften, indigenen und afrokolumbianischen Gemeinden, LGBTIQ-Gremien, Angehörigen von Medizinfakultäten und Organisationen von Patient:innen und Ärztinnen bestehen. Nur acht Mitglieder sind Vertreter:innen der Gesundheitsministerien oder Dezernate für Gesundheit. Zwei Plätze sind für Delegierte der Groß- und Kleinunternehmen reserviert.