Brasília. 85 Arbeiter:innen – unter ihnen mindestens elf Minderjährige – wurden am 11. März aus zwei Reisfarmen aus sklavenarbeitsähnlichen Zwangsverhältnissen befreit. Der deutsche Chemiekonzern BASF wird vom brasilianischen Arbeitsministerium (MTE) als "tatsächlicher Arbeitgeber" benannt, wie das Infoportal G1 berichtet.
An der Befreiungsaktion in der Stadt Uruguaiana im Bundesstaat Rio Grande beteiligten sich Beamt:innen der Bundespolizei, des Arbeitsministeriums sowie der Bundesstaatsanwaltschaft. Ermittler:innen zufolge erlitten die Arbeiter:innen infolge von Essens- und Flüssigkeitsmangel Ohnmachtsanfälle, ohne dass ihnen medizinisch geholfen wurde. Zudem wurde ihnen in solchen Fällen für den Zeitraum kein Lohn bezahlt.
Der Beamte Vítor Ferreira spricht gegenüber dem Portal UOL von "entwürdigenden Bedingungen". Da es keinen Ort zum Lagern von Lebensmitteln gab, sind die Lebensmittel sehr schnell verdorben, sodass die Arbeiter:innen das wenig verbleibende Essen unter sich aufteilen mussten. Mahlzeiten hätten stets aus kaltem Essen bestanden, es gab keine Möglichkeit, Essen aufzuwärmen.
Pestizide wurden ohne angemessene Schutzkleidung ausgesprüht, auch durch Minderjährige. Die Betroffenen, die alle aus Gemeinden des an Argentinien angrenzenden Gebiets aus dem Westen des Bundesstaats Rio Grande do Sul stammen, wurden angeheuert, um sogenannten roten Reis zu schneiden, ein Gras, das neben dem Reis wächst und der Ernte Schaden zufügt. Die Arbeiter:innen sollten selbst für Arbeitsgeräte sorgen, und das Ausbringen von Pestiziden erfolgte ohne individuelle Schutzausrüstung. Die Anstellung erfolgte ohne Papiere und offizielle Registrierung des Arbeitsverhältnisses.
Der Verband der Reisbauernvereinigungen des Bundesstaates Rio Grande do Sul, Federarroz, sprach von "sklavereiähnlichen Bedingungen" und betonte, die Ermittlungen in diesem Fall zu verfolgen, um bei der Aufklärung mitzuwirken.
Das Arbeitsministerium wies laut G1 darauf hin, dass BASF "die absolute Kontrolle über alles, was auf der Plantage geschah, einschließlich der Ausbildung und des Einsatzes der geretteten Arbeiter" hatte. Das Unternehmen sei aufgefordert worden, die Arbeiter:innen sozialversicherungsrechtlich zu registrieren und die ihnen zustehenden Abfindungen in Höhe von umgerechnet 66.500 Euro rückwirkend zu zahlen.
Das mit BASF verbundene Fachpersonal habe nicht nur technische Ratschläge erteilt und Schulungen durchgeführt, sondern "an der Einstellung von Arbeitskräften mitgewirkt, indem sie die Anzahl der einzustellenden Arbeitskräfte angegeben und das Arbeitsvolumen und die Form der Bereitstellung auf täglicher Basis kontrolliert haben."
Ein Arbeitsinspektor sagte dazu: "Die Anwerbung von Arbeitskräften, die Überwachung und Kontrolle der Arbeitsschritte sowie die Genehmigung der Bezahlung nach Beendigung des Dienstes wurden von den von ihr [BASF] direkt oder indirekt beauftragten Agronomen durchgeführt und/oder bestimmt".
Bei der Untersuchung der Funktionsweise von Arbeitsverträgen in diesem Fall konnte festgestellt werden, dass BASF einen Saatgutproduktionsvertrag mit der Lieferfirma abschloss und versuchte, sich von den vertraglich vereinbarten Arbeitsverhältnissen zu distanzieren. "Die Beziehung zwischen dem multinationalen Unternehmen und den ländlichen Erzeugern ist keine rein kommerzielle Beziehung. Dies wäre der Fall, wenn der multinationale Konzern lediglich der Käufer der Ernte wäre. Diese Beziehung kann als Partnerschaft bezeichnet werden, da sie die gemeinsame Verwaltung aller Produktionsphasen umfasst", erklärte der Arbeitsinspektor gegenüber G1.
Laut Medienberichten äußerte BASF dazu, man habe von dem Fall erfahren und "bedauert zutiefst, was den Arbeitern widerfahren ist". Der Konzern werde sich "proaktiv an die Behörden wenden, um zur Lösung des Falles beizutragen". Zudem erklärt das Unternehmen, dass es die Anforderungen für die Einstellung von Lieferanten und Subunternehmern befolge und Praktiken "vehement verurteilt, die die Menschenrechte missachten".
Mit Beginn des Jahres 2023 trat in Deutschland das Gesetz zur Lieferkettensorgfaltspflicht (LkSG) in Kraft, das in Deutschland ansässige Unternehmen verpflichtet, in ihren Lieferketten auf die Einhaltung der Menschenrechte zu achten.
Ob und inwieweit der Fall auch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, das für die Kontrolle der Einhaltung des Lieferkettengesetzes zuständig ist, beschäftigen wird, bleibt offen. Zumal es den Chemiekonzern lediglich mit Bußgeldern belegen kann. Die betroffenen Arbeiter:innen werden auf diesem Wege BASF kaum zur Verantwortung ziehen können.
Nach bislang offiziell nicht bestätigten Medienberichten ermittelt nun in Brasilien die Bundesstaatsanwaltschaft für Arbeit gegen BASF, den nach Umsatz größten Chemiekonzern weltweit.