Präsident von Brasilien betont in China gemeinsame Interessen

Xi-Jinping: "Neue Ära der sino-brasilianischen Beziehungen". Dilma Rousseff wird neue Präsidentin der Brics-Entwicklungsbank NDB. Zahlreiche Abkommen unterzeichnet

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Offizieller Empfang Lulas bei Xi Jinping am 14. April
Offizieller Empfang Lulas bei Xi Jinping am 14. April

Beijing. Eine Amtseinführung und viele Abkommen, große Gesten und Symbolik gehören zur Bilanz des viel beachteten China-Besuchs von Brasiliens Staatspräsident Luis Inácio Lula da Silva.

Nach der außenpolitischen Isolation Brasiliens unter seinem Vorgänger Jair Bolsonaro ging es Lula und seiner rund 250-köpfigen Delegation darum, die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu China zu re-intensivieren und auf ein neues Niveau zu heben sowie den Multilateralismus der eigenen Außenpolitik zu stärken.

China ist seit 2009 Brasiliens größter Handelspartner – 27 Prozent seiner Exporte gehen dorthin, der Warenaustausch erreichte 2022 mit mehr als 150 Milliarden US-Dollar einen neuen Rekordwert. Und dem wirtschaftlich potentesten Land der Brics-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) kommt geopolitisch auch wegen Russlands Krieg in der Ukraine eine besondere Bedeutung zu.

Erste Station war Shanghai, wo Lula der Amtseinführung seiner politischen Vertrauten Dilma Rousseff als neuer Präsidentin der Brics-Entwicklungsbank (New Development Bank, NDB) beiwohnte. Die gelernte Ökonomin, 2011 bis Mitte 2016 selbst brasilianische Staatspräsidentin, löst den von Bolsonaro ernannten Marcos Troyjo ab (amerika21 berichtete).

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Lula mit Dilma Rousseff bei ihrer Amtseinführung am 13. April als Leiterin der Brics-Bank
Lula mit Dilma Rousseff bei ihrer Amtseinführung am 13. April als Leiterin der Brics-Bank

Die NDB wurde 2014 von den Brics-Staaten als Alternative zu den Finanzinstitutionen Weltbank und Internationaler Währungsfonds gegründet. Mit einem Kreditvolumen von 50 Milliarden und einem Reservefonds von 100 Milliarden US-Dollar finanziert sie Infrastruktur- und Entwicklungsprojekte in den Brics-Staaten, die 24 Prozent des weltweiten BIPs erwirtschaften und rund 2.800 Milliarden US-Dollar halten, circa 42 Prozent der weltweiten Devisenreserven. Bisher hat die NDB knapp 100 Projekte im Umfang von insgesamt 32,8 Milliarden US-Dollar finanziert. Seit 2021 sind Ägypten, Bangladesch und die Vereinigten Arabische Emirate (VAE) beigetreten.

Als NBD-Präsidentin stehe Rousseff vor zwei großen Herausforderungen, meint João Bosco Monte, Direktor des regierungsnahen Thinktanks Instituto Brasil Africa, in der Wochenzeitung CartaCapital: Zum einen Projekte für Klima- und Umweltschutz voranzubringen, deren Umsetzung aber vor allem von Chinas Finanzierungsbereitschaft abhänge. Zum anderen die Auswirkungen der westlichen Wirtschafts- und Finanzsanktionen gegen Russland abzumildern, von denen auch die NBD selbst betroffen ist. Wegen der Sanktionen gegen Russland ist die Suche nach Finanzierungsquellen auf den Kapitalmärkten schwieriger geworden.

Rousseff muss mit wachsenden geopolitischen Konflikten umgehen, die – wie die Rivalität zwischen China und Indien – auch die Brics selbst betreffen. Daneben wird sie die Aufnahme neuer Mitglieder managen müssen: Schwellenländer wie Argentinien, Indonesien, Iran oder Saudi-Arabien wollen dabei sein, werden es aber schwieriger machen, gemeinsame Positionen zu finden. Schließlich soll die NBD-Präsidentin helfen, das große finanzpolitische Ziel zu erreichen: Geschäfte innerhalb des globalen Südens in lokaler Währung durchzuführen – ohne auf den Dollar zurückgreifen zu müssen, der wegen der Schwäche der meisten Süd-Währungen zusätzliche Kosten und Risiken bedeutet.

In ihrer Antrittsrede sprach sie von einer "großen Gelegenheit, mehr für die Brics- wie für die Schwellen- und Entwicklungsländer zu tun". Auch Lula, der in der NDB perspektivisch "die große, freie Bank des Globalen Südens" sieht, unterstrich den Anspruch auf währungspolitische Eigenständigkeit: "Warum führen wir unseren Basishandel nicht in unserer eigenen Währung durch? Wer hat entschieden, dass es der Dollar ist?” Das trifft sich mit den Bemühungen von Peking, den Yuan auf den globalen Handels- und Finanzplätzen als Alternative zum Dollar zu etablieren.

Der erste Besuch eines Staatsoberhaupts der Brics-Staaten am NDB-Hauptsitz machte klar, dass beide Seiten der Reise besondere Bedeutung beimaßen. In Peking wurde Lula von Chinas Staatschef Xi-Jinping mit großem Protokoll und militärischen Ehren empfangen und als "alter Freund" bezeichnet – es war das dritte Zusammentreffen der beiden.

Auf brasilianischer Seite wurde der Stellenwert auch an der Größe und Zusammensetzung von Lulas Delegation deutlich. Sie bestand neben Minister:innen und Abgeordneten aus rund 200 Unternehmer:innen und Lobbyist:innen, aber auch einigen Vertreter:innen sozialer Bewegungen wie João Pedro Stedile, nationaler Koordinator der Landlosenbewegung MST (Movimento dos trabalhores rurais sem terra).

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Lula mit Delegierten beim Besuch des Forschungs- und Entwicklungszentrums von Huawei in Shanghai am 13. April
Lula mit Delegierten beim Besuch des Forschungs- und Entwicklungszentrums von Huawei in Shanghai am 13. April

Unterschrieben wurden insgesamt 15 bilaterale Abkommen. Zudem wurde die von Lula 2009 eingerichtete "Sino-Brasilianische Spitzenkommission für Konzertation und Kooperation" (Comissão Sino-Brasileira de Alto Nível de Concertação e Cooperação, Cosban) reaktiviert. Die Abkommen betreffen verschiedene Handels- und Wirtschaftsbereiche, in denen nun auch in den Landeswährungen abgerechnet werden soll. Sie zielen auch auf die Kooperation in Wissenschaft und Technologie, Medien und Nachrichtenagenturen oder "digitaler Ökonomie".

Innerhalb der Cosban wurde eine "Unterkommission für Umwelt und Klimaschutz" eingerichtet. Eine gemeinsame Erklärung ermahnt die Länder des globalen Nordens, ihre Finanzierungszusagen zur Bewältigung des Klimawandels (in Höhe von 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr) einzuhalten.

Staatspräsident Xi betonte die Bereitschaft Chinas zur Zusammenarbeit mit Brasilien, "um eine neue Ära der sino-brasilianischen Beziehungen zum Nutzen beider Völker" einzuleiten. Auch Lula betonte wiederholt die "gemeinsamen Interessen" beider Länder und die Möglichkeit, ein "neues Paradigma von Entwicklung" anzusteuern.

Brasiliens Finanzminister Fernando Haddad hob hervor, dass die brasilianische Außen- und Handelspolitik multilateral orientiert sei. Zugleich solle der Mercosur-Block gestärkt werden, um mit allen drei großen Wirtschaftsregionen – Europa, USA und China – die bestmöglichen Vereinbarungen zu erzielen. Xi hatte gegenüber Lula betont, dass China bereit sei, die "strategische Verknüpfung zwischen der Neuen Seidenstraße und der 'Re-Industrialisierung' Brasiliens" aktiv zu erörtern.

Zu den von Lula vor Reiseantritt angekündigten Vermittlungsbemühungen im Russland-Ukraine Krieg wurde Konkretes nicht bekannt. In der Abschlusserklärung wiederholten Lula und Xi-Jinping die Notwendigkeit von Verhandlungen, die von "neutralen" Staaten moderiert werden könnten. Auf dem Rückweg nach Brasilien wiederholte Lula seine Position, dass gleichermaßen beide Länder – Ukraine und Russland – für den Krieg verantwortlich seien.