Peru: Drogenhandel hinter den Morden an indigenen Anführern in Amazonasgebiet

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Der ermordete Asháninka-Anführer Santiago Contoricón (57)
Der ermordete Asháninka-Anführer Santiago Contoricón (57)

Satipo. Santiago Contoricón Antúnez, der Vorsitzende des Selbstverteidigungskomitees der indigenen Gemeinde Puerto Ocopa (Satipo), wurde am vorvergangenen Samstagabend vor den Augen seiner Tochter getötet. Die Polizei geht davon aus, dass das Verbrechen von Drogenhändlern begangen wurde. Mit Contoricón wurden seit 2020 bereits 20 indigene Anführer:innen und Verteidiger:innen des Amazonasgebiets von Kriminellen ermordet, die mit Drogenhandel, illegalem Bergbau, illegalem Holzeinschlag und Landhandel in Verbindung stehen.

Contoricón und das ihm unterstellte Selbstverteidigungskomitee halfen den örtlichen Ordnungskräften regelmäßig, Drogenlieferungen zu beschlagnahmen und Drogenhändler zu identifizieren. Nach Angaben eines Komiteemitglieds war Contoricón auch am 8. April, dem Tag seiner Ermordung, an der Beschlagnahmung einer Drogenlieferung beteiligt.

Puerto Ocopa, die Gemeinde, in der Contoricón getötet wurde, ist ein Transitgebiet für Boote, die Drogen auf dem Fluss Tambo nach Atalaya in der Region Ucayali transportieren. Von dort aus wird die Ware per Flugzeug nach Brasilien und Bolivien transportiert. Río Tambo ist zudem einer der 24 Bezirke, die das Tal der Flüsse Apurímac, Ene und Mantaro (Vraem) bilden. Nach Angaben der Nationalen Kommission für Entwicklung und Leben ohne Drogen (Devida) entfielen im Jahr 2021 40 Prozent der Kokaanbaufläche des Landes auf diesen Bezirk.

Fabián Antúnez Camacho, Präsident des indigenen Dachverbands Cart (Central Asháninka de Río Tambo) ist sich sicher: Die Untätigkeit der Regierung war entscheidend für die Ermordung des angesehenen Anführers. Erst am 24. März war Antúnez nach Lima gereist, um im Innenministerium auf die akute Bedrohungslage in seinen Gemeinden aufmerksam zu machen. Passiert sei danach aber nichts.

Bei einem Treffen Anfang April habe er zudem Hilfe beim Ministerpräsidenten Alberto Otárola Peñaranda erbeten. "Ich wandte mich an ihn und sagte: 'Herr Otárola, wir möchten direkt mit Ihnen über das Thema Sicherheit sprechen, wir werden von Drogenhändlern bedroht'. Er sagte mir, dass er mit uns sprechen wolle, dass ihm und Präsidentin Boluarte das Thema am Herzen liege. Er gab mir die Telefonnummer seiner Sekretärin. Ich rief an, aber er ging nicht ran. Am nächsten Tag rief ich ihn erneut an, aber auch da ging er nicht ran. Ich habe ihm Nachrichten hinterlassen, aber nichts. Wir haben das Gefühl, dass man sich über uns lustig macht. Dieser Tod hätte vermieden werden können. Die Regierung ist verantwortlich für das, was passiert ist. Wir warnen seit 2019 vor den Drohungen, die wir von den Drogenhändlern erhalten", klagte Antúnez gegenüber der Wochenzeitung Hildebrandt.

In einem Communiqué warnte Cart davor, dass in den letzten Jahren die Gebiete der indigenen Gemeinschaften durch illegalen Kokaanbau überschwemmt wurden. "Unsere Flüsse und Böden werden mit Tausenden von Tonnen chemischer Stoffe verseucht, die von den Drogenhändlern verwendet werden", heißt es in der Erklärung. Weiter hat die Organisation einen unbefristeten Streik in der Region ausgerufen, bis die an dem Auftragsmord Beteiligten festgenommen sind. Sämtliche Land- und Flussüberquerungen am Rio Tambo wurden daraufhin von Gemeindemitglieder:innen blockiert.

Bekannt geworden war Santiago Contoricón durch seine führende Rolle Anfang der 2000er Jahre in der Widerstandsorganisation seiner Gemeinde Puerto Ocopa gegen die Guerillaorganisation Leuchtender Pfad (Sendero Luminoso). So waren die von Contoricón gesammelten Informationen damals entscheidend dafür, dass die Polizei 24 vom Leuchtenden Pfad entführte Asháninka befreien konnte. Contoricón selbst war damals Bürgermeister des Distrikts Río Tambo.