Präsident von Kolumbien vor der OAS: Reformieren und "Rechnungen begleichen"

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Petro kritisierte die Untätigkeit der OAS bei der Amtsenthebung lateinamerikanischer Präsidenten. (Screenshot)
Petro kritisierte die Untätigkeit der OAS bei der Amtsenthebung lateinamerikanischer Präsidenten. (Screenshot)

Washington. Kolumbiens Präsident Gustavo Petro hat vor der Generalversammlung der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) in Washington eine Überarbeitung ihrer Charta gefordert. Gleichzeitig kritisierte er die Haltung der OAS zu Amtsenthebungen von Präsidenten in Lateinamerika.

Petro betonte mit scharfen Worten den seiner Ansicht nach vorhandenen Diskussionsbedarf: "Ich schlage vor, die demokratische Charta zu überarbeiten und nebenbei unsere Rechnungen zu begleichen".

Die individuellen liberalen Rechte der OAS-Charta seien wichtig, aber der amerikanische Kontinent müsse darüber hinausgehen. Heute sei es notwendig, neue Rechte hinzuzufügen: die Rechte der Frauen, die Rechte der Natur, ohne die die menschliche Spezies den Klimawandel nicht überleben werde, ebenso die sozialen Rechte der "arbeitenden Bevölkerung" und die Rechte der Indigenen.

"Wo stehen diese Rechte in der Charta? Wie viele Sitzungen wurden der Erweiterung der Charta gewidmet?", fragte der Präsident. In diesem Sinne sollten sich die Amerikas für eine Vertiefung der Demokratie einsetzen. Sie müssten sich "auf eine lebendigere, bereicherte Demokratie zubewegen, die weder in Westeuropa noch in den USA zu finden ist".

In seiner Rede hob Petro den liberalen Charakter der Gründungscharta der OAS hervor. Diese habe in der Vergangenheit seine politischen Rechte vor dem Angriff eines "Faschisten" geschützt. Petro bezog sich auf den Versuch des ehemaligen Staatsanwalts für Verwaltungsangelegenheiten Alejandro Ordóñez, ihn 2014 als Bürgermeister von Bogotá abzusetzen. Die Charta der OAS verbietet die Absetzung von gewählten Amtsträger:innen, es sei denn, es liegt eine richterliche Entscheidung in einem Strafverfahren gegen sie vor.

Petro kritisierte die Untätigkeit der OAS bei der Amtsenthebung lateinamerikanischer Präsidenten. "Schauen wir nicht auf Peru?", fragte er. "Gibt es dort nicht einen Präsidenten, der ohne richterlichen Beschluss inhaftiert ist?" Das widerspreche der Gründungscharta der OAS. "Kann also ein Präsident einfach so abgesetzt werden, nur weil er keine Mehrheit im Kongress hat?"

Er erinnerte dabei an andere Länder und fragte: "Haben wir nicht dasselbe in Honduras, in Paraguay, in Brasilien gesehen? Sehen wir es nicht jetzt in Peru? Könnte das nicht auch in Kolumbien passieren? Verstoßen wir damit nicht gegen den Pakt der Amerikas?" Auf diese Weise werde die Demokratie in den Amerikas nicht vertieft, sondern zurückgedrängt, versicherte der linksgerichtete Staatschef. "Ich lade zum Nachdenken ein", sagte Petro.

Er sei bereit, mit Kuba und Venezuela über einen möglichen Beitritt zum interamerikanischen Menschenrechtssystem der OAS zu sprechen, betonte er.

Nach seiner Rede bekam Petro Standing Ovations von allen Teilnehmer:innen der OAS-Vollversammlung. Auch Generalsekretär Luis Almagro, ein prominenter Adressat von Petros Kritik, erhob sich und applaudierte dem kolumbianischen Präsidenten.