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Gesetzentwurf der Regierung für Steuergerechtigkeit polarisiert Honduras

Steuererleichterungen für Firmen sollen überprüft werden. Teile der Unternehmerschaft organisieren Proteste und drängen Angestellte zur Teilnahme

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Unternehmer drängen Angestellte zum Protest gegen das Gesetz für Steuergerechtigkeit: "Man muss für meine Rechte protestieren."
Unternehmer drängen Angestellte zum Protest gegen das Gesetz für Steuergerechtigkeit: "Man muss für meine Rechte protestieren."

Choluteca/Tegucigalpa. In Honduras ist es wegen des Gesetzentwurfs zur Steuergerechtigkeit zu einer Demonstration mit tausenden von Angestellten der Krabbenfischerei und der Melonen anbauenden Großunternehmen gekommen.

Laut honduranischen Medien wurde der Protest durch den Bürgermeister der Stadt Choluteca, die 145 Kilometer südlich der Hauptstadt Tegucigalpa liegt, organisiert. Durch einen möglichen Wegfall der Steuervergünstigungen und Investitionsanreize sehen die Protestierenden ihre Arbeitsplätze gefährdet.

Zur Untersuchung der Proteste beraumte Präsidentin Xiomara Castro daraufhin den Nationalen Rat für Sicherheit und Verteidigung ein, der alle Justiz-, Polizei- und Militäraktionen koordiniert. Von Seiten der Opposition wurde die Einberufung des Rates als Einschüchterung wahrgenommen und auf das Recht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit verwiesen.

Seit dem 8. Mai tagt die spezielle Kommission des Nationalkongresses in öffentlichen Anhörungen über den Entwurf des Steuergerechtigkeitsgesetzes (Ley de Justicia Tributaria, LJT). Vertreter aus der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft tragen dort ihre Empfehlungen vor.

Der Gesetzentwurf, der von der Regierung erarbeitet und am 4. Mai dem Parlament vorgelegt wurde, ist Teil einer umfangreichen Reform. Unter anderem sollen die Abkommen über Steuererleichterungen der Unternehmen überprüft werden. Das Gesetz "zielt darauf ab, Steuerschlupflöcher und Privilegien zu beseitigen, die einzelne Gruppen oder Sektoren begünstigen, die weder mehr Arbeitsplätze geschaffen noch für ein Wirtschaftswachstum gesorgt haben“, erklärt Sammy Castro, Wirtschaftswissenschaftler der Nationalen Autonomen Universität Honduras. Steuerliche Ungleichheiten sollen angegangen und eine einheitliche Steuer auf große Vermögen erhoben sowie die Steuerverwaltung insgesamt verbessert werden.

Victor Wilson, Aktionär der Grupo Granja Marinas und Ex-Präsident der Industrie- und Handelskammer des Südens, warnte in einer Fernsehdebatte, dass durch das Gesetz bis zu 200.000 Arbeitsplätze wegfallen würden. Marlon Ochoa, Staatssekretär der Finanzverwaltung, entgegnete darauf, dass die Proteste durch die Unternehmer initiiert seien. Sie hätten unter Androhung von Entlassungen und Lohnkürzungen auf ihre Angestellten Druck ausgeübt, so dass sie sich anschlossen. Weiterhin berichtete er, dass eines dieser Unternehmen seit 36 Jahren Steuererleichterungen genieße und diese vertraglich noch für die nächsten zwölf Jahre gelten.

Neben der Nationalen Partei und einigen Unternehmensverbänden, die den Gesetzentwurf ablehnen, stimmen jedoch viele Unternehmer:innen und Vertreter:innen der Zivilgesellschaft zu. So spricht sich Miguel Zablah, Unternehmer aus Tegucigalpa, für die Verabschiedung des Gesetzes aus. "Ich habe Unterlagen eines Unternehmens in Tegucigalpa gesehen, das siebenhundert Millionen Umsatz im Monat macht und keine Steuern zahlt. Es haben alle Honduraner:innen Steuern zu zahlen." Auch Efraín Rodríguez vom Verband der Mikro- und Kleinindustrie in Honduras spricht sich für Gerechtigkeit in der Steuerabgabe aus. "Als die Bevölkerung bei den letzten Wahlen wählte, stimmte sie für einen wirklichen Wechsel, für mehr Inklusion, für mehr Leistungen. Dieses Gesetz ist Teil dieses Wechsels, den sich die Bevölkerung wünscht. Die Verantwortung liegt nun bei den Abgeordneten, die das Gesetz nicht als politisches Projekt sehen sollten, sondern als ein Thema, um Honduras voranzubringen."

Die Liberale Partei würde dem Gesetz nur dann zustimmen, wenn ein Fiskalpakt einbezogen würde, in dem Arbeitnehmer, Regierung, politische Parteien und Unternehmer einen Dialogprozess einleiten und den Missbrauch und die Preiserhöhungen bei landwirtschaftlichen Gütern verhindern. Darüber hinaus solle ein Vertraulichkeitsgesetz in Bezug auf das Bankgeheimnis erarbeitet werden.

Als Protest gegen den Gesetzentwurf, in dessen Entwicklung er nicht einbezogen wurde, war bereits am 24. April der Unternehmer Pedro Barquero von seinem Amt als Minister für soziale Entwicklung zurückgetreten.

Victor Fernández, Anwalt und Koordinator der honduranischen Umweltorganisation "Breite Bewegung für Würde und Gerechtigkeit" (MADJ), unterstützt das Gesetz und erklärt gegenüber amerika21: "Die Regierung hat die Korruption der großen Unternehmerschaft, die sehr hohe Gewinne einstreicht und kaum Steuern zahlt, bloßgestellt."  Er ruft die Mitglieder der MADJ dazu auf, sich vor dem Kongress zu versammeln. "Das Gesetz ist noch das Geringste. Was wir brauchen ist nicht nur ein Steuergerechtigkeitsgesetz, was wir brauchen ist eine umfassende Gerechtigkeit und die kann nur durch einen Sozialpakt im Land erreicht werden", unterstreicht Fernández.

Es wird erwartet, dass es in den nächsten Tagen zur Abstimmung im Nationalen Kongress kommen wird.