Brasilien: Regierung verspricht Agrarreform auf Messe der Landlosenbewegung MST

Landlosenbewegung soll Landstücke bekommen. Minister kündigen erste Maßnahmen noch im Mai an. Agrarreform-Messe der MST fand zum vierten Mal statt

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Vizepräsident Geraldo Alckmin auf der Messe der MST
Vizepräsident Geraldo Alckmin besuchte die Agrarmesse der MST.

São Paulo. Der brasilianische Minister für landwirtschaftliche Entwicklung, Paulo Teixeira (PT), hat Maßnahmen für eine Agrarreform angekündigt. Die Regierung Lula will noch in diesem Monat erste Schritte einleiten. Demnach sollen "unproduktive" Landstücke an die Bewegung der Landarbeiter:innen ohne Boden (Movimento dos Trabalhadores Rurais Sem Terra, MST) zur Bewirtschaftung übergeben werden. Teixeira ergänzte, dass auch finanzielle und technische Hilfe geleistet und die Bildung landwirtschaftlicher Kooperativen unterstützt werden soll.

Auch der brasilianische Vizepräsident Geraldo Alckmin unterstrich den Willen seiner Regierung, eine Agrarreform durchzuführen. Er lobte die Bedeutung und Vorreiterrolle des MST bei der Produktion gesunder Lebensmittel und der Etablierung familiärer Erzeugerstrukturen.

Die Landverteilung in Brasilien gehört zu den weltweit ungerechtesten und ist ein großes Hindernis für Armutsbekämpfung und nachhaltige Entwicklung. Knapp ein Prozent der ländlichen Grundstücke umfasst rund 48 Prozent der gesamten ländlichen Fläche. Die andere Hälfte des ländlichen Raums ist kleiner als zehn Hektar und macht nur 2,3 Prozent der Gesamtfläche aus.

Beide Politiker machten ihre Ankündigungen beim Besuch der vierten "Nationalen Messe der Agrarreform", die am vergangenen Wochenende in São Paulo stattfand. Es handelte sich um eine viertägige Erzeuger- und Verbrauchermesse für vom MST produzierte Lebens- und Genussmittel, die insgesamt rund 320 Tausend Besucher:innen anlockte.

1.700 Kleinbauern und Kleinbäuerinnen aus 24 brasilianischen Bundesstaaten boten mehr als 1.700 Produkte und insgesamt 560 Tonnen Lebensmittel an. Alles wurde von Familien erzeugt, die sich auf vom MST besetzten Ländereien niedergelassen haben. Der MST ist seit 1984 aktiv und vereint rund 450.000 niedergelassene und 90.000 kampierende Familien, die sich in mehr als 2.000 Kooperativen und Erzeugergemeinschaften sowie 120 Agro-Betrieben zusammengeschlossen haben.

Die Veranstaltung diente nicht nur dem Verkauf, sondern auch dem Austausch zwischen Land und Stadt. "Die Messe wächst jedes Jahr, bei Erzeuger:innen wie bei Konsument:innen", freute sich MST-Koordinatorin Giselda Coelho Pereira gegenüber dem der Bewegung nahestehenden Nachrichtenportal Brasil de Fato. Sie kam aus dem fernen Marabá im Bundesstaat Pará nach São Paulo und betonte die Bedeutung der Agrarreform als Mittel zum Kampf gegen den Hunger im Land: "Unser großer Reichtum spiegelt sich in allen Bereichen wider, im Essen und in der Kochkunst, in den Produkten aus biologischem Anbau, die zeigen, dass Landwirtschaft auch anders [als Monokultur] sein kann"

Auch Fábio Ramos Nunes, Präsident der Erzeuger:innenkooperative der Metropolregion Belo Horizonte im Bundesstaat Minas Gerais, hob die ökonomischen Vorteile der Messe hervor: "Wir schließen hier Verträge für den Verkauf außerhalb der Messe ab, auch mit Lagerfirmen".

Pater Júlio Lancelotti segnete die 38 Tonnen Lebensmittel, die lokalen Bedürftigen-Organisationen übergeben wurden. Er nannte die Messe "ein Zeichen der Hoffnung" und führte aus: "Unser Kampf lohnt sich, wir dürfen nicht aufgeben. Besetzen, erzeugen und produzieren, dagegenhalten, Widerstand leisten". Während der Messe organisierte der MST auch Seminare und Workshops zur Agrarerziehung und Biolandwirtschaft, an denen rund 2.000 Menschen teilnahmen.

Auch andere Politiker und Amtsträger würdigten das Ereignis. Nach Paulo Pimenta, Minister des präsidentiellen Sekretariats für soziale Kommunikation, zeige die Messe, "dass es mit der Agrarreform und der Familienlandwirtschaft möglich ist, qualitativ hochwertige Lebensmittel zu fairen Preisen zu produzieren". Der Gouverneur des Bundesstaats Bahia, Jerônimo Rodrigues (PT), sah die Messe als Teil des Widerstandprojekts des MST. "An allen Ständen wird klar, dass das Leben nicht einfach ist. Das Leben der indigenen Völker, der Landlosen, der Frauen, der Jugend, der LGBTQ+ Menschen", so Rodrigues. "Diese Messe ist auch eine vierte Auflage unseres Widerstands".

"Wir werden weiter für die Agrarreform und den Zugang zu Land kämpfen", betonte der MST-Aktivist und Bundesabgeordnete Valmir Assunção (PT). "Wir werden uns auch der neuen parlamentarischen Untersuchungskommission (CPI) im Kongress stellen. Es ist nicht die erste, sondern die fünfte CPI gegen uns. Und wir werden ihr begegnen, indem wir in Dialog mit der gesamten Gesellschaft treten. Denn wir kämpfen darum, den Artikel 16 unserer Verfassung umzusetzen und für eine gerechtere, gleichere Gesellschaft zu errichten".

Rund 400 Künstler:innen solidarisierten sich mit dem MST und brachten ein umfangreiches Kulturprogramm aus Musik, Literatur, Tanz und Literatur auf die Bühne. Unter den Prominenten gehörten waren Zeca Baleiro, Alessandra Leão, Jorge Aragão, Gabi Amarantos und Jhony Hooker. Die Messe endete mit einer Mega-Show, bei der unter anderem Lenine, Larissa Luz, Liniker, Alzira, Tulipa Ruiz und Chico César auftraten. "Hier ist der Ort, an dem wir uns mit dem MST verbinden", so die Sängerin Anelis Assumpção. "Die kulturellen Bewegungen in Brasilien sind so vielfältig und komplex wie die Landlosenbewegung".