Kolumbien: Ex-Paramilitär-Chef kompromittiert Großfirmen, Politiker und das Militär

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Mancuso vor der JEP: "Ich wurde von den Streitkräften rekrutiert, trainiert und bewaffnet. Ich bin ein Kind von ihnen."
Mancuso vor der JEP: "Ich wurde von den Streitkräften rekrutiert, trainiert und bewaffnet. Ich bin ein Kind von ihnen."

Montería/Atlanta. Salvatore Mancuso, ehemaliger Kommandant der Selbstverteidigungsgruppen Kolumbiens (AUC), hat vor dem Sondergericht für den Frieden (JEP) über die Beziehungen der AUC zu Wirtschaft, Politik und Streitkräften ausgesagt. Er gestand die Finanzierung von Präsidentschaftswahlkämpfen, die Zusammenarbeit mit Unternehmen und der militärischen Führung von Armee, Polizei und Geheimdiensten.

Die AUC bestanden offiziell zwischen 1997 und 2005 und haben Hunderte von Massakern an Kleinbäuer:innen, Gewerkschafter:innen und Oppositionellen begangen. Grausame Foltermethoden und Enthauptungen mit Kettensägen gehörten zu ihren Markenzeichen.

Mancuso gestand, dass die AUC die Wahlkampagnen der Präsidenten Andrés Pastrana (1998–2002) und Álvaro Uribe (2002–2010) unterstützt haben. Auch in die Kongresswahlen vom 10. März 2002 sollen die Paramilitärs direkt eingegriffen haben.

Die Oligarchie in Bogotá habe den Kontakt zur AUC gesucht, erzählte Mancuso. Konkret habe Francisco Santos, Sprecher der politischen und wirtschaftlichen Elite Bogotás, 1997 den Paramilitärchef aufgesucht, um die "Frente Capital" (Einheit Hauptstadt) zu gründen. Santos wurde später Vizepräsident Uribes.

Rund 200 kolumbianische und ausländische Bananenunternehmen finanzierten die Paramilitärs über die zwischen 1994 und 1997 legalen Sicherheitskooperativen Convivir. Darunter waren Tochtergesellschaften der US-Firmen Chiquita und Dole sowie des holländischen Unternehmens Del Monte. Über sie und die Convivir "Papagei" konnten die AUC rund 8.000 Gewehre und Millionen Schuss Munition in die Region Urabá importieren.

Mancuso sagte auch über den US-Konzern Drummond aus. Demnach hatte er Kontakt zum Sicherheitschef der Firma. "Wir bekamen eine Liste von Drummond-Gewerkschaftern, die wir ermordeten", sagte Mancuso. Das war Anfang der 2000er Jahre. Unterstützung sollen die Paramilitärs von den kolumbianischen Firmen Termotasajeno, Postobón, Bavaria und Ecopetrol sowie von Coca-Cola erhalten haben.

Mancuso betonte, dass das paramilitärische Projekt ein Produkt der staatlichen Streitkräfte war. "Ich wurde von den Streitkräften rekrutiert, trainiert und bewaffnet. Ich bin ein Kind von ihnen". Er erwähnte hochrangige Militäroffiziere, wie den Ex-General Iván Ramírez und die Ex-Leiter der Polizei Rosso José Serrano und Óscar Naranjo, mit denen die AUC verbunden waren. Mancuso bekam sogar einen Militärausweis, mit dem er sich freier bewegen konnte.

In der Regel wurden die paramilitärischen Operationen "mit Obersten und Brigadekommandeuren geplant. In einigen Fällen mit Obersten, Bataillonskommandeuren, mit den Offizieren vor Ort, Hauptleuten, Leutnants und Majoren", erzählte Mancuso.

Eine Zeit lang war es Politik der AUC, Leichen liegen zu lassen, um Terror zu verbreiten, so Mancuso. Dies änderte sich ab dem Jahr 2000 an der Grenze zu Venezuela, als das dortige Militär von den Paramilitärs verlangte, keine Beweise für die Morde zu hinterlassen, um sein Ansehen nicht zu beschädigen. Der Druck der Menschenrechtsorganisationen sei groß gewesen. Die AUC verbrannten daraufhin hunderte Leichen in Ziegelöfen und warfen über 200 Ermordete in Flüsse oder anonyme Gräber in Venezuela.

Laut Mancuso war sogar die Presse den AUC wohlgesonnen. Sie habe eine wichtige Rolle bei der Legitimierung des Diskurses der AUC gespielt, so der Ex-Paramilitär. Prominente Journalist:innen hatten direkten Zugang zum Oberkommandanten Carlos Castaño. Alle Medien veröffentlichten immer alles, was die AUC ihnen schickte.

Mancuso nahm an den viertägigen Sitzungen der JEP virtuell teil, da er seit 2008 wegen Drogenhandels in den USA inhaftiert ist. Im Jahr 2020 hat er seine Strafe verbüßt, muss aber im US-Gefängnis bleiben, bis die JEP seine rechtliche Situation in Kolumbien definiert.

Vieles von dem, was er aussagte, war bereits bekannt. Die JEP muss nun prüfen, ob er genügend neue Informationen vorgebracht hat, um in einem formellen Prozess aufgenommen zu werden. Dies würde ihm in Kolumbien eine Strafmilderung ermöglichen.