Caracas/Washington. Die Regierungen Argentiniens, Costa Ricas, Chiles, Ecuadors, Guatemalas, Panamas, Paraguays, Perus, Uruguays, der Dominikanischen Republik und der USA haben am Freitag die Verlautbarung des Obersten Gerichtshofs (TSJ) Venezuelas "kategorisch abgelehnt", wonach das Gericht eine Überprüfung der vom Nationalen Wahlrat (CNE) ausgegebenen Wahlergebnisse vom 28. Juli abgeschlossen und die vom CNE ausgegebenen Zahlen bestätigt habe. Die Wiederwahl von Nicolás Maduro beruhe auf "haltlosen Ergebnissen", so die Stellungnahme.
Venezuelas Regierung wies das gemeinsame Kommuniqué der zehn lateinamerikanischen Länder und der USA zum Wahlprozess scharf zurück. Sie würden damit "auf unverschämte und grobe Weise" das Völkerrecht verletzen und sich "in Angelegenheiten einmischen, die nur die Venezolaner betreffen." Dies sei inakzeptabel.
Der CNE hatte Maduro mit 52 Prozent der Stimmen zum Sieger erklärt, gegenüber 43 Prozent für den von den USA unterstützten Oppositionskandidaten Edmundo González. Die Opposition behauptet dagegen, González habe die Wahl mit 70 Prozent gewonnen.
"Nur eine unparteiische und unabhängige Wahlprüfung, die alle Unterlagen auswertet", könne "die Achtung des souveränen Willens des Volkes und der Demokratie in Venezuela gewährleisten", heißt es in dem Kommuniqué weiter.
"Wie die übrige internationale demokratische Gemeinschaft werden wir weiterhin auf die Achtung der souveränen Äußerung des venezolanischen Volkes drängen, das sich am 28. Juli friedlich und mit Nachdruck geäußert hat", so das Statement.
Der Außenminister Venezuelas, Yván Gil, prangerte in einer Pressekonferenz die Bildung "einer neuen Lima-Gruppe und der Figur eines neuen Juan Guaidó" an.
Die sogenannte Lima-Gruppe, ein Zusammenschluss rechts regierter Länder Lateinamerikas und Kanada, hatte sich 2017 gebildet und als Ziel "die Wiederherstellung der Demokratie in Venezuela" angegeben. Die Wiederwahl Maduros 2018 erkannte das Bündnis nicht an. Es unterstützte dagegen den Oppositionspolitiker Juan Guaidó, der sich im Januar 2019 selbst zum "Interimspräsidenten" ernannte und mit allen Mitteln versuchte, die Regierung Maduro zu stürzen. Rund zwei Jahre später hatte Guaidó mangels Erfolgs die Unterstützung verloren und setzte sich dann in die USA ab.
Die Unterzeichner des aktuellen Kommuniqués würden nun versuchen, "ein bereits gescheitertes und besiegtes Modell zu wiederholen, das nicht nur gegen das Völkerrecht verstößt, sondern auch das Selbstbestimmungsrecht des venezolanischen Volkes ignoriert." Jeder Versuch, dem Land einen Regime change aufzuzwingen, werde ebenso "abgewehrt und zurückgeschlagen", sagte Gil.
Ebenfalls am Freitag veröffentlichte die rechte Politikerin María Corina Machado, die den Wahlkampf von Ex-Präsidentschaftskandidat Edmundo González anführte, einen an sie gerichteten Brief von der US-Vizepräsidentin und Präsidentschaftskandidatin der Demokratischen Partei, Kamala Harris.
Die USA unterstützten "den Wunsch des venezolanischen Volkes nach einem demokratischen und friedlichen Wandel nach Jahren der Korruption, des Machtmissbrauchs und der Misswirtschaft der Regierung", heißt es darin.
Die jüngsten Ereignisse im Zusammenhang mit den Präsidentschaftswahlen vom 28. Juli würden zeigen, "wie dringend notwendig Transparenz und Rechenschaftspflicht im venezolanischen Wahlsystem sind". Dazu müsse auch die Veröffentlichung der Ergebnisse auf Ebene der Wahllokale gehören.
Die USA würden "die Parteien in Venezuela weiterhin ermutigen, Gespräche über eine respektvolle und friedliche Machtübergabe in Übereinstimmung mit dem venezolanischen Wahlrecht und den Wünschen des venezolanischen Volkes aufzunehmen", schreibt die US-Vizepräsidentin in dem Brief vom 16. August, den Machado auf ihrem X-Account veröffentlichte.
Harris forderte zudem die Sicherheitskräfte Venezuelas "nachdrücklich auf, Zurückhaltung zu üben, die Menschenrechte und das Recht auf freie Meinungsäußerung aller Venezolaner zu respektieren und das venezolanische Volk vor politischen Bedrohungen und Angriffen zu schützen."
Machado danke Harris "für die Verteidigung der demokratischen Werte, die den Geist unseres Sieges ausmachen."
Unterdessen bemühen sich die Regierungen von Brasilien, Mexiko und Kolumbien weiter um eine Vermittlung.
Celso Amorim, Berater des brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva, sagte, dass sein Land "alles tun" werde, um einen Konflikt in Venezuela zu verhindern, der die Krise vertiefen würde, nachdem der TSJ den Sieg von Maduro bestätigt hatte.
"Ich sehe die Dinge wirklich sehr schwierig, aber wir versuchen immer, mit der Hilfe anderer und in Partnerschaft mit anderen Ländern, die eine ähnliche Vision wie wir haben, zu tun, was wir können, um eine sehr konfliktreiche Situation im Inneren zu vermeiden", so Amorim.
Kolumbiens Außenminister Luis Gilberto Murillo, der zu Gesprächen mit seiner mexikanischen Amtskollegin Alicia Bárcena nach Mexiko gereist war, betonte, dass sein Land weiterhin Konsultationen mit Mexiko und Brasilien führe, "wie wir die Situation in Venezuela erleichtern und vermitteln können". Die Regierung habe die Absicht, eine aktive Rolle bei der Suche nach einer friedlichen Lösung für die Situation in Venezuela zu spielen, sagte Murillo.
Nach der Bekanntgabe des TSJ-Urteils hatte Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador erklärt, dass seine Regierung die Veröffentlichung der Wahlergebnisse durch den CNE abwarten werde, bevor sie eine Entscheidung über die Anerkennung der Ergebnisse treffe.
Der TSJ hatte den CNE aufgefordert, die Ergebnisse entsprechend der Wahlgesetzgebung innerhalb von 30 Tagen im Gesetzblatt (Gazeta Electoral) zu veröffentlichen.