Illegaler Kauf israelischer Spyware in Kolumbien, Präsident Petro fordert Ermittlung

Mutmaßlich mit Drogengeldern unter der Regierung Duque erworben und womöglich noch aktiv. Israels Verteidigungsministerium soll involviert sein

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In grün: Logo der NSO-Gruppe
In grün: Logo der NSO-Gruppe

Bogotá. Präsident Gustavo Petro hat den mutmaßlich illegalen Kauf der Spionagesoftware Pegasus von der israelischen Firma NSO Group Technologies durch den Geheimdienst der Polizei (Dipol) der Vorgängerregierung von Iván Duque angeprangert.

Pegasus könnte noch immer außerhalb der Geheimdienste der aktuellen Regierung im Einsatz sein. Es ist nicht klar, in wessen Händen sich die Spionagesoftware derzeit befindet, berichten die staatliche Sendung Señal Investigativa und die Zeitschrift Raya.

Die israelische Spionagesoftware kann nur von Regierungen gekauft werden und funktioniert wie ein Virus. Wer sie einsetzt, kann auf alle Dokumente, Fotos, E-Mails sowie den Standort eines Handys oder Computers zugreifen. Auch Kamera und Mikrofon der Geräte können ferngesteuert werden, um Besprechungen abzuhören.

In einer Fernsehansprache verlas Petro den Bericht einer Schweizer Untersuchungsbehörde von Ende August, der den Kauf von Pegasus bestätigte. Demnach zahlte Dipol elf Millionen US-Dollar in bar auf ein Konto der NSO Group bei der israelischen Bank Hapolim 2021 ein. Das Geld wurde per Flugzeug von Bogotá nach Tel Aviv transportiert.

Der Regierungschef deutete an, dass die Spionagesoftware gegen die landesweite Protestbewegung im Jahr 2021 sowie gegen seine eigene Präsidentschaftskampagne eingesetzt worden sein könnte. Damals wurden geheime Videoaufnahmen von Treffen des Wahlkampfteams von Petro bekannt, die von Duques Geheimdiensten gemacht worden sein sollen.

Der Bericht der Schweizer Behörde werfe, so Petro, mehrere Fragen auf: "Wen haben sie noch abgehört? Mit welchem Gerichtsbeschluss, wie es die kolumbianische Verfassung vorschreibt, damit solche Abhörmaßnahmen kein Verbrechen sind? Woher kam das Geld? Warum wurde es nicht offiziell im Staatshaushalt ausgewiesen?"

Er äußerte den Verdacht, dass es sich bei der Zahlung der elf Millionen US-Dollar um "Geldwäsche durch den Staat selbst" handeln könnte und forderte die Generalstaatsanwaltschaft auf, den Fall zu untersuchen. Den Polizeichef wies Petro an, Pegasus aufzuspüren.

Nach Rayas Recherchen stammte das Geld aus dem Drogenhandel und sei von kolumbianischen Behörden beschlagnahmt worden.

Bereits im März hatte der Journalist Gur Megiddo in der israelischen Zeitung Haaretz berichtet, dass die Regierung Duque im Jahr 2021 13 Millionen US-Dollar in bar an die NSO Group für Pegasus gezahlt habe.

Laut Megiddo hat der Leiter der Exportabteilung des israelischen Verteidigungsministeriums, Yair Kulas, das Geschäft unterstützt. Kulas habe die Bank Hapolim dazu überredet, die Einzahlung trotz ihrer Bedenken wegen Geldwäsche zuzulassen. "Kulas fungierte als Garant für die Bank", erklärte Megiddo.

Auf die Affäre stieß der israelische Journalist bei Recherchen über Kulas: "Wir wussten, dass er in solche Geschäfte verwickelt war und dass er Dinge tat, die fragwürdig waren."

Die Verhandlungen über das Geschäft sollen laut Raya vom ehemaligen stellvertretenden Verteidigungsminister Kolumbiens, Jairo García, und Kula geführt worden sein. Sie schlossen auch den Kauf anderer Sicherheitsprodukte ab, wie ein Überwachungssystem zur Kontrolle der Grenze zu Venezuela,  woraus die Regierung Duque damals kein Geheimnis gemacht hat.

Für den Kauf von Pegasus sollen auch vier damalige hochrangige Offiziere der Streitkräfte nach Israel gereist sein. Im November 2021 besuchte Duque selbst Tel Aviv. Nach seiner Rückkehr sei Pegasus in Betrieb genommen worden, so Raya.

Vor etwa drei Monaten beschuldigte der Richter des Verfassungsgerichts, Jorge Enrique Ibánez, die Regierung Petro, illegale Spionage gegen ihn zu betreiben. Dies erntete ein großes Medienecho. Später ruderte Ibánez zurück und stellte klar, dass er kein Opfer staatlicher Spionage sei. Der Chef des Nationalen Geheimdienstes, Carlos Ramón González, erklärte dazu, Pegasus sei nicht in den Händen der staatlichen Sicherheitsorgane. Dahinter steckten pensionierte Militärs, die die Regierung Petro destabilisieren wollten.

Señal Investigativa bestätigte, dass die Generalstaatsanwaltschaft im Besitz von Informationen über mehrere "kriminelle Generäle" im Ruhestand sei, die verdächtigt würden, die Zerstörung des derzeitigen Geheimdienstes zu planen.

Nach Petros Fernsehansprache forderte die Vertreterin des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte in Kolumbien, Juliette de Rivero, die zuständigen Behörden auf, den Kauf von Pegasus zu untersuchen. Diese Spysoftware verletze "in schwerwiegender Weise das Recht auf Privatsphäre, das Recht auf freie Meinungsäußerung und auf Vereinigungsfreiheit sowie andere Menschenrechte".

Inzwischen hat die Generalstaatsanwaltschaft Ermittlungen in der Sache angekündigt.

Es gibt zahlreiche Fälle von Ausspionierung von Journalist:innen, Menschenrechtlern und Oppositionellen mittels Pegasus auch in anderen Ländern, in Lateinamerika etwa in El Salvador und Mexiko.