Santiago. Die Bereitschaftspolizei hat in Chiles Hauptstadt Santiago eine Protestaktion vor einem Gymnasium unter Einsatz von Wasserwerfern und Tränengas aufgelöst. Parlamentsabgeordnete verlangen Aufklärung und das Menschenrechtsinstitut hat Strafanzeige gegen die Polizei erstattet.
Wie jedes Jahr fanden in ganz Chile Gedenkveranstaltungen anlässlich des Jahrestages des blutigen Putsches gegen die Regierung des sozialistischen Präsidenten Salvador Allende am 11. September 1973 statt. Zu den Aktivitäten zählen lokale Gedenkveranstaltungen, Lichterketten, Besuche von Gedenkstätten und der große Gedenkmarsch in Santiago, der dieses Jahr am 8. September stattfand.
Nach einer Gedenkveranstaltung im Gymnasium N°1 Javiera Carrera versammelte sich eine Gruppe Schülerinnen auf dem Bürgersteig vor der Schule, um ihrem Protest gegen den Militärputsch Ausdruck zu verleihen, der sich dieses Jahr zum 51. Mal jährte. Ohne jede Provokation von Seiten der Schülerinnen soll die Bereitschaftspolizei eingeschritten sein. Um die friedliche Versammlung aufzulösen, wurde die Gruppe mit Wasserwerfern und Tränengasgranaten angegriffen. Die vorherige Mädchenschule lässt erst seit kurzem auch Jungen zu, so dass bis heute Mädchen die große Mehrzahl bilden. Deshalb waren die Opfer des Übergriffes vor allem Mädchen. Vier Schülerinnen wurden laut Berichten mit Pfefferspray angegriffen, zu Boden geworfen und über die Straße geschleift. Eine fünfte Schülerin soll demnach zweimal vom Strahl eines Wasserwerfers niedergeworfen und schließlich von einer Tränengasgranate am Rücken verletzt. Die Schülerinnen wurden mit leichten Verletzungen zur Behandlung in die Notaufnahme eines Krankenhauses eingewiesen.
Die regionale Leiterin des INDH (Nationales Institut für Menschenrechte), Beatriz Contreras, bezeichnet in der eingereichten Strafanzeige die Aktion der Polizei als ungerechtfertigt, unverhältnismäßig und außerhalb der Rechtsnorm stehend.
In einer öffentlichen Erklärung verurteilt die Schüler:innenvertretung des Gymnasiums den Polizeieinsatz gegen Minderjährige aufs Schärfste und kündigen an, dass sie alles in ihrer Macht stehende unternehmen werde, um die Verantwortlichen vor Gericht zu bringen. "Wir akzeptieren nicht, das die Verletzung der Menschenrechte unserer Mitschüler:innen straflos bleiben", heißt es in der Verlautbarung.
Der Polizeieinsatz wird auch ein parlamentarisches Nachspiel haben. Die Parlamentsabgeordnete Ana Maria Gazmuri verlangt von der Innenministerin Carolina Toha eine Erklärung und die Aufklärung des Vorkommnisses. "Die Gewalt, die die Bereitschaftspolizei gegen Jugendliche ausübt, ist unentschuldbar. Wir sind mit diesem Verfahren nicht einverstanden und deshalb möchten wir mit der Unterschrift von 17 Abgeordneten, die aus der Regierung stammen, Minister Tohá respektvoll um Erklärungen bitten", so die Abgeordnete. Des Weiteren verlangt sie Aufklärung über die Polizeiprotokolle im Zusammenhang mit friedlichen Demonstrationen, insbesondere wenn Kinder und Jugendliche beteiligt sind.