Sucre/La Paz. Mit der Ankündigung von Ermittlungen gegen den Expräsidenten und parteiinternen Gegner Evo Morales hat Boliviens Präsident Luis Arce den Konflikt weiter eskaliert. Schon seit Monaten kocht der innerparteiliche Machtkampf in der Regierungspartei Movimiento al Socialismo (MAS) und die politische Lage im Land bleibt angespannt.
Ex-Präsident Morales wurde am 03. Oktober aus dem Regierungslager eine angebliche Beziehung zu einem minderjährigen Mädchen vorgeworfen und ein Ermittlungsverfahren angekündigt. Arce erklärte, dass eine entsprechende Untersuchung erforderlich sei. Gleichzeitig sagte er auch, dass "es nicht sein kann, dass ein so heikles Thema politisiert wird, ein Thema, das das Gewissen aller Bolivianer betrifft".
Morales erklärte seinerseits, er sei nicht überrascht oder besorgt über die gerichtliche Anklage gegen ihn wegen einer angeblichen Beziehung, die er mit einem minderjährigen Mädchen gehabt haben soll. Er erklärte, dass er weiterhin an der Seite des bolivianischen Volkes und der Schwestern und Brüder, die ihn nie verlassen haben, kämpfen werde.
Die Puebla-Gruppe, ein Zusammenschluss von progressiven politischen Führern aus verschiedenen lateinamerikanischen Ländern, erklärte ihre tiefe Besorgnis über die juristische Kampagne gegen den ehemaligen bolivianischen Präsidenten Morales. Weiter heißt es in der Erklärung, dass einige dieser Anschuldigungen "unbegründet" seien und andere "bereits in der Vergangenheit gerichtlich geklärt wurden".
Die Puebla-Gruppe fordert, darauf zu achten, dass die Justiz nicht für politische Zwecke eingesetzt werde, nur weil einige Wahlumfragen Morales begünstigen.
In den letzten Wochen hatte der sogenannte Evista-Flügel der MAS einen "Marsch zur Rettung Boliviens" bis in die Hauptstadt geführt und dabei auch die Ambitionen von Morales für eine Präsidentschaftskandidatur unterstützt. Am Ende des Marsches kam es zu Zusammenstößen, in deren Folge der Justizminister Iván Lima seinen Rücktritt verkündete.
Die Abschlusskundgebung des Marsches, der im nördlichen Departement von Oruro, in Caracolllo begann (amerika21 berichtete), endete vor der Nationalbrauerei Cervecería Boliviana Nacional im Zentrum von La Paz. Die Hauptforderung des Marsches bestand darin, die Anerkennung des im Oktober 2023 stattgefundenen Nationalkongresses der MAS von Lauca Ñ zu erreichen, bei der Morales zum Parteivorsitzenden und Präsidentschaftskandidat erklärt wurde. Dieses Ergebnis wurde vom Obersten Wahlgericht jedoch nicht anerkannt. Darüber hinaus forderte der Marsch von der Regierung schnelle Maßnahmen angesichts der derzeitigen wirtschaftlichen Probleme und des Devisen- und Treibstoffmangels.
Nach der Abschlusskundgebung kam es jedoch zu schweren Zusammenstößen zwischen den Anhängern von Morales (den "evistas") und Anhängern des amtierenden Präsidenten Luis Arce (den "arcistas"). Dabei wurden auch Dynamit und Feuerwerkskörper eingesetzt und mindestens eine Person schwer verletzt.
Nach den Zusammenstößen beschuldigte der evista-Flügel die Regierung, die Gewalt selbst durch bewaffnete Schlägergruppen provoziert zu haben. Der ehemalige Innenminister Wilfredo Chávez sagte, dass es die Absicht der Regierung gewesen sei, einen Zwischenfall zu provozieren, um anschließend den evista-Flügel dafür verantwortlich zu machen. Er berichtete davon, dass die paramilitärischen Schlägergruppen ihre Gesichter verhüllt und die Demonstrierenden angegriffen hätten. Währenddessen wurden landesweite Straßenblockaden angekündigt, sollte die Regierung nicht auf die Forderungen des Marsches eingehen.
Kurz darauf verkündete Lima seinen Rücktritt als Justizminister, ohne dafür Gründe anzugeben. Daraufhin kündigte Morales an, die für den 30. September geplanten nationalen Straßenblockaden auszusetzen. Auf dem evista-Einheitspakt in Cochabamba verkündete Morales, dass die angekündigten Maßnahmen vorerst eingestellt werden. Präsident Arce ernannte nach dem Rücktritt Limas den Generalstaatsanwalt César Siles zum neuen Justizminister.
In seiner Antrittsrede betonte Siles, dass das Justizministerium viele Herausforderungen zu bewältigen habe, insbesondere in den Bereichen der Justizreform, der öffentlichen Verwaltung sowie in der Ausbildung von Anwälten, Notaren, Richtern und Staatsanwälten. "Bolivien verdient Toleranz unter Gleichen, auch wenn wir unterschiedlich denken, es verdient Frieden, Stabilität. Es verdient Bolivianer, die einander zuhören, die einander verstehen, die gemeinsame Gefühle des Friedens haben", sagte Siles.
Unterdessen wies Morales in einer Radiosendung Behauptungen einiger Medien zurück, er habe mit Präsident Arce einen Deal über den Wechsel des Justizministers vereinbart. In der Sendung betonte Morales, dass es niemals zu einer Einigung zwischen ihm und Arce kommen werde und beschuldigte Arce, seine Macht beibehalten zu wollen, um ein korruptes, familiär geführtes Regierungssystem zu halten. Wörtlich sagte Morales in der Radiosendung: "Ich möchte, dass das bolivianische Volk weiß, dass ich Würde besitze, dass es keine Vereinbarung mit Lucho [Arce], mit solch einem Akt der Korruption und mit einer Narco-Regierung gibt."