Fort-de-France. Auf der französischen Karibikinsel Martinique gehen die Massenproteste gegen hohe Lebenshaltungskosten und Einflussnahmen aus Frankreich trotz angekündigten Preissenkungen für Lebensmittel weiter. Am 16. Oktober gab der Präfekt von Martinique, Jean-Christophe Bouvier, bekannt, dass die Preise für die 6.000 am meisten auf der Insel konsumierten Produkte um durchschnittlich 20 Prozent gesenkt werden sollen. Dem vorangegangen waren Verhandlungen, an denen unter anderem die Lokalregierung, die Privatwirtschaft und Vertreter:innen der Protestbewegung beteiligt waren.
Hauptpunkt der Verhandlungen war die Zahl der Produkte, für die es Preissenkungen geben sollte. Der französische Überseeminister François-Noël Buffet hatte die Verhandlungen als "konstruktiv" gewürdigt. Die Vertreter:innen der von der Protestbewegung gegründeten RPPRAC ("Versammlung zum Schutz der Völker und Ressourcen Afrokaribischer Herkunft") haben das Abkommen jedoch nicht unterzeichnet. Die Senkung der Preise von 6.000 Produkten hat sie für unzureichend erklärt. Ihre Forderung umfasste insgesamt 40.000 Produkte. RPPRAC hat zum Ende der Verhandlungen mitgeteilt, dass "das Volk völlig anderer Meinung ist" und "beschlossen hat, die Bewegung fortzusetzen".
Die von der französischen Zentralregierung und Lokalregierung (Präfektur) erhoffte Beruhigung der Lage auf Martinique ist derweil nicht eingetreten. So bestehen in der Hauptstadt Fort-de-France weiterhin Straßenblockaden. Außerdem hat die Präfektur Übergriffe gegen Sicherheitskräfte gemeldet. Demonstrant:innen hätten die Polizei mit Wurfgeschossen und Molotowcocktails attackiert. Feuerwehrleute und Polizist:innen seien mit automatischen Waffen beschossen worden.
Unterdessen hält die Präfektur an der seit September geltenden Ausgangssperre fest. Diese war nach dem Ausbruch gewalttätiger Proteste verhängt worden, bei denen bislang mindestens eine Person getötet und Dutzende verletzt worden sind. Insgesamt verzeichnen die Behörde seit Beginn der Proteste jedoch einen Rückgang gewalttätiger Handlungen. Am 23. September war auch die als "Republikanische Sicherheitskompanien" bekannte Elite-Einheit der Bereitschaftspolizei aus Frankreich auf die Karibikinsel verlegt worden. Es ist der erste Einsatz der Einheit auf der Karibikinsel seit den Unruhen im Dezember 1959, bei denen sie mit unverhältnismäßiger Gewalt gegen Demonstrant:innen vorgegangen war.
Martinique hat rund 360.000 Einwohner:innen und ist ein Überseegebiet Frankreichs. Die aktuellen Proteste stehen in einer langen Geschichte von Auseinandersetzungen zwischen der Karibikinsel und Frankreich. Die Demonstrant:innen kritisieren neben den hohen Lebenshaltungskosten auf der Insel die Politik der französischen Zentralregierung, die als nachteilig für Martinique empfunden wird. Gwladys Roger, eine prominente Figur der Protestbewegung, hat die massive Teilnahme als "ein Zeichen der Solidarität" bezeichnet. Dieses spiegele den Unmut vieler Martiniquaner:innen wider, die in ihnen eine Form des Widerstandes gegen übermäßige Kontrolle durch das europäische Festland ansehen.