Bogotá/Caracas. Nach zehn Monaten Stillstand in den Friedensverhandlungen haben die Regierung von Gustavo Petro und die ELN-Guerilla die Wiederaufnahme der Gespräche angekündigt. Dies teilten die beiden Friedensdelegationen nach einem sechstägigen Treffen in Caracas in einem gemeinsamen Kommuniqué mit. Sie werden den Dialog vom 19. bis 25. November fortsetzen.
Vor neun Monaten geriet der Friedensprozess ins Stocken, weil die Rebellen der Regierung vorwarfen, sich nicht an die bis dahin unterzeichneten Vereinbarungen zu halten. Damit bezogen sie sich unter anderem auf die parallelen Friedensverhandlungen der Regierung mit einer Unterstruktur der ELN, gegen die das Zentralkommando (Coce) der Guerilla ein internes Disziplinarverfahren durchführte.
Schließlich hatte sich die ELN-Unterstruktur abgespaltet und unabhängig mit der Regierung verhandelt. Das Coce sah darin einen Verrat und einen Verstoß der Regierung gegen die Vereinbarung, nur einen Dialogtisch zu unterhalten. Der Hochkommissar für Frieden, Otty Patino, habe alle Forderungen der ELN nach einer gemeinsamen Lösung dieses Problems vehement zurückgewiesen, klagte der Leiter der ELN-Friedensdelegation, Pablo Beltrán, im April.
Eineinhalb Monate nachdem die beiden Dialogparteien aufgrund der Krise am Dialogtisch die vereinbarte einjährige Waffenruhe, die am 3. August endete, nicht verlängert hatten, griff die ELN einen Militärstützpunkt im Departamento Arauca mit Sprengstoff an. Drei Soldaten starben, 28 wurden verletzt. Präsident Petro erklärte daraufhin die Gespräche mit der ELN für gescheitert (amerika21 berichtete).
Bei dem angegriffenen Stützpunkt handele es sich um den Kommandoposten der 8. Armeedivision, der die Zusammenarbeit der Armee mit den paramilitärischen Banden in der Zone koordiniere, sagte Beltrán vergangene Woche in einem Interview. Diese hätten Autobomben an den Sitzen der lokalen sozialen Organisationen platziert. "Unsere militärischen Kräfte versuchen, diese Banden aus dem Territorium zu vertreiben", so Beltrán.
Laut ELN arbeitete das Militär in mehreren Regionen unverändert mit paramilitärischen Strukturen zusammen, um die ELN auch während des Waffenstillstands anzugreifen. So beklagte die Guerilla im Juni, dass die Armee in den Regionen Bajo Cauca, Nordosten Antioquias und Sur de Bolívar "gemeinsame und koordinierte Operationen mit den Paramilitärs des Clan del Golfo gegen die ELN durchführt".
Die ELN-Einheit "Front Darío Ramírez Castro" hatte bei Kämpfen in Sur de Bolívar gegen die Paramilitärs des Clan del Golfo den Geheimdienstunteroffizier Jonefer Sayas Gallardo gefangen genommen. Dies galt als Beispiel für die Verbindung zwischen Militär und illegalen Gruppen. Die Rebellen ließen Sayas im Oktober wieder frei.
Die Friedensdelegationen der Regierung und der ELN wollen nun die Probleme des Friedensprozesses überwinden und "in den kommenden 20 Monaten der verbleibenden Amtszeit der jetzigen Regierung maximale Fortschritte erzielen", heißt es in dem gemeinsamen Kommuniqué vom 7. November. Zu diesem Zweck hätten die Friedensdelegierten in Caracas "offen und gründlich über die Relevanz des Prozesses für Kolumbien, seine Fortschritte, Errungenschaften und Perspektiven, aber auch seine Schwierigkeiten reflektiert".
"Wir haben einige Probleme gelöst, andere nicht", sagte Beltrán nach dem Treffen in Caracas. Bei den nächsten Gesprächen Ende November gehe es darum, an der Lösung der "Knoten" im Friedensprozess zu arbeiten.
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Vor einer möglichen Ausrufung eines neuen Waffenstillstands sollen die positiven Entwicklungen, aber auch die Probleme des vergangenen Waffenstillstands gemeinsam analysiert werden. Beltrán schloss nicht aus, dass die ELN, wie in der Vergangenheit, über die Feiertage zum Jahresende einen einseitigen Waffenstillstand ausrufen könnte.
Die Rebellen präsentierten der Regierungsdelegation 13 Themen, um die sich ihrer Meinung nach die Diskussion am Dialogtisch zur Überwindung der Krise drehen sollte. An erster Stelle steht eine "postkapitalistische Gesellschaft" als "Friedenshorizont".
Der Friedensdelegierte José Félix Lafaurie, der bisher als Vertreter der ultrarechten Kreise in der Regierungsdelegation eine versöhnliche Rolle gespielt hatte, blieb dem letzten Treffen in Caracas fern und lehnte die Themenvorschläge der ELN ab: "Ich persönlich kann die Bedingung nicht unterschreiben, dass der Horizont des Prozesses eine 'postkapitalistische Gesellschaft' sein soll. Denn das würde das Ende des freien Unternehmertums und der Marktwirtschaft bedeuten, die den Kern unserer demokratischen Ordnung ausmachen. Was käme dann, der reine Sozialismus, eine zentralisierte Wirtschaft und der Verlust der Freiheiten?"
Ein weiterer Punkt der ELN ist, dass sich die USA "nicht gegen eine politische Lösung des bewaffneten Konflikts stellen sollten". Lafaurie bezeichnete dies als "haarsträubend". Ende November will er entscheiden, ob er als Friedensbeauftragter zurücktritt oder nicht.
Zu den 13 Themen der ELN gehört auch die Forderung nach einer einheitlichen Position der Regierung im Friedensprozess. Dort gebe es Kreise, die sehr gegen Fortschritte am Dialogtisch seien, so Beltrán.
Die Guerilla fordert zudem, dass die Regierung die parallelen Verhandlungen mit der ELN-Unterstruktur als Fehler anerkennt.
Der bis Mai laufende Prozess der Beteiligung verschiedener Teile der Gesellschaft am Friedensaufbau müsse weiter gefördert werden. Denn die Probleme des Landes "übersteigen die Kräfte der Regierung und der ELN", sagte Beltrán.
Inzwischen haben die Rebellen im Süden des pazifischen Departamento Chocó, wo die ELN gegen den Clan del Golfo kämpft, einen "bewaffneten Streik" erklärt. Dies führt zu massiven Einschränkungen der Bevölkerung.
Der linke Senator und Friedensbeauftragte Iván Cepeda forderte die aufständische Organisation auf, die Aktion zu beenden. In einem Interview äußerte er, gerade um solche Vorfälle zu lösen, sei es notwendig, die Gespräche mit der Guerilla am Leben zu erhalten.