La Paz. Der ehemalige Präsident von Bolivien, Gonzalo Sánchez de Lozada, ist vom Obersten Gerichtshof des Landes in Abwesenheit zu einer Haftstrafe von mehr als sechs Jahren verurteilt worden. Das Urteil erging am 3. Dezember 2024 im Zusammenhang mit einem fast 20 Jahre andauernden Korruptionsprozess.
Sánchez de Lozada wurde für schuldig befunden, 107 Ölkontrakte ohne die Zustimmung des bolivianischen Kongresses unterzeichnet zu haben. Diese unrechtmäßigen Verträge führten zu landesweiten Protesten, die als "Gaskrieg" bekannt wurden. Bei den Unruhen im Jahr 2003 wurden 67 Menschen getötet und mehr als 400 verletzt, als die Armee die Demonstrationen niederschlug.
Der Oberste Gerichtshof Boliviens (TSJ) erklärte in einem offiziellen Kommuniqué, dass die Haftstrafe von sechs Jahren und drei Monaten in der Strafanstalt San Pedro de Chonchocoro in La Paz vollstreckt werden soll. Das Urteil schließt ein Verfahren ab, das sich über fast zwei Jahrzehnte zog und sich mit den sogenannten "Petroverträgen" befasste, einem der größten Korruptionsskandale in Bolivien.
Neben Sánchez de Lozada wurden auch drei seiner ehemaligen Minister verurteilt: Jorge Joaquín Berindoague Alcocer, Carlos Alberto Contreras del Solar und Carlos Alberto López Quiroga. Diese wurden wegen Pflichtverletzung und wirtschaftlich schädlichem Verhalten zu jeweils fünf Jahren Haft verurteilt.
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Im Jahr 2008 hatte Bolivien die USA um die Auslieferung von Sánchez de Lozada ersucht, nachdem dieser 2003 dort Zuflucht gesucht hatte. Die Auslieferungsanfrage wurde jedoch vom US-Außenministerium mit der Begründung abgelehnt, dass seine Handlungen auf US-amerikanischem Boden keine Straftat darstellten.
Der "Gaskrieg" entwickelte sich entlang der Konflikte um die Konzessionsrechte am bolivianischen Erdgas und führte zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen indigenen Protestbewegungen und der Armee. Auslöser war ein Handelsabkommen zwischen der Regierung unter Sánchez de Lozada und internationalen Konzernen, das den Verkauf von Erdgas zu unter dem Weltmarktniveau liegenden Preisen ermöglichte. Protestierende blockierten landesweit Straßen, was vor allem in La Paz und El Alto zu einer schwere Versorgungskrise führte. Das Militär löste die Blockaden gewaltsam auf. Sánchez de Lozada trat zurück und floh ins Exil in die USA.
Das Urteil gegen den ehemaligen Präsidenten gilt als ein bedeutender Schritt in einem langen juristischen Verfahren, das tiefgreifende politische und soziale Auswirkungen auf Bolivien hatte und weiterhin hat. Die "Gaskrieg"-Proteste und die politischen Folgen, die das Land erschütterten, bilden ein zentrales Thema in der bolivianischen Geschichte. Das Urteil steht somit nicht nur für einen Kampf gegen Korruption, sondern behandelt auch die Verantwortung für den gewaltsamen staatlichen Umgang mit Protesten und politischen Unruhen.