Putreguel/Santiago de Chile. Die 72-jährige Julia Chuñil, Präsidentin und Aktivistin des von Mapuche bewohnten Weilers Putreguel, ist seit dem 8. November verschwunden. Trotz eingeleiteter Suchaktionen fehlt seitdem jede Spur von ihr. Familienangehörige berichten, dass Julia Chuñil vor ihrem Verschwinden wiederholt Drohungen erhalten habe. Präsident Gabriel Boric drückte seine Besorgnis aus und versprach, die Suche fortzusetzen.
Die bekannte und beliebte Umweltaktivistin befand sich in einem Rechtsstreit mit dem Großgrundbesitzer Juan Carlos Morstadt um das Grundstück "Reserva Cora Uno". Chuñils Gemeinde hatte das Grundstück, das an ihr Land angrenzt, 2015 von der indigenen Gemeinde Blanco Lepin übernommen. Diese hatte es vier Jahre zuvor von Morstadt gekauft. Dabei soll die Gemeinde Blanco Lepin von Morstadt und der staatlichen Behörde für indigene Entwicklung (Conadi) betrogen worden sein. Die Conadi, die für die Auszahlung der Kaufsumme an die indigenen Gemeinden zuständig ist, soll das Geld zu früh an Morstadt überwiesen haben, ohne dass dieser das Land ordnungsgemäß von seinem übrigen Land abgegrenzt hatte, wie es der Vertrag vorsah.
Dies scheine ein Geschäftsmodell von Morstadt mit Hilfe korrupter Conadi-Funktionäre zu sein, so El Diario el Pueche. Auf diese Weise beansprucht er Teile des bereits verkauften Landes, als ob sie ihm gehörten.
Chuñil hat sich ganz dem Schutz und der Erhaltung der lokalen Biodiversität seines Landes und der Kleintierzucht auf dem größten Teil der "Reserva Cora Uno" verschrieben.
Laut Verwandten und Nachbarn von Julia Chuñil will Juan Carlos Morstadt die Reserva Cora Uno weiterverkaufen. Er soll Chuñil Geld angeboten haben, damit sie das Landgut verlässt. Er habe aber auch gedroht, unter anderem ihre Hütte niederzubrennen.
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Julia Chuñil verließ ihr Haus in Begleitung ihres Hundes, um nach ihren Rindern auf einer einige Kilometer entfernten Weide zu sehen, und kehrte nicht mehr zurück.
An der sofort eingeleiteten Suche beteiligten sich bis zu 100 Personen aus der Umgebung, einige Polizisten, freiwillige Feuerwehrleute aus verschiedenen Städten Chiles und Hubschrauber. Am 27. November wurde die Suche erfolglos abgebrochen. Lediglich einige Schuhabdrücke und Reifenspuren wurden etwa vier Stunden Fußmarsch von ihrem Haus entfernt gefunden.
Die Familie fordert nun, die Suche zu intensivieren und die Protokolle des Escazú-Abkommens unverzüglich umzusetzen. Das Abkommen von Escazú enthält Bestimmungen zu den Rechten von Umweltschützern und stärkt die Verbindung zwischen Menschenrechten und Umweltschutz. Es gilt für Lateinamerika und die Karibik und ist weltweit das einzige Abkommen dieser Art.
Präsident Gabriel Boric äußerte sich anlässlich des Internationalen Tages der Menschenrechte zum Verschwinden von Julia Chuñil. Verschiedene staatliche Stellen, darunter auch der Staatssekretär für Menschenrechte, haben mit der Familie Kontakt aufgenommen. Der Staat sei besorgt über das Verschwinden von Julia Chuñil und werde nicht aufgeben, bis sie gefunden sei.