Trinidad und Tobago verhängt Ausnahmezustand wegen Bandengewalt

Neuer Jahresrekord an Tötungsdelikten. Karibikstaat ist Transitland für internationalen Drogenhandel. Kriminelle sind zunehmend besser gerüstet und brutaler

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Premierminister Keith Rowley empfahl den Ausnahmezustand
Premierminister Keith Rowley empfahl den Ausnahmezustand

Port of Spain. Trinidad und Tobago erklärt landesweit den Ausnahmezustand . Damit reagiert die Regierung des Karibikstaates am 30. Dezember 2024 auf eine Welle tödlicher Bandengewalt. Präsidentin Christine Kangaloo hat die Maßnahme auf Empfehlung von Premierminister Keith Rowley umgesetzt. Allein im Dezember wurden in Trinidad und Tobago 62 Menschen ermordet. Für 2024 verzeichnet der Inselstaat 624 Tötungsdelikte, womit der bisherige Höchststand von 599 Morden aus dem Jahr 2022 übertroffen wurde.

"Die Umstände, die die Ausrufung des öffentlichen Notstands rechtfertigen, basieren auf einer Warnung des Polizeidienstes von Trinidad und Tobago an den Nationalen Sicherheitsrat über intensive kriminelle Aktivitäten, die die öffentliche Sicherheit gefährden", heißt es in einer Pressemitteilung des Büros des Premierministers.

Der Ausnahmezustand erlaubt es der Polizei, Durchsuchungen ohne richterlichen Beschluss durchzuführen, und Verdächtige für 48 Stunden festzuhalten. Dieser Zeitraum kann mit richterlichem Beschluss bis auf sieben Tage verlängert werden. Außerdem bleiben die Streitkräfte in Alarmbereitschaft.

Generalstaatsanwalt Stuart Young erklärte, dass die Maßnahme keine Ausgangssperre umfasst. Die Bewegungsfreiheit der Menschen werde nicht eingeschränkt, da die Regierung die Auswirkungen des Ausnahmezustands auf die wirtschaftlichen Aktivitäten des Landes minimieren möchte. Schulen und Unternehmen bleiben geöffnet und öffentliche Veranstaltungen können wie geplant stattfinden.

Young sprach von "zunehmend dreisten kriminellen Aktivitäten" der Banden. "Die kriminellen Banden nutzen hochentwickelte Sturmwaffen und andere illegale Schusswaffen für Racheakte", sagte Young. Der Minister für Nationale Sicherheit, Fitzgerald Hinds, bezeichnete die Bandenmorde als "eine Epidemie."

Das letzte Opfer im Jahr 2024 war Sonderstaatsanwalt Randall Hector. Als er am Silvesterabend mit seiner Frau und seinen zwei Kindern einen Gottesdienst verließ, wurde aus zwei Autos das Feuer auf ihn eröffnet. Die Staatsanwaltschaft glaubt, dass der Mord eine Warnung des organisierten Verbrechens gewesen sein könnte.

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Mit 624 Mordopfern bei einer Bevölkerung von 1,5 Millionen wird Trinidad und Tobago 2024 wie in den Vorjahren zu den Staaten der Welt mit der höchsten Mordrate zählen. Nach Schätzungen der Polizei sind 42,6 Prozent der Tötungsdelikte durch Bandenmitglieder verursacht.

Die Armut weiter Bevölkerungsteile gilt als ein Nährboden für die Bandengewalt. Dabei haben sich die in den Armenvierteln präsenten Banden in den vergangenen Jahren gewandelt. Sie haben neben dem Drogenhandel andere Einnahmequellen wie illegales Glücksspiel, Schwarzmarkthandel und illegalen Bergbau erschlossen. In den Armenvierteln treten Bandenbosse nicht mehr nur als Kriminelle auf, sondern positionieren sich als Gemeindevorsteher, die mit staatlichen Behörden verhandeln.

Eine Analyse der Organisation InSight Crime macht zwei weitere Faktoren für die Gewaltentwicklung verantwortlich. Vor allem aus den USA und in wachsendem Umfang auch aus dem nahegelegenen Venezuela werden massenhaft Waffen nach Trinidad und Tobago geschmuggelt. Außerdem führe die zunehmende Zersplitterung der Banden zu immer mehr Gewalt zwischen den Fraktionen. So gilt die 2017 erfolgte Abspaltung der Sixx Gang von der Rasta City bis heute als eine wichtige Ursache der Gewalteskalation in Trinidad und Tobago.

Die Caricom-Staaten haben immer wieder auf die Mitverantwortung der USA für den Anstieg der Gewalt in der Karibik verwiesen, denn ein Großteil der illegalen Schusswaffen und Munition des organisierten Verbrechens stammen von dort. Mexiko führt deshalb gegenwärtig eine Zivilklage gegen Waffenhersteller in den USA (amerika21 berichtete).

Die zunehmende Ganggewalt in Trinidad und Tobago muss auch im regionalen Kontext gesehen werden. Die Karibik ist eine wichtige Transitzone für den internationalen Drogenhandel, die von Drogenkartellen auf dem Weg von den Produktionsländern in Südamerika in die Abnehmerländer in Nordamerika und Europa benutzt wird. In diesem Kontext hat die Gewalt zugenommen. Die Karibik hat sich damit in den vergangenen Jahren zur Weltregion mit der höchsten Mordrate pro Kopf entwickelt (amerika 21 berichtete).