Caracas. Morgen vereidigt das Parlament Venezuelas den amtierenden Präsidenten Nicolás Maduro für eine weitere Amtszeit. Teile der Opposition des Landes haben für den Vortag zu Demonstrationen aufgerufen, die Regierung hat umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen angeordnet. Die chavistische Basis mobilisiert unter dem Motto, "wir vereidigen uns mit Maduro". International ist eine außergewöhnliche Aufmerksamkeit festzustellen.
Die offiziellen Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen vom 28. Juli 2024 sind umstritten geblieben, nachdem die Wahlbehörde CNE nicht, wie bei früheren Wahlen üblich, die aufgeschlüsselten Ergebnisse der Abstimmung veröffentlichte. Gleichwohl erklärte der CNE Maduro zum Wahlsieger und das Oberste Gericht des Landes bestätigte dies.
Seither halten innenpolitische und internationale Kontroversen um die Legitimität einer fortgesetzten Präsidentschaft Maduros an. Edmundo González, der Kandidat der ultrarechten Opposition unter der Führung von María Corina Machado, hat in den vergangenen Wochen vom Ausland aus wiederholt seinen Anspruch auf die Präsidentschaft wiederholt und angekündigt, am 10. Januar für die Amtsübernahme nach Venezuela einzureisen.
Die seit Wochen untergetauchte Machado erneuerte ihren Aufruf zu Demonstrationen für heute und kündigte an, dass sie zu diesem Anlass auftreten werde: "Jeder Mensch trifft eine Entscheidung: ob er ein Tyrann sein will, der einen unterdrückt, oder ein Held, der sein Volk verteidigt (...) Dies ist seine große Chance", äußerte sie in einem auf X veröffentlichten Video.
Im Mittelpunkt der Aktivitäten von González standen eine rege Reiseaktivität und ein Aufruf an die venezolanischen Streitkräfte, Maduro den Rückhalt zu entziehen.
Er müsse gemäß der Verfassung am 10. Januar "aufgrund des souveränen Willens des venezolanischen Volkes die Rolle des Oberbefehlshabers übernehmen", sagte González und betonte, dass es die Aufgabe der Streitkräfte sei, die Achtung der Souveränität des Volkes zu gewährleisten, die bei den Präsidentschaftswahlen an der Wahlurne zum Ausdruck gekommen sei.
In einer landesweit im Fernsehen ausgestrahlten Botschaft entgegnete Verteidigungsminister Vladimir Padrino López, dass es der Aufforderung von González an die Streitkräfte "an den richtigen Worten mangelt, um diese Institution anzusprechen". González verstünde nicht, "dass die FANB [die Bolivarischen Streitkräfte] eine Institution ist, die der Republik verpflichtet ist und nicht den Plänen oder Mandaten anderer imperialer Mächte gehorcht", fügte der Minister hinzu.
In den vergangenen Tagen bereiste González mehrere lateinamerikanische Länder und die USA. In Argentinien traf er mit dem "anarchokapitalistischen" Präsidenten Javier Milei zusammen, in Uruguay mit dem scheidenden neoliberalen Präsidenten Luis Lacalle Pou. Der designierte Präsident Yamandú Orsi vermied ein Treffen. Schließlich begab er sich in die USA und wurde vom scheidenden Präsidenten Joe Biden empfangen. "Ich habe ein langes Gespräch mit Präsident Biden geführt. Sein Engagement für einen friedlichen und geordneten Übergang in Venezuela ist ungebrochen. 45 Minuten lang konnten wir darüber sprechen, wie positiv sich die Ausbreitung der Demokratie in Venezuela auf die Region auswirken wird“, postete González anschließend auf X.
Der künftige Präsident Donald Trump enthielt sich einer Begegnung, übergab jedoch diese Aufgabe seinem designierten nationalen Sicherheitsberater Mike Waltz. "Wir sprachen unter anderem ausführlich über den Bürgerprotest der Venezolaner am 9. Januar. Er versicherte uns, dass die USA und die Welt wachsam sein werden, was in unserem Land geschieht", berichtete González über das Zusammentreffen mit dem ehemaligen Offizier der Green Berets.
Die Regierungspartei Vereinigte Sozialistische Partei Venezuelas (PSUV) hat für die Tage vor der Amtseinführung eine Reihe von Großevents angesetzt. Aus dem ganzen Land strömen Mitglieder der Bolivarischen Milizen in die Hauptstadt, wo provisorische Camps für ihre Unterbringung eingerichtet wurden. Unterstützergruppen der Regierung organisieren Motorradkarawanen in den großen Städten und andere Aktivitäten.
Für heute ist ein "Großer Marsch" vom Stadtteil Petare zum Plaza Brión am (José) Martí-Denkmal im Stadtteil Chacaito angesetzt, um einen "Internationales Antifaschistisches Festival" zu eröffnen. Dazu werden Delegierte aus mehr als 100 Ländern erwartet, die "uns auch bei der großen Vereidigungsfeier des Präsidenten der Republik, Nicolás Maduro, am 10. Januar begleiten werden".
Einschätzungen über den Start von Maduro in seine nächste Präsidentschaft sind von vielen Unbekannten geprägt. Auch an der chavistischen Basis wird die Unsicherheit über die letzten Wahlergebnisse und mögliche Konsequenzen debattiert. Ein Bündnis linker Gruppen fordert eine Überprüfung der Wahl. In der polarisierten Situation sind gleichwohl die schwache Verankerung der ultrarechten Opposition in der Bevölkerung und ihre Abhängigkeit von internationaler Protektion offenkundig.
Regional dominieren in Lateinamerika die Positionen von Brasilien, Mexiko und Kolumbien, deren führende Politiker ebenfalls die detaillierten Stimmenergebnisse veröffentlicht sehen wollen und damit die Zweifel am offiziellen Ergebnis anhaltend ausdrücken (amerika21 berichtete). Die drei Länder geben indes den souveränen Prozessen in Venezuela grundsätzlich den Vorrang und haben angekündigt, dass ihre diplomatischen Vertreter an der Amtseinführung Maduros teilnehmen werden.
Nach den Erfahrungen der folgenschweren Sanktionen der USA gegen Venezuela in den letzten Jahren, wird die Politik der USA eine große Rolle spielen. Hier reichen Prognosen von der Gefahr einer militärischen US-Intervention bis zur Möglichkeit, dass Trump sich mit der Regierung Maduro arrangieren wird.