Ecuador / Politik

Wahlkampf in Ecuador: Bricht der Präsident die Verfassung?

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In einem Video wandte sich Abad am 4. Januar an die Bevölkerung (Screenshot)
In einem Video wandte sich Abad am 4. Januar an die Bevölkerung (Screenshot)

Quito. Ecuadors Präsident Daniel Noboa hat sowohl die Entscheidung des ecuadorianischen Parlaments als auch entsprechende Gerichtsbeschlüsse ignoriert und zu Beginn des Wahlkampfes eine neue Vizepräsidentin ernannt.

Laut Gesetz müssen Amtsinhaber:innen für die Dauer des Wahlkampfes ihre Ämter niederlegen. Dadurch soll verhindert werden, dass staatliche Ressourcen für den Wahlkampf missbraucht werden.

Dies gilt auch für die anstehenden Präsidentschaftswahlen am 9. Februar. Doch statt seiner ursprünglichen Vizepräsidentin Verónica Abad die Geschäfte zu übergeben, ernannte Noboa am 7. Januar Cynthia Gellibert, Generalsekretärin der Verwaltung, per Dekret zu seiner Stellvertreterin für lediglich 72 Stunden. Am vergangenen Donnerstag erneuerte er ihr Mandat, wieder nur für drei Tage, um an Wahlkampfaktivitäten teilzunehmen.

Noboas und Abads Verhältnis ist bereits seit ihrem Amtsantritt im November 2023 katastrophal. Noboa hat seitdem immer wieder versucht, seine Stellvertreterin loszuwerden, was teils durch Gerichtsbeschlüsse, teils durch das Parlament vereitelt wurde. Abad nannte Noboa ihrerseits einen Frauenfeind und Diktator und zeigte ihn wegen geschlechtsbasierter Gewalt gegen sie an.

Rückenwind für seinen Kurs hat Noboa indes von den Streitkräften erhalten, die ihre Loyalität zum Präsidenten erklärt haben.

Die Nationalversammlung bezog dagegen erneut Position für Abad und bestätigte sie am 9. Januar als Vizepräsidentin, die während des Wahlkampfes die Amtsgeschäfte von Noboa übernehmen müsse. Der Generalsekretär des Parlaments, Alejandro Muñoz, betonte zudem, dass Noboa direkt für den gesamten Wahlkampf sein Amt hätte niederlegen müssen, statt lediglich für drei Tage.

Dem Politikwissenschaftler Arturo Moscoso zufolge hat das Parlament im Moment aber "nicht allzu viele Möglichkeiten, Noboa zur Einhaltung der Gesetze zu zwingen. Eventuell könnte sie jedoch ein Verfahren einleiten, um mögliche Verfassungs- und Gesetzesverstöße zu bewerten". Über diesen Weg könnte ein Amtsenthebungsverfahren erreicht werden.

Ohne Moos nix los

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Gegen Noboas Vorgehen wurden auch diverse Klagen vor Gericht eingereicht, von denen einige von anderen Präsidentschaftskandidaten stammen. Auch Abad hat gegen ihn geklagt. Ihr zufolge erlebt das Land "einen von der Regierung selbst inszenierten Staatsstreich". Sie rief die Bevölkerung, das Parlament und das Verfassungsgericht auf, diesen zu verhindern.

Das Zerwürfnis zwischen Noboa und Abad war auch Thema bei der Wahlkampfdebatte der Vizekandidat:innen am vergangenen Sonntag. 14 der insgesamt 16 Kandidat:innen waren dort anwesend. Viele von ihnen kritisierten die Auseinandersetzung des präsidialen Gespanns und diskutierten u.a. darüber, welche Aufgaben sie selbst im Falle eines Wahlsiegs übernehmen werden. Am häufigsten nannten sie dabei Bildungsfragen, Sicherheit ‒ besonders von Frauen, Kindern und Jugendlichen ‒ sowie die Themen Wirtschaft und Arbeitsplätze.

Auch Noboas designierte Vizepräsidentin María José Pinto fehlte. Sie war offenbar mit Noboa auf einer anderen Wahlkampfveranstaltung. Cristina Reyes, Vizekandidatin der sozialliberalen Amigo-Partei, prangerte dies an: "Wir sind hier, mutige Frauen, die über die Zukunft unseres Landes diskutieren. Schade, dass die Regierungskandidatin nicht kommen wollte oder durfte“.

Zwar ist der Großteil der Kandidat:innen für das Vizeamt weiblich, aber der Fakt, dass nur zwei von sechzehn Anwärter:innen für die Präsidentschaft Frauen sind, wird von verschiedenen Seiten kritisiert.

So fordert die Journalistin Ana Guerrero einen politischen Kulturwandel und der Politikwissenschaftler Jorge Feijoo nannte die ecuadorianische Politik ein "frauenfeindliches, patriarchalisches, katholisch-religiöses und diskriminierendes Feld".

Trotzdem ist Noboas größte Konkurrenz in der kommenden Wahl eine Frau: Luisa Gonzalez von der Partei Revolución Ciudadana. Bei der letzten Wahl 2023 unterlag sie in der Stichwahl.

Zwei aktuellen Umfragen zufolge liegt sie mit 20,1 bzw. 29,3 Prozent derzeit auf dem zweiten Platz hinter Noboa für den 29,7 bzw. 32,9 Prozent der Wähler:innen stimmen würden. Alle anderen Kandidat:innen sind weit dahinter.