Brasilien: MST führt Kubas Alphabetisierungsprogramm in Porto Alegre ein

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Alphabetisierungskurs der MST in Bahia
Alphabetisierungskurs der MST in Bahia

Porto Alegre. Die brasilianische Landlosenbewegung MST bringt ihre Alphabetisierungsinitiative in die Hauptstadt des Bundesstaates Rio Grande do Sul, Porto Alegre. Die Kurse, die auf der kubanischen Methode "Yo, sí puedo" (Ja, ich kann) basieren, richten sich an Jugendliche über 15 Jahre, Erwachsene und Senior:innen. 

Zunächst hatte die MST die Methode in ländlichen Gebieten angewandt (amerika21 berichtete), vor allem in einigen Bundesstaaten im Nordosten und auch in Paraná. "In diesem Geist der Solidarität erkannte die MST, dass es auch ihre Aufgabe ist, diese wertvolle Erfahrung in die städtischen Gebiete, in die Peripherien zu tragen. Wir haben landesweite Alphabetisierungsbrigaden gegründet, in denen sich auch einige Pädagogen aus Rio Grande do Sul dieser Aufgabe anschlossen“, sagt die MST-Aktivistin, Juliane Soares Ribeiro.

Im Oktober 2024 initiierte die Landlosenbewegung gemeinsam mit der Kulturvereinigung José Martí sowie weiteren sozialen und ehrenamtlichen Initiativen eine Testphase der Alphabetisierung in Porto Alegre. Neben der Nachfrage, neue Klassen einzurichten, sei auch die Hoffnung groß, die "Sim, Eu Posso"-Methode in andere Kommunen zu bringen.

Pädagoge Alexandre Cordeiro Figueira lobt das Alphabetisierungsprogramm. Er habe noch nie erlebt, dass Menschen in weniger als drei Monaten lesen und schreiben lernen, so wie mit der kubanischen Methode. "Und wir sehen, wie glücklich die Menschen sind, wenn sie lernen, allein zurechtzukommen. Sie brauchen keine Hilfe von der Familie", fügt er hinzu.

Der 72-jährige Rentner und Kursteilnehmer Altino Vieira Padilha äußert sich ebenfalls begeistert. Der Unterricht sei sehr wichtig für ihn, weil er weder lesen noch schreiben konnte. Er schätze seine Eigenständigkeit und nicht mehr auf Hilfe angewiesen zu sein.

"Ich bin 57 Jahre alt und wollte schon immer lesen und schreiben lernen. Manchmal fragen mich die Leute: Warum bist du nicht zur Schule gegangen? Aber weil wir Familie haben, wurde der Unterricht in der Schule nie abgeschlossen. Und jetzt hat sich diese Chance ergeben. Ich bin sehr froh, dass die Lehrer uns diese Möglichkeit gegeben haben, uns zu bilden", sagt Natália dos Reis Souza, eine selbständige Verkäuferin.

Laut Zensus-Daten des brasilianischen Instituts für Geografie und Statistik (IBGE) von 2022 waren mehr als 11,4 Millionen der 163 Millionen Brasilianer:innen über 15 Jahre Analphabet:innen. Auch wenn der Süden Brasiliens und somit auch Rio Grande do Sul eine hohe Alphabetisierungsrate von fast 97 Prozent aufweist, können 256.000 Menschen weiterhin nicht lesen und schreiben.

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"Das ist eine Geißel, die wir haben, und wir müssen sie mit großer Intensität angehen. Es ist schade, dass die Regierungen der Kommunen, der Bundesstaaten und des Bundes nicht über die notwendigen Investitionen verfügen, um dem ein Ende zu setzen", betont Ricardo Haesbaert, Präsident der Kulturvereinigung José Martí.

Betina Fresneda, Analystin beim IBGE, sieht die hohe Analphabetenrate unter älteren Menschen als Spiegelbild einer Bildungspolitik, die lange Zeit nicht ausreichend in Bildung investierte.

Nach Ansicht von Ribeiro besteht auch gegenwärtig die Herausforderung, dass einem beträchtlichen Teil der Bevölkerung das Recht auf Alphabetisierung vorenthalten werde.

Die MST ist mit ihrer Alphabetisierungskampagne nach kubanischer Methode Vorreiter im Land. "Sim, Eu Posso" wird auch in den Camps der MST angewandt, damit Landarbeiter:innen das Lesen und Schreiben lernen.

Leonela Ines Relys, die 2015 verstorbene kubanische Pädagogin und Begründerin des Programms (amerika21 berichtete), hat die Alphabetisierung durch die alphanumerische Methode, bei der Buchstaben mit Zahlen kombiniert werden, revolutioniert. Mit dieser Methode haben fast elf Millionen Menschen in mehr als 30 Ländern das Lesen und Schreiben gelernt.

Es wird geschätzt, dass allein in Brasilien bereits mehr als 100.000 Menschen mit '"Sim, Eu Posso" alphabetisiert wurden, nicht zuletzt 800 Erwachsene in Maricá in Rio de Janeiro Ende 2024.