Historisches Urteil in Chile schützt Rechte indigener Gemeinschaften

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Die Auseinandersetzung um das Gesetz Lafkenche ist seit Jahren Thema in Chile.
Die Auseinandersetzung um das Gesetz Lafkenche ist seit Jahren Thema in Chile.

Santiago. Das chilenische Verfassungsgericht hat einen Artikel des Haushaltsgesetzes für 2025 für verfassungswidrig erklärt, der die territorialen Ansprüche der indigenen Bevölkerung auf die traditionelle Nutzung der Meeresküsten außer Kraft setzen sollte. Der im November von der ultrakonservativen Partei Renovación (RN) im Senat in die Haushaltsabstimmung eingebrachte und genehmigte Artikel 48 sah eine Modifikation des seit 2008 geltenden sogenannten Lafkenche Gesetzes vor.

Dieses Gesetz, benannt nach einer Mapuche-Gemeinschaft, den Lafkenche (Menschen des Wassers), regelt die Anerkennung von deren territorialen Ansprüchen auf die Verwaltung bestimmter Küstengebiete des Landes zur Erhaltung indigener Nutzung und Bräuche. Indigene Gemeinschaften können diese Rechte beantragen und sofern keine Rechte Dritter bestehen, werden diese von der zuständigen staatlichen Stelle bestätigt

Für das Haushaltsjahr 2025 sollte nun wegen Haushaltskürzungen durch den Artikel 48 weitere Anträge vorerst ausgesetzt und Anträge in Bearbeitung, sofern sie nicht binnen einer Frist von sechs Monaten entschieden werden, abgelehnt werden. Die freiwerdenden Mittel wären dann für andere Maßnahmen im Staatshaushalt verwendbar.

Ein Mitspracherecht der indigenen Gemeinden bei der Planung der Staatsausgaben ist in der Verfassung nicht vorgesehen. Derzeit befinden sich rund 80 Anträge in verschiedenen Bearbeitungsetappen und wären dann nach der abgelaufenen Frist für nichtig erklärt worden.

Bereits in der Vergangenheit hatten die Fischerei-Industrie und andere große Wirtschaftssektoren das Lafkenche-Gesetz immer wieder als "Bremse" für Investitionen und ökonomische Entwicklung bezeichnet. Die Abgeordneten der RN, die den Artikel eingebracht hatten, begründeten dies damit, "ein Zeichen für Organisation und Effizienz zu setzen". Die Reform solle dafür sorgen, dass "wir nie wieder Zeugen von Minderheiten werden, die Hektar um Hektar des Meeres wollen".

Schon im November hatten die Fachanwälte Felipe Guerra und Christian Paredes Letelier starke Bedenken hinsichtlich der nationalen und internationalen Rechtmäßigkeit des Artikels geäußert. Einerseits dürften jährlichen Haushaltsplanungen nicht in dauerhafte Gesetze eingreifen, andererseits verstoße der Artikel gegen Abkommen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO.

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Am Verhandlungsprozess über den Artikel 48 vor dem Verfassungsgericht nahmen diversen Mapuche-Gemeinschaften wie die Lafkenche, Kawésqar und Nomádes del Mar aktiv teil, da "der Zugang zum Meer wesentlich für ihre Kosmovision und Lebensweise ist". Die Kläger:innen, darunter auch Abgeordnete der Regierungsparteien und der Regierung selbst wiesen darauf hin, dass der Artikel 48 eine versteckte Aufhebung bestehender Rechte und ein Rückschritt beim Schutz der Rechte indigener Völker und der Erhaltung wichtiger Ökosysteme bedeute.

Das Gerichtsurteil vom 9. Januar bestätigt nun, dass die Maßnahme die Verfassung verletzt, da sie indigene Gewohnheitsrechte beeinträchtigt, ohne ein ordnungsgemäßes Gesetzgebungsverfahren durchlaufen zu haben.

Im Urteil heißt es: "Der Finanzierungsweg des Haushaltsplans kann nicht für Innovationen genutzt werden, die im Gegensatz zu dauerhaften Gesetzen stehen“. Der Artikel “verstößt gegen die ausschließliche Initiative des Präsidenten der Republik in Bezug auf Angelegenheiten der Finanz- oder Haushaltsverwaltung des Staates“, sowie die Gleichheit vor dem Gesetz und die Menschenrechte. Der Kongress ist nur befugt, "Ausgaben im Projekt des Haushaltsgesetzes zu kürzen, nicht aber Bestimmungen einzuführen, die bestehende Gesetze ändern".

Die Richter:innen wiesen darauf hin, dass die Partizipationsrechte der indigenen Völker durch das Abkommen 169 der ILO geschützt sind. Dieses garantiert den indigenen Völkern die Intervention in Entscheidungen, welche sie direkt betreffen und es bestimmt entsprechende Standards der Konsultation und Partizipation.

Für die Verteidigung indigener Rechte und des Umweltschutzes in Chile bedeutet das Urteil einen Meilenstein, da es die Achtung der Verfassungsgrundsätze und der Kosmovision der indigenen Völker garantiert.