Rentenreform in Chile nimmt nächste Etappe

Das Land diskutiert weiter über ein gerechtes Pensionssystem, während die Reform den Senatsausschuss passiert

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Proteste in Chile gegen das System der privaten Rentenvorsorge
Proteste in Chile gegen das System der privaten Rentenvorsorge

Santiago de Chile. Nach heftigen Debatten hat in Chile der Ausschuss für Arbeit und Soziale Sicherheit des Senats am 16. Januar eine neue Rentenreform gebilligt. Es handelt sich um einen Kompromiss von Regierungskoalition und Teilen der rechten Opposition, der die Blockade der Reform im Parlament beenden und eines der wichtigsten Projekte der Regierung ermöglichen soll.

Seit Ende der Pinochet-Diktatur diskutiert Chile über sein aus dieser Zeit geerbtes privates Rentensystem. Die neue Reform wird oft als die Größte der letzten 40 Jahre bezeichnet, doch von den ursprünglichen Wahlkampfversprechen des Präsidenten vor einigen Jahren ist wenig übriggeblieben.

Gabriel Boric versicherte noch als Präsidentschaftskandidat 2021 im Wahlkampf, das System der privaten Altersvorsorge durch eine solidarische Versicherung, in die Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzahlen, zu ersetzen. Dieses Versprechen wurde beim Einbringen der Reform im November 2022 wiederholt.

Der nun auf 176 Seiten ausgehandelte Kompromiss, der am Donnerstag von Arbeitsministerin Jeanette Jara von der Kommunistischen Partei vorgestellt wurde, wird nach Aussage der Ministerin mit Sicherheit weder die Opposition noch die Regierung ganz zufriedenstellen. Er soll jedoch die Änderungen auf den Weg bringen, die das Land benötigt.

Das Herz der Reform ist die weitreichende Erhöhung des Arbeitgeberanteils an der Finanzierung des sozialen Sicherungssystems ihrer Arbeitnehmer auf 8,5 Prozent. Bisher zahlte jeder Arbeitnehmer unter anderem individuell Beiträge an einen persönlichen Rentenfond zur eigenen persönlichen Altersvorsorge. Diese Fonds werden von speziellen Versicherungskonzernen (AFPs) verwaltet. Arbeitgeber trugen lediglich 1,5 Prozent des Gehalts des jeweiligen Arbeitnehmers zur Teilfinanzierung an der Invalidenversicherung bei.

Dieser Anteil soll nun in den nächsten Jahren schrittweise auf 8,5 Prozent erhöht werden. Etwa fünf Prozent sollen als Arbeitgeberzuschlag beim persönlichen Rentenfond des Arbeitnehmers landen, der Rest ist zur Unterstützung weiterer sozialen Vorsorgemaßnahmen vorgesehen. Die ungeliebten AFPs bleiben jedoch bestehen.

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Kurzfristig sollen die Renten laut Regierung steigen, auch wegen der Erhöhung der Mindestrente von 214.000 Pesos (etwa 205 Euro) auf 250.000 Pesos (240 Euro). Dies macht etwa die Hälfte des bei umgerechnet 490 Euro liegenden Mindestlohns aus. Im Parlament kritisierten die Delegierten der ultrarechten Republikanischen Partei den erarbeiteten Kompromiss, an dem sie nicht beteiligt waren, als Gefahr für Jobs.

Besonders viel Aufmerksamkeit erregte jedoch eine Initiative von Abgeordneten aus unterschiedlichsten Parteien, ein Referendum über das AFP-Rentensystem parallel zu den Präsidentschaftswahlen in diesem Jahr stattfinden zu lassen. Juan Santana, Abgeordneter der sozialistischen Partei, kritisierte bei einer Pressekonferenz die AFPs und sagte, dass das naheliegendste sei, die Bevölkerung zu fragen, ob sie das System beibehalten wolle. Kritik entzündet sich in erster Linie an den enormen Gewinnen der Versicherungskonzerne, während viele Rentner mit einer miserablen Rente über die Runde kommen müssen.

Auch auf den Straßen manifestierte sich der Unmut, wegen der in vielen Augen unzureichenden Reformen der Regierung. So rief die soziale Bewegung "Nicht weiter mit den AFP" zu einer Demonstration vor dem nationalen Kongress auf. Der Bewegung zufolge verschiebe die Reform nur die Rentenkrise weiter und stärke das private Rentensystem. In einem Kommuniqué bezeichnet sie die Entscheidung, auf einem System zu bestehen, das nachweislich nicht in der Lage ist, ausreichende Renten zu zahlen, als "unverantwortlich".

Nach Ansicht der Organisation "ist das Besorgniserregendste, was die Distanz zwischen der politischen Klasse und den Bürgern offenbart, das Niveau der Renten, die der Senat für die chilenischen Rentner festlegt; die Verbesserungen werden nur leicht über der Armutsgrenze liegen, aber weit entfernt vom Mindestlohn".

Nach der Billigung durch den Ausschuss für Arbeit und Soziale Sicherheit muss die Reform nun vom Finanzausschuss geprüft werden. Sollte dieser seine Zustimmung geben, kann der Gesetzesvorschlag dem Senat zur Abstimmung vorgelegt werden.