San Salvador. El Salvador ist weltweit das Land mit der höchsten Zahl von Gefangenen pro 100.000 Einwohner. Laut dem World Prison Brief (WPB) gab es im März 2024 109.519 Inhaftierte. Aktuell könnten die Zahlen sogar noch höher sein, so WPB.
Die Interamerikanische Menschenrechtskommission (CIDH) bezog sich in ihrem jüngsten Bericht über inhaftierte Frauen ebenfalls auf die Zahlen von WBP und warnte, dass sie in den letzten Jahren einen "deutlichen Anstieg" der Gefängnispopulation in mehreren Ländern Amerikas, darunter auch El Salvador, festgestellt habe.
Die Zahl der weiblichen Gefängnisinsassen hat sich im Land von 2000 bis 2021 mehr als versiebenfacht, von 371 auf 2.710. Seit 2021 haben die Behörden diese Zahl jedoch nicht mehr aktualisiert. Die salvadorianischen Behörden erklärten, dass sie aufgrund bestehender Informationsbeschränkungen keine spezifischen Daten zu Geschlecht, Alter oder Herkunft der 84.200 Personen bereitstellen, die während des Ausnahmezustands festgenommen wurden.
Laut dem zweiten Jahresbericht über Menschenrechtsverletzungen im Rahmen des Ausnahmezustands in El Salvador, der von mehreren Organisationen erstellt wurde, sind 244 Menschen in staatlichem Gewahrsam im Rahmen des Ausnahmezustands gestorben. Bisher gibt es keine offiziellen Zahlen und Darstellungen zu den Todesfällen.
Der salvadorianische Präsident Nayib Bukele machte sein Verständnis der Haftstrafen deutlich, als er letzten Freitag im Netzwerk X ein Video teilte, das eine Textilfabrik zeigt, in der Gefangene bei der Arbeit sind. Er erklärt darin: "Sie zahlen bereits ihre Schuld gegenüber der Gesellschaft."
Bukele behauptete, dass derzeit 40 Prozent der Gefängnisinsassen im Austausch für ihre Versorgung im Gefängnis arbeiten. Gefangene sollen sich einen Anspruch auf eine kürzere Haftstrafe erwerben, sie würden dadurch auch neue Fähigkeiten erlernen, betonte er. Die Textilfabrik wird laut Bukele für die Herstellung von Uniformen genutzt. Es würden auch Werkstätten für die Montage von Möbeln eingerichtet. Außerdem soll es Programme für landwirtschaftlichen Anbau und die Ernte geben und für die Entfernung von Abfällen aus Flüssen.
El Salvadors Regierung seht Inhaftierung durchaus auch als Geschäft, wie Bukeles Angebot an seinen jüngsten Besucher, den US-Außenminister Marco Rubio zeigt, "gegen eine Gebühr" für die USA Gefangene zu übernehmen. In einer Presseerklärung von Rubio hieß es: "Er hat angeboten, gefährliche US-Kriminelle, die in unserem Land inhaftiert sind, in seinen Gefängnissen unterzubringen, auch solche mit US-Staatsbürgerschaft und legalem Wohnsitz."
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Die Regierung El Salvadors plant derzeit außerdem eine Reform des Jugendstrafrechts, damit Minderjährige ihre Strafe in normalen Gefängnissen verbüßen können, in denen es für sie spezielle Trakte geben soll.
Aktuell ist im Artikel 119 des Jugendstrafrechts geregelt, dass die Maßnahme der Inhaftierung von Minderjährigen "in speziellen Zentren für jugendliche Straftäter durchgeführt wird, die sich von denen für Straftäter unterscheiden, die dem allgemeinen Strafrecht unterliegen."
Für Insassen dieser Zentren müssen Programme "für Schul- und Berufsausbildung, Freizeitgestaltung und Programme zur Eingliederung in verschiedene Fachgebiete" durchgeführt werden, und es muss die Unterstützung in den Bereichen Soziales, Pädagogik und Recht gewährleistet werden. Die Regierung will erreichen, dass für diese Minderjährigen nicht mehr die Regeln des Jugendstrafrechts gelten sollen, sondern "das von der Direktion in Übereinstimmung mit dem für die Gefängnispopulation festgelegten Profil für auf diese Weise begangene Straftaten angewendet wird".
Die Absicht der Regierung, Minderjährige zusammen mit Erwachsenen inhaftieren zu lassen, wenn auch in getrennten Flügeln, wurde von Strafrechtlern in Frage gestellt. Sie wiesen vor allem auf die Risiken dieser Maßnahme hin.
"Eine Unterscheidung wird nicht für die Suche nach einer besseren Resozialisierung des Minderjährigen getroffen, sondern im Bestreben nach einer strafenden Maßnahme", erklärte der Strafverteidiger Otto Flores, der weiter ausführte, dass selbst wenn es separate Flügel in den Gefängnissen gäbe, Minderjährige dennoch wie Erwachsene behandelt würden. Es gebe "keine Garantie dafür, dass sie nicht als solche misshandelt werden."
Die vor allem mit Fällen von Minderjährigen befasst Strafverteidigerin Roxana Cardona erklärte: "Der Staat wird sich aus der Wirtschaft, der Gesellschaft und dem Bildungswesen zurückziehen. (...) Diejenigen, die unter dem Regime gefangen genommen wurden, werden stärker stigmatisiert, da der Staat seine Verpflichtung gegenüber Minderjährigen aufgibt."