Regierung in Argentinien streicht Personenzüge im öffentlichen Eisenbahnsektor

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Die Zugstrecke nach Pinamar ist das jüngste Beispiel einer Serie von Streckenstreichungen
Die Zugstrecke nach Pinamar ist das jüngste Beispiel einer Serie von Streckenstreichungen

Buenos Aires. Immer mehr Eisenbahnstrecken fallen der "marktlibertären" Politik des rechten Staatspräsidenten Javier Milei zum Opfer. Jüngst ist die Verbindung nach Pinamar, ein circa 350 Kilometer von Buenos Aires entfernter beliebter Badeort am Atlantik, gestrichen worden. Es handelt sich um die siebte Strecke, auf der seit Mileis Amtsübernahme keine Personenzüge mehr fahren.

Die staatliche Betreibergesellschaft Trenos Argentinos erklärte, dass der prekäre Zustand der Infrastruktur der Grund sei. "Teilstrecken und Brücken könnten einstürzen und zu schweren Unfällen führen", hieß es. 90 Kilometer der Strecke seien vor über 80 Jahren gebaut worden und stark von Korrosion und Abnutzung betroffen. Obwohl mit der Reparatur von Metallbrücken begonnen worden war, gibt es keinen Termin für die Wiederaufnahme der Fahrten.

Die Einstellung der Linie nach Pinamar, der eine Halbierung der Zugfrequenz und ein Betriebsverlust im dreistelligen Millionenbereich vorausging, zeigt eine sich unter Milei dramatisch zuspitzende Situation. Die Umverteilung und Kürzungen der Mittel für den öffentlichen Eisenbahnsektor führen zum Investitionsstau, womit die Strecken verfallen und für Passagiere unattraktiv werden. Auch die jüngere Schließung anderer Strecken wird mit mangelnder Rentabilität, Sicherheitsproblemen und Rückgang der Fahrgastzahlen begründet. Dies betriff den Nahverkehr in Santiago del Estero und die Strecken Buenos Aires nach Palmira und Pehuajó.

Selbst stark benutzte Verbindungen scheinen in Gefahr. So wurde die Ausschreibung für Strecken- und Signalarbeiten auf der Sán Martín-Linie annulliert, eine 72 Kilometer lange Pendlerstrecke im Nordwesten der Hauptstadt. Diese Arbeiten sollten die Elektrifizierung der Strecke einleiten. Für das Projekt hatte die Interamerikanische Entwicklungsbank (Banco Interamericano de Desarrollo, BID) noch unter der Vorgängerregierung Kredite von 400 Millionen US-Dollar zugesagt. Wirtschaftsminister Luis Caputo bat nun darum, diese Summe neu und für andere Bereiche anzuweisen.

Nach Ansicht von Beobachter:innen versucht die Regierung Milei "darzulegen, dass der Staat schlecht ist, um die Streichung der Mittel und die Aufgabe des Netzes oder Privatisierungen zu rechtfertigen". Laut der Tageszeitung Página12 geht es der Regierung um eine "umfassende Demontage des Eisenbahnsystems", das in der Geschichte des Landes zentral für die Vernetzung und Wirtschaftsentwicklung der Regionen war.

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Das argentinische Streckennetz war um 1945 mit rund 47.000 Kilometern eines der größten der Welt. Heute sind nur noch wenige Tausend Kilometer in Betrieb.

Die Streckenstilllegungen führen in der Provinz Buenos Aires, in der sich rund ein Drittel der argentinischen Bevölkerung und 60 Prozent der Industrie konzentrieren, nun zu Gegenwehr. Die peronistisch geführte Provinzregierung hat erklärt, den Betrieb übernehmen zu wollen. Martín Marinucci, Verkehrsminister und vorheriger Direktor von Trenes Argentinos, bat die Regierung Milei, der Provinz "die Fahrzeuge und Gleise zu übergeben".

"Es ist traurig, dass die Regierung Milei beschließt, die Menschen in Buenos Aires zu benachteiligen. Wir dagegen glauben an ein Eisenbahnsystem, das uns Entwicklung ermöglicht", erklärte Marinucci. Die größte Provinz des Landes müsse die Möglichkeit erhalten, ein Eisenbahnsystem zu betreiben. Zugleich räumte er ein: "Es ist ein Projekt, das Zeit braucht." Bisher ist die Provinz weder im Nationalregister der Eisenbahnbetreiber eingetragen noch verfügt sie über eine eigene Betreibergesellschaft.

Um Abhilfe zu schaffen, brachte der peronistische Senator Pedro Borgini in der zweiten Kammer des Landesparlaments einen Gesetzentwurf zur Gründung einer Eisenbahngesellschaft der Provinz Buenos Aires (Sociedad Operadora Ferroviaria de la Provincia Buenos Aires SA) ein. Er plant ein Joint Venture, das den Personen- und Güterverkehr in der gesamten Provinz betreiben könnte. Anders als die bisherigen Staatsbetriebe soll das neue Unternehmen als Public-Private-Partnership fungieren, Nebenstrecken wiederherstellen und Großstädte wie La Plata und Bahía Blanca verbinden. Das Projekt sieht auch nationale und internationale Beteiligungen vor. "Es geht darum, Dienste wiederherzustellen, die durch politische Entscheidungen statt durch technische Kriterien eingestellt wurden", betonte Borgini.