Managua. Die Regierung von Präsident Daniel Ortega hat bekannt gegeben, dass Nicaragua sich aus dem Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) gegen Israel zurückzieht, in dem schwerwiegende Verletzungen der Rechte des palästinensischen Volkes und Staates verhandelt werden. Sie begründet dies mit den hohen finanziellen Kosten, die die Fortsetzung des Gerichtsverfahrens für ein Land mit begrenzten wirtschaftlichen Ressourcen mit sich bringt.
Das Kommuniqué hebt auch hervor, dass Nicaragua das palästinensische Volk und den palästinensischen Staat weiterhin in allen anderen Bereichen, die in seiner Macht stehen, unterstützen und weiterhin "seinen internationalen Verpflichtungen zur Verteidigung des palästinensischen Brudervolks" nachkommen werde.
In einem Artikel des regierungsnahen Radio La Primerisima unter dem Titel "Palästina lebt im Herzen Nicaraguas" schreibt Mohamed Lashtar, die Maßnahme stelle keineswegs einen Verzicht dar, sondern spiegle "die revolutionäre Haltung angesichts der erdrückenden wirtschaftlichen Beschränkungen wider". Es seien die dem Land von einem zutiefst ungerechten internationalen System auferlegten Bedingungen, "durch die Mächtige geschützt und diejenigen bestraft würden, die es wagten, ihre Hegemonie in Frage zu stellen."
Nicaragua war eines der ersten Länder, das die Klage Südafrikas gegen Israel unterstützt hatte. Bis Anfang dieses Jahres waren auch Kuba, Kolumbien, Libyen, Mexiko, Spanien, die Türkei, Chile, die Malediven, Bolivien, Irland und Norwegen der Klage wegen des Verdachts auf Völkermord gegen Israel beigetreten. Ein wichtiger Grund Nicaraguas für diese Unterstützung der Klage waren nicht nur die langjährigen Beziehungen zur palästinensichen Befreiungsbewegung PLO, sondern auch die vielen Einwohner des Landes mit palästinensischer Abstammung.
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Darüber hinaus hatte Nicaragua im April 2024 vor dem IGH Klage gegen Deutschland wegen dessen Unterstützung Israels eingereicht und einstweilige Maßnahmen gefordert (amerika21 berichtete). Den Antrag Deutschlands, die Klage Nicaraguas wegen Beihilfe zum Völkermord abzuweisen, lehnte der Gerichtshof in Den Haag ab.
Der IGH erließ im Mai 2024 jedoch keine einstweiligen Maßnahmen gegen Deutschland, da die Waffenlieferungen zu diesem Zeitpunkt deutlich zurückgefahren worden waren. Unter Punkt 26 des Urteils erinnerte der IGH Deutschland allerdings daran, dass es als Vertragsstaat alle völkerrechtlichen Übereinkommen bei der Lieferung von Waffen an Israel einhalten müsse (amerika21 berichtete).
Der Vertreter Nicaraguas beim IGH, Carlos Argüello, hatte in einer ersten Stellungnahme nach diesem Urteil erklärt: "Was wir beantragt hatten, war eine Art präventives Embargo [...] Wir haben darum gebeten, dass Deutschland während der Bearbeitung der Klage keine Rüstungsgüter mehr nach Israel liefert und das Flüchtlingshilfswerk UNRWA weiter finanziert", erklärte Argüello.
Ob sich Nicaragua noch in der Lage sieht, diese Klage im noch ausstehenden Hauptverfahren gegen Deutschland weiter zu verfolgen, ging aus der aktuellen Mitteilung der Regierung nicht hervor.