Brasilien: Internationale Konferenz stellt bestehende Wirtschaftsstrukturen infrage

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Vijay Prashad,  Direktor des Tricontinental: Institute for Social Research, bei der Eröffnungsveranstaltung
Vijay Prashad, Direktor des Tricontinental: Institute for Social Research, bei der Eröffnungsveranstaltung

São Paulo. In São Paulo hat die vierte Auflage des größten Treffens des weltweiten progressiven Lagers "Dilemmas of Humanity: Perspectives for Social Transformation" (Dilemmas der Menschheit: Perspektiven für den sozialen Wandel) stattgefunden. Organisiert wurde die Veranstaltung von der brasilianischen Landlosenbewegung (MST), dem Trikontinentalen Institut für Sozialforschung und der Internationalen Versammlung der Völker (IPA).

Vom 7. bis zum 10. April nahmen mehr als 70 Intellektuelle, politische Akteur:innen und Vertreter:innen sozialer Bewegungen aus über 20 Ländern teil – darunter auch der brasilianische Wirtschaftsminister Fernando Haddad und Esther Dweck, Ministerin für Verwaltung des öffentlichen Dienstes und Innovation.

Mit dem Schwerpunkt auf Perspektiven des Globalen Südens, kollektivem Handeln und dem Engagement für eine gerechtere Zukunft bot die Konferenz einen Raum für die Debatte und den Austausch transformativer Lösungen.

Eines der Diskussionsthemen war die zementierte Rolle des Globalen Südens als bloßer Rohstofflieferant für die sogenannten Industrieländer. Der indische Wirtschaftswissenschaftler Surajit Mazumdar argumentierte, dass es für die Industrialisierung von Staaten im Globalen Süden "notwendig ist, mit den derzeitigen Integrationsmustern zu brechen. Es müssen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass diese Länder ihre internen Märkte und Wirtschaftsräume für die Industrialisierung nutzen können." Anstelle von Exporten in den Globalen Norden könnten wiederum Märkte und Industriezweige im Globalen Süden gefördert werden.

Auch die mexikanische Ökonomin Josefina Morales kritisierte, die Weltbank unterstütze ein solches Wirtschaftsmodell, das Länder wie Mexiko zu Herstellern von Produkten mit geringer Wertschöpfung degradiere. Für Morales ist eine produktivere lokale Industrie nötig, um nicht nur die Lebensbedingungen zu verbessern, sondern auch protektionistische Tendenzen wie "Donald Trumps faschistische Offensive“ abzuwehren.

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In einem Diskussionsbeitrag stellte der chinesische Wirtschaftswissenschaftler Lyu Xinyu Chinas eine Entwicklungsstrategie, die eine "Balance zwischen Unabhängigkeit und Offenheit gegenüber der Welt" anstrebt, als Vorbild dar. Industrialisierung und Kapitalbildung könnten im Einklang mit der nationalen Souveränität und Bewältigung externer Herausforderungen wie Handelssanktionen vorangetrieben werden.

Während der viertägigen Veranstaltung kamen auch die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) zur Sprache. Für den indischen Historiker Vijay Prashad, Leiter des Trikontinental Institutes, zeigt das Scheitern der SDGs, "dass es im Kapitalismus keinen Weg gibt, das Leben der Mehrheit der Bevölkerung zu verbessern“. Der gesamte Rahmen der Entwicklung müsse in Frage gestellt werden.

"Bei der Finanzierung von Entwicklung geht es nicht nur um Banken und Geld. Es geht vor allem um die Planung des Einsatzes nationaler Ressourcen, einschließlich Land und Arbeit. Dieser Plan muss die Souveränität eines Landes über seine Ressourcen beinhalten und nicht die Abtretung dieser Ressourcen an multinationale Unternehmen, die ihren Wert durch Praktiken wie niedrige Lizenzgebühren und Verrechnungspreisvereinbarungen ins Ausland verlagern", sagte er.

Die erste Ausgabe von "Dilemmas of Humanity" fand 2004 in Rio de Janeiro statt. Es folgten weitere Treffen in den Jahren 2015 und 2023 – in Guararema im Bundesstaat São Paulo sowie in Johannesburg, Südafrika.