Brasília. Unter den Brasilianer:innen zwischen 15 und 64 Jahren gelten fast ein Drittel als funktionale Analphabet:innen. Laut dem aktuellen Indikator für funktionale Alphabetisierung (Inaf) können rund 29 Prozent der Bevölkerung nicht oder nur sehr eingeschränkt lesen und schreiben.
Funktionelle Analphabet:innen sind nicht in der Lage, kurze Sätze zu verstehen oder einfache Informationen wie Preise oder Telefonnummern zu erfassen. Diese Quote ist seit 2018 unverändert und stellt somit einen Rückschritt gegenüber 2009 dar, als der Anteil bei 27 Prozent lag.
Der größte Teil der Bevölkerung (36 Prozent) bewegt sich auf einem elementaren Alphabetisierungsniveau. Diese Personen können einfache Texte verstehen und grundlegende mathematische Aufgaben lösen. Weitere 35 Prozent erreichen ein konsolidiertes, also höheres Niveau. Nur zehn Prozent der Bevölkerung verfügen über die höchsten Sprachkompetenzen.
Selbst unter Akademiker:innen sind zwölf Prozent als funktionale Analphabet:innen eingestuft.
Unter jungen Menschen zwischen 15 und 29 Jahren hat der Anteil funktionaler Analphabet:innen sogar zugenommen. Er stieg von 14 Prozent im Jahr 2018 auf nun 16 Prozent. Forscher:innen machen dafür die Auswirkungen der Corona-Pandemie verantwortlich. Aufgrund der Schulschließungen fiel der Unterricht für die Mehrheit der Schüler:innen aus.
Auch ältere Menschen sind stark betroffen. 65 Prozent der funktionalen Analphabet:innen sind zwischen 40 und 64 Jahre alt. Selbst unter Erwerbstätigen sind die Defizite groß. 27 Prozent von ihnen sind funktionale Analphabet:innen, 34 Prozent bewegen sich auf elementarem Niveau.
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Ein weiteres Problem stellt die Ungleichheit innerhalb der brasilianischen Bevölkerung dar. Während 28 Prozent der weißen Brasilianer:innen als funktionale Analphabet:innen gelten, sind es bei der Schwarzen Bevölkerung 30 Prozent. Besonders hoch ist der Anteil unter Indigenen. Hier liegt die Quote bei 47 Prozent. Lediglich 19 Prozent dieser Bevölkerungsgruppe verfügen über eine gefestigte Alphabetisierung.
Für Roberto Catelli, Koordinator für Jugend- und Erwachsenenbildung bei der Organisation Ação Educativa, führt das Fehlen von Lese- und Schreibkenntnissen im Leben der Betroffenen zu einer "ernsten Einschränkung". Um dem entgegenzuwirken, fordert er umfassende staatliche Bildungsmaßnahmen. Ein besseres Ergebnis könne nur mit signifikanter öffentlicher Politik im Bildungsbereich und einer Reduktion der sozialen Ungleichheiten erreicht werden.
Auch Esmeralda Macana von der Itaú-Stiftung, die die Studie mitverantwortet, verlangt mehr Tempo und Qualität in öffentlichen Maßnahmen. Dies sei besonders wichtig in einer zunehmend technologisierten Welt.
Der Inaf erhebt regelmäßig Daten zum Alphabetisierungsgrad der Bevölkerung. Grundlage ist ein standardisierter Lese-, Schreib- und Mathematiktest, der mit einer repräsentativen Stichprobe durchgeführt wird. Ziel ist es, auf die Notwendigkeit öffentlicher Maßnahmen aufmerksam zu machen, um Bildungsungleichheiten zu verringern.
Für die aktuelle Studie wurden zwischen Dezember 2024 und Februar 2025 insgesamt 2.554 Personen aus allen Landesteilen befragt. Die Fehlermarge liegt je nach Altersgruppe bei zwei bis drei Prozentpunkten. Erstmals erfasste der Inaf auch Daten zur digitalen Lesekompetenz. Damit soll besser verstanden werden, wie sich technologische Entwicklungen auf den Alltag der Bevölkerung auswirken.