Maracaibo. Organisationen von Landarbeiter:innen fordern in Venezuela von der Regierung Schutz. Die jüngste Anklage gegen eine ihrer Aktivist:innen sehen sie als Teil einer systematischen Kriminalisierung von Basisorganisationen.
Dabei geht es um Lilibeth Rangel, eine Sprecherin der Siedlung auf dem Großgrundstück La Fortuna im Bundesstaat Zulia. Sie wurde am 21. Juni verhaftet und wegen "Eindringens" in Privatbesitz angeklagt. Die Bewegung der Kleinen Landwirt:innen (Movimiento de Pequeños Agricultores, MPA), in der sich bäuerliche Organisationen aus dem ganzen Land zusammengeschlossen haben, verurteilte die Festnahme Rangels in einer Erklärung als "Ergebnis der Kriminalisierung des bäuerlichen Kampfes".
Rangel ist eine führende Vertreterin des jahrelangen Kampfs um die Eigentumsrechte an dem 350 Hektar großen Grundstück La Fortuna im Westen Venezuelas. Nach dem "Bewundernswerten Bäuerlichen Marsch" (Marcha Campesina Admirable) im Jahr 2018 prüften die Behörden die Forderungen der Kleinbäuer:innen. Das venezolanische Landinstitut (Inti) erkannte den betroffenen Landfamilien im Jahr 2021 das Eigentum offiziell an.
In dem Kommuniqué der MPA heißt es: "Wir fordern die Regierung, den Generalstaatsanwalt, den Obersten Gerichtshof und die PSUV [Vereinte Sozialistische Partei Venezuelas] auf, einzugreifen und den Hunderten von Bäuer:innen, die wegen ihres Kampfes um Land verfolgt, ermordet oder inhaftiert wurden, echte Antworten zu geben."
Andrés Alayo, Sprecher der MPA, erklärte gegenüber Venezuelanalysis, dass sich die landwirtschaftlichen Organisationen in diesen Tagen mobilisieren werden, um ihre Fälle der Generalstaatsanwaltschaft vorzulegen.
"Wir müssen in dieser Angelegenheit aktiv werden. Wir haben Kontakt zur Bewegung der Wohnungslosen aufgenommen, die ebenfalls zunehmend mit Zwangsräumungen konfrontiert ist", fügte Alayo hinzu. Er bezog sich dabei auf jüngste Beschwerden über die Kriminalisierung von Mieter:innen.
Ländliche Kollektive haben die Kriminalisierung lokaler Anführer:innen durch Anklagen wegen Landbesetzung angeprangert. Zugleich beklagen sie die Straflosigkeit bei gezielten Tötungen ihrer Mitglieder. Seit Langem weisen sie auf den Einfluss von Großgrundbesitzer:innen auf Sicherheits- und Justizinstanzen hin.
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Laut MPA wurden seit Verabschiedung des Landgesetzes im Jahr 2001 über 350 Bäuer:innen ermordet. Das unter der Regierung Hugo Chávez eingeführte Gesetz gilt als wegweisend und ermöglicht es Landfamilien, ungenutztes Land zur Produktion zu beanspruchen. Vereinigungen der Großgrundbesitzer:innen und Viehzüchter:innen haben das Gesetz wiederholt kritisiert und die Vertreibung der "Eindringlinge" gefordert.
In den vergangenen Jahren haben venezolanische Basisorganisationen auf dem Land auch die Maduro-Regierung aufgefordert, bestimmte politische Maßnahmen zurückzunehmen. Diese, so ihre Kritik, begünstigten die Agrarindustrie. Dazu zählen die Erhöhung der Kraftstoffpreise, die Deregulierung der Erntepreise und die Privatisierung staatlicher Unternehmen.
Die Festnahme Rangels erfolgte nur wenige Tage nach einem Vorfall im Zusammenhang mit einem Landkonflikt, bei dem 28 Bäuer:innen im Bundesstaat Barinas verhaftet wurden.
Wie das Investigativportal La Tabla berichtet, drang am 12. Juni eine Gruppe bewaffneter Männer in das Landgut La Rubiera in der Gemeinde Pedraza ein. Sie nahmen 28 Personen unter Androhung von Waffengewalt fest und übergaben sie später der Nationalgarde. Die Gruppe, unter deren Mitgliedern sich auch ein Minderjähriger befand, wurde wegen Hausfriedensbruchs, Viehdiebstahls und Aufstachelung zum Hass angeklagt und befindet sich weiterhin in Haft.
Laut lokalen Aktivist:innen kämpft der 2021 gegründete Bauernrat von Bolívar und Zamora, dem rund 70 Familien angehören, seit fast fünf Jahren für die Nutzung brachliegender Ländereien. Er fordert das Landinstitut auf, Eigentumsurkunden gemäß dem Landgesetz zu erteilen.
Die Landfamilien beschuldigen den örtlichen Großgrundbesitzer Elpidio García, für die gewaltsame Aktion verantwortlich zu sein und die lokalen Justizbehörden zu beeinflussen. Der Konflikt in La Rubiera hat bereits zu strafrechtlichen Anklagen gegen Führungspersonen der Bewegung sowie zu Räumungsversuchen geführt. Gegenwärtig laufen mehrere Gerichtsverfahren.