Brasília. Der brasilianische Oberste Gerichtshof unter dem Vorsitz von Richter Alexandre de Moraes hat weitere 119 Teilnehmer des versuchten Staatsstreichs vom 8. Januar 2023 zu teilweise hohen Gefängnisstrafen verurteilt. Zehn Personen wurden zu Strafen von 17 Jahren Haft verurteilt, 20 Personen zu 14 Jahren, 20 weitere zu Haftstrafen zwischen zwölf und 13 Jahren und acht Monaten. Die restlichen 79 erhielten geringere Strafen zwischen einem und 2,5 Jahren, die größtenteils zur Bewährung ausgesetzt wurden.
Die Verurteilten hatten versucht, die eben angetretene Regierung von Präsident Lula da Silva mit militärischen Mitteln abzusetzen.
Bereits in den letzten beiden Jahren hat es Urteile gegen eine erste Reihe von insgesamt 86 Angeklagten gegeben.
Die Strafen wurden für die Teilnahme an dem gewaltsamen Eindringen in die Amtssitze der drei Gewalten in Brasília, die dort verursachten Zerstörungen sowie die Teilnahme an der Organisation der Aktion, wie die Finanzierung, Anmietung der Transportmittel (über 100 Busse wurden für die Anreise der Protestierenden organisiert) und Einrichtung des Protestcamps, von dem der Überfall dann ausging. Dieser sollte ein Eingreifen des Militärs und den Sturz der frisch angetretenen Regierung von Lula provozieren.
Die Richter stellten fest, dass es sich um ein kollektives Delikt handelte, bei dem durch das gemeinsame Vorgehen ein Umsturz der demokratischen Ordnung herbeigeführt werden sollte.
Ohne Moos nix los
Ihnen gefällt die Berichterstattung von amerika21? Damit wir weitermachen können, brauchen wir Ihre Unterstützung.
In einem anderen Verfahren werden derzeit die Organisatoren des Staatsstreiches untersucht, darunter Expräsident Jair Bolsonaro sowie sein Verteidigungsminister Walter Braga Netto, Sicherheitsminister Augusto Heleno und der Chef der Marine Admiral Almir Garnier Santos. Untersucht wird auch die komplementäre Operation Grün-Gelber Dolch (Punhal Verde e Amarelo), bei der laut den Ermittlungen sogar der Mord an Präsident Lula, seinem Vizepräsidenten Geraldo Alckmin und Richter Moraes geplant war. General Mario Fernandes gestand jüngst in einem Verhör, der Verfasser dieses Plans gewesen zu sein.
Expräsident Jair Bolsonaro erhielt am vergangenen 5. August Hausarrest und die Auflage einer elektronischen Fußfessel, da er sich nicht an die vorab auferlegten Restriktionen gehalten hatte. Sein Sohn Eduardo Bolsonaro ging zu Beginn der Regierung Lulas ins Exil in die USA. Er wird neben der Teilnahme an dem Putschversuch auch in Bezug auf Verbindungen zu dem Mord an Marielle Franco, einer Abgeordneten im Stadtrat von Rio de Janeiro, verdächtigt.
Eduardo Bolsonaro macht zusammen mit dem Journalisten und YouTuber Paulo Figueiredo in den USA Lobbyarbeit für seinen Vater und unterstützt die von Präsident Trump verhängten Sanktionen gegen Richter Moraes und seine Kollegen sowie hohe Zollgebühren gegen brasilianische Produkte allgemein. Die Regierung Trump versucht damit, den Prozess gegen den Expräsidenten zu verhindern.
Auch im Inneren Brasiliens versuchen die rechten Parteien im Parlament, ein Amnestiegesetz für Bolsonaro und die restlichen Teilnehmer an den Putschversuchen einzubringen. Die Justiz hat diesem Versuch jedoch bereits einen Riegel vorgeschoben und eine solche Maßnahme als verfassungswidrig erklärt.

