Generalstreik in Ecuador: Polizei und Militär gehen gewaltsam vor

Conaie mobilisiert seit Montag landesweit. Auslöser ist Abschaffung der Dieselsubventionen. Regierung spricht von "terroristischen Akten" und will "nicht verhandeln"

sicherheitskraefte_ecuador.jpeg

Laut sozialen Bewegungen gehen die Sicherheitskräfte in diesen Tagen in Ecuador massiv gegen Demonstranten vor
Laut sozialen Bewegungen gehen die Sicherheitskräfte in diesen Tagen in Ecuador massiv gegen Demonstranten vor

Quito. In Ecuador spitzt sich die soziale und politische Krise nach der abrupten Abschaffung der Dieselsubventionen weiter zu. Die indigene Dachorganisation Conaie ruft seit Montag zu einem landesweiten und unbefristeten Generalstreik auf. Inzwischen haben sich nicht nur Gemeinden aus dem Hochland, sondern auch aus den Amazonas – sowie Küstenregionen angeschlossen. Der Innenminister sprach am Freitagnachmittag von circa 100 Festnahmen im Rahmen der Demonstrationen.

Der Kern der Proteste bleibt das Dekret 126 von Präsident Daniel Noboa, das die Dieselpreise von 1,80 auf 2,80 US-Dollar pro Gallone anhob und damit eine jahrzehntelange Subvention beendete. Die Regierung erhofft sich dadurch Einsparungen von rund 1,1 Milliarden US-Dollar jährlich. Diese sollen nach offiziellen Angaben in Sozialprogramme und Unternehmensförderungen fließen. Kritiker:innen halten dagegen, dass die Maßnahme unmittelbar die Lebenshaltungskosten in die Höhe treibeund besonders ländliche Haushalte und Kleinproduzent:innen treffe. Hinzu kommt die Entscheidung, die letztes Jahr vorgenommene Erhöhung der Mehrwertsteuer von zwölf auf 15 Prozent auch für 2025 beizubehalten.

Die Mobilisierungen richten sich jedoch nicht nur gegen die Steuer- und Subventionspolitik. Sie bündeln auch andere Unzufriedenheiten wie das Ausbleiben effektiver Strategien gegen die steigende Kriminalität, den Abbau sozialer Leistungen, umstrittene Bergbau- und Erdölprojekte sowie ein wachsendes Misstrauen gegenüber dem als zunehmend autoritär kritisierten Regierungsstil Noboas (amerika21 berichtete).

Die aktuelle Welle der Proteste wird von Berichten über schwere Menschenrechtsverletzungen begleitet. Laut der Conaie kam es zu gewaltsamen Einsätzen von Polizei und Militär, unter anderem in einer Gemeinde der Provinz Imbabura, wo Sicherheitskräfte angeblich sogar in Häuser eingedrungen und mit Sturmgewehren auf die Bevölkerung geschossen haben sollen. Die Organisation spricht von einer "brutalen Repression", die das verfassungsmäßige Recht auf Widerstand in einen "Krieg gegen das Volk" verwandle. Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisiert die "systematische Einschüchterung und das gewaltsame Vorgehen gegen kritische Stimmen" und berichtet von willkürlichen Festnahmen sowie exzessivem Einsatz von Gewalt.

12_de_otavalo.jpeg

"Das Leben verteidigen ist kein Verbrechen" - Freiheit für die zwölf von Otavalo fordern Bewegungen aus Ecuador
"Das Leben verteidigen ist kein Verbrechen" - Freiheit für die zwölf von Otavalo fordern Bewegungen aus Ecuador

Besondere Schlagzeilen macht der Fall der sogenannten "zwölf von Otavalo": Zwölf indigene Aktivist:innen sitzen seit Mittwoch in Untersuchungshaft, nachdem sie wegen "Terrorismus" im Zusammenhang mit einem Angriff auf eine Polizeieinrichtung angeklagt wurden. Die Allianz für Menschenrechte Ecuador bezeichnet ihren Transfer in weit entfernte Gefängnisse in Esmeraldas und Portoviejo als illegal und lebensgefährlich und warnt vor dem missbräuchlichen Einsatz von Antiterrorgesetzen gegen Protestierende. Ecuadors Gefängnissystem durchläuft schon seit Jahren eine Krise geprägt von Gewalt im Zusammenhang mit Bandenkriegen. Allein in den letzten Tagen sind mindestens 30 Menschen bei Gefängnisunruhen ermordet worden, darunter 17 in Esmeraldas.

Die Regierung weist die Vorwürfe zurück und macht ihrerseits das politische Lager um den ehemaligen Präsidenten Rafael Correa für die Mobilisierungen mitverantwortlich. Noboa erklärte, er werde in der Frage der Subventionen "nicht verhandeln" und drohte mit harten Sanktionen gegen "terroristische Akte" wie Straßenblockaden. Auch die Generalstaatsanwaltschaft kündigte strafrechtliche Schritte gegen Protestierende an.

Neben der wirtschaftlichen und sozialen Dimension trägt auch ein weiteres Dekret Noboas zur Zuspitzung der Lage bei. Für den 16. November 2025 ist eine Volksabstimmung vorgesehen, bei der über mehrere Verfassungsänderungen entschieden werden soll, darunter die Abschaffung staatlicher Finanzierung für politische Parteien und Bewegungen und die Zulassung ausländischer Militärbasen. Die Conaie argumentiert, diese Änderungen oder gar eine neue verfassungsgebende Versammlung würden soziale und indigene Errungenschaften gefährden und vor allem als Ablenkung von den akuten Krisen dienen.

Die Conaie sowie Gewerkschaften und andere beteiligte Organisationen kündigten an, die Proteste fortzusetzen, bis die Kürzung der Dieselsubventionen zurückgenommen ist. Bereits zwei frühere Präsidenten, Lenín Moreno 2019 sowie Guillermo Lasso 2022, sind an demselben Vorhaben nach massiven Protesten gescheitert. Angesichts der langen Geschichte indigener Mobilisierungen in Ecuador, die schon mehrere Präsidenten zu Fall brachten, ist die politische Stabilität der Regierung Noboa herausgefordert. Die kommenden Wochen könnten entscheiden, ob der Konflikt in einen Dialog mündet – oder ob das Land erneut in eine Phase massiver sozialer Konfrontation gerät.