Brasília. Der brasilianische Senat hat letzte Woche ein Projekt zur Erweiterung der Immunität für Parlamentarier zurückgewiesen. Gegen dieses Gesetz und gegen den Amnestievorschlag für die Teilnehmenden am versuchten Staatsstreich vom 8. Januar 2023 sind am letzten Wochenende Hunderttausende Brasilianer im ganzen Land auf die Straße gegangen.
Die Initiative aus der Abgeordnetenkammer beinhaltete, dass zur Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Parlaments eine geheime Abstimmung der Mitglieder stattfinden sollte. Dadurch könnte sich das Parlament, laut Kritikern, selbst schützen. Nach aktueller Regelung kann der Oberste Gerichtshof Ermittlungen aufnehmen und muss das Parlament darüber lediglich informieren.
Diese neue Regelung beträfe zwar nicht mehr Expräsident Jair Bolsonaro, der wegen seiner Beteiligung am missglückten Staatsstreich jüngst zu 27 Jahren Haft verurteilt wurde. Der Vorschlag kommt jedoch aus demselben Umfeld, das auch die Gesetzesvorlage für seine Amnestie eingebracht hatte, die die untere Kammer bereits mit einer deutlichen Mehrheit von 311 gegen 163 verabschiedet hatte. Es würde sich jedoch auf die offenen Prozesse gegen zahlreiche Abgeordnete der Partei Bolsonaros auswirken, darunter seinen Sohn Eduardo, der am letzten Montag wegen Nötigung der Justiz angeklagt wurde. Eduardo Bolsonaro befindet sich derzeit in den USA im Exil und hat von dort aus Drohungen gegen die brasilianischen Richter und Staatsanwälte getätigt.
Eduardo Bolsonaro unterstützte offen die Zwangsmaßnahmen der US-Regierung in Form von Strafzöllen und Embargo-Maßnahmen gegen Einzelpersonen. Betroffen sind Richter des brasilianischen Obersten Gerichtshofs und sogar gegen die Ehefrau des Richters Alexandre de Moraes. Eduardo Bolsonaro verfolgt damit das Ziel, die Amnestie für seinen Vater und auch für sich selbst zu erlangen.
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Der Druck der USA zugunsten des Expräsidenten könnte sich jedoch gegenteilig ausgewirkt haben und trotz wirtschaftlicher Einbußen die Position der Regierung Lula da Silvas intern gestärkt haben. Dessen Umfragewerte sind in den letzten Monaten jedenfalls gestiegen (amerika21 berichtete).
Präsident da Silva war am Wochenende in New York bei der UN-Vollversammlung und traf sich dort kurz mit Trump. Das Treffen war, trotz der vorangegangenen Spannungen, positiver als erwartet. Derzeit wird über ein geplantes längeres Treffen der beiden Präsidenten gesprochen, das demnächst in Rom oder Kuala Lumpur stattfinden könnte. Dabei wird erwartet, dass über die Reduzierung der Strafzölle, vor allem auf Kaffee, verhandelt wird. Eine Amnestie für Bolsonaro hatte Lula jedoch bereits zurückgewiesen und auch angekündigt, gegen das Gesetz sein Veto einzulegen, sollte es wider Erwarten durch den Senat kommen.
Aus der Zurückweisung des Gesetzes durch den Senat lesen die Kommentatoren auch dessen Bereitschaft, der Stimme der Öffentlichkeit Gehör zu schenken und sich nicht vor den Parteigängern Bolsonaros im Parlament zu beugen. Gegenüber den massiven Protesten vom Wochenende hatte auch die Initiative zur Amnestie stark an Gewicht verloren. Inzwischen kursiert mit dem Lei de Dosimetria eine weniger umfangreiche Variante, die lediglich zu einer erheblichen Reduzierung der Strafen der Teilnehmenden führen sollte. Bolsonaro hat jedoch Abgeordneten seiner Partei die weiteren Verhandlungen untersagt und besteht auf einer vollen Amnestie, da alles andere das Ende seiner politischen Ambitionen bedeuten würde.

