Guatemala-Stadt. Nach ereignisreichen Wochen in Guatemala mit verschiedenen Angriffen auf den Präsidenten und Minister kann die Regierung zwei Erfolge verbuchen. Am Dienstag wählte der Kongress seinen neuen Vorstand für die Jahre 2026 und 2027. Dabei konnten sich "Regierungspartei und Verbündete durchsetzen", schrieb die Zeitung La Hora. Als Präsident wurde Luis Contreras von der Partei Creo gewählt, in dem neunköpfigen Gremium sind insgesamt acht Parteien vertreten. Diese stehen meist in der politischen Mitte und rechts. Das klassische "links-rechts" Schema ist in Guatemala allerdings aus Sicht vieler Menschen wenig aussagekräftig. Entscheidender ist für viele, dass Parteien, die zum sogenannten "Pakt der Korrupten" gezählt werden, nicht vertreten sind.
Auch Abgeordnete der Partei Semilla sind nicht im Vorstand, da diese durch die Suspendierung der Partei nur als "Unabhängige" geführt werden und dem Gremium nicht angehören dürfen. Offenbar wurden die Weichen für die Abstimmung bereits am Vortag getroffen. Medien berichteten über ein Treffen diverser Abgeordneter, unter ihnen auch Vertreter von Semilla, im Salon eines Hotels in der Zone 10 der Hauptstadt. Vor dem Kongress hatten am Dienstag zahlreiche Menschen stundenlang gegen den Pakt der Korrupten demonstriert.
Die Wahl des Parlamentsvorstands fällt in die entscheidende Phase der Regierungszeit von Präsident Bernardo Arévalo. Im nächsten Jahr finden verschiedene Neuwahlen im Justizsystem statt, die den "Pakt der Korrupten" schwächen können und daher mit Spannung erwartet werden. Unter diesem Pakt wird in Guatemala die Allianz aus korrupten Parteien, Teilen der Unternehmerschaft und der organisierten Kriminalität verstanden, verbunden mit ultrarechten Organisationen wie der Stiftung gegen den Terrorismus. Der Pakt kontrolliert die Generalstaatsanwaltschaft und weitere Justizorgane.
In der vergangenen Woche gab es Gerüchte, dass die Parteien Vamos, UNE, Todos, Nosotros und Elefante, die im Kongress am ehesten zum Pakt gezählt werden, versuchen würden, mit Einfluss auf die Fraktionen Valor und Cabal ihre eigenen Kandidaten durchzusetzen und den Kongress in den folgenden zwei Jahren zu kontrollieren. Zentral sollen daran die Abgeordneten Álvaro Arzú, Allan Rodríguez und Felipe Alejos beteiligt gewesen sein.
Brisant wurden die Vorgänge durch ein Video, das Roberto Arzú, der Bruder von Álvaro, am Montagabend veröffentlichte. Der konservative Roberto Arzú steht in klarer Opposition zum Pakt der Korrupten und wurde 2023 bei den Wahlen ausgeschlossen. Vergangene Woche wurden gegen ihn Vorwürfe von angeblichen Kontakten zur organisierten Kriminalität erhoben. Beobachter sehen darin auch den Versuch, den beliebten Politiker auch 2027 von den Wahlen auszuschließen.
Roberto Arzú bezichtigte in dem Video seinen Bruder sowie Rodríguez und Alejos, ihn zur Unterstützung eines neuen Kongressvorstandes mit Vertretern des "Paktes" und zu weiteren "Geschäften" mit dem Pakt der Korrupten zu bewegen und dafür alle juristischen Vorwürfe gegen ihn einzustellen. "Niemals werde ich das Volk von Guatemala verraten", erwiderte Roberto Arzú. Seine Antwort sei daher auch öffentlich, hieß es in der Videobotschaft. Die Wahl am Dienstag kommentierte der Politiker, dies sei das "prinzipielle Ende von Jahren der Dunkelheit".
Bereits Ende Oktober hatte sich die Regierung eines erneuten juristischen Angriffes erwehren müssen. Am 25. Oktober hatte Richter Fredy Orellana die absolute Nichtigkeit (nulidad absoluto) der Partei Semilla verfügt. Diese hätten weitreichende Konsequenzen haben können, da die "absolute Nichtigkeit im Zivilsystem die Ungültigkeit einer Handlung oder eines Rechtsgeschäftes und deren vollständige Aufhebung bezweckt", was bedeuten könnte, dass das Resultat der Wahlen für ungültig erklärt wird, hieß es damals in den Medien. Auch hier entschied das Verfassungsgericht am vergangenen Mittwoch für die Regierung, die Wahl von Arévalo, der Abgeordneten, Bürgermeister und Gemeinderäte von Semilla sei nicht anfechtbar.
Dabei hatte es im Oktober zunächst schlecht für die Regierung ausgesehen. Nach der Flucht von 20 Kriminellen der Bande Barrio 18 (amerika21 berichtete) musste der Innenminister zurücktreten und konnte einem drohenden Haftbefehl nur durch Flucht außer Landes entgehen. Danach stand die Regierung wegen des Diebstahls größerer Mengen von Waffen und Munition aus einem Luftwaffenstützpunkt im Petén unter Druck. Die ersten öffentlichen Angriffe in dieser Sache kamen von der Stiftung gegen den Terrorismus, die als zentrale Institution im Pakt der Korrupten gilt.
Die zweite Attacke von Seiten der Staatsanwaltschaft zielte auf Gesundheitsminister Joaquín Barnoya ab. Dieser hatte mit Beginn seiner Amtszeit den Kauf von günstigeren Medikamenten bei der Oficina de las Naciones Unidas de Servicios para Proyectos (UNOPS) angekündigt. Dies sollte der chronischen Unterversorgung mit Medikamenten im öffentlichen Gesundheitssystem entgegentreten. Offenbar mit Erfolg, denn die Versorgung mit Medikamenten soll sich seitdem verbessert haben.
Vom Pakt der Korrupten wird diese Maßnahme aber bekämpft. Richter Guillermo Luna von der Neunten Strafkammer ordnete auf Antrag der Staatsanwaltschaft vergangene Woche die Suspendierung der Zahlungen an die UNOPS an. Außerdem wurden 35 Prozent des Gehalts von Barnoya gepfändet, wegen angeblich dem guatemaltekischen Staat durch den Einkauf der Medikamente entstandener Schäden.


