Die "natürliche" Präsenz der US-Streitkräfte in Lateinamerika

Die USA unterhalten ein enges Netz strategischer Partner in der Region. Ein Ende der milliardenschweren Militärpolitik ist nicht zu erwarten

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Der US-Flugzeugträger USS George Washington in der Magellanstraße zwischen dem südamerikanischen Festland und der Insel Feuerland
Der US-Flugzeugträger USS George Washington in der Magellanstraße zwischen dem südamerikanischen Festland und der Insel Feuerland

Das Vokabular von Freiheit, Demokratie, diplomatischer Annäherung und freundschaftlicher Beziehungen zu Lateinamerika, das kennzeichnend für die "Soft Power" in der Außenpolitik der Obama-Regierung ist, stößt, wenn es um "Ordnung" und "Stabilität" geht, an seine Grenzen. Dies sind die üblichen Chiffren für die Durchsetzung der Doktrin der Nationalen Sicherheit in Lateinamerika.

Zurzeit sind US-Streitkräfte in mehr als siebzig Militärstützpunkten Lateinamerikas präsent. Sie sind ferner eingebunden in diverse multi- und bilaterale Sicherheitsabkommen: Plan Columbia1, Regionale Anden-Initiative, Merida-Initiative2, Regionale Sicherheitsinitiative Zentralamerika und anderes mehr. Zu diesen Abkommen gehören Trainings- und Qualifizierungsprogramme, Verkauf von Waffen und Ausrüstung. Akteure sind Herstellerfirmen dieser Materialien, US-Sicherheitsagenturen wie DEA und FBI, ferner Regierungen, Unternehmen und Polizeien der Länder Lateinamerikas3.

Die Rechtfertigung dieser Präsenz ist die "Sicherheit der alliierten Regierungen", die per Definition Sicherheit und "Stabilität" in Gegenden bringen soll, die eine Bedrohung für die USA sein könnten. In Trainingshandbüchern aus den späten Sechzigern ist der Zusammenhang klar benannt: "Ein Mangel an politischer Stabilität und sozialer und wirtschaftlicher Ordnung in einem lateinamerikanischem Land birgt Gefahren für die nordamerikanische nationale Sicherheit. Als Konsequenz sollten die USA bei ihren Trainings- und Militärhilfeprogrammen derartige Instabilitäten mittels wirtschaftlicher Entwicklung und Durchsetzung von Ordnung zu vermeiden suchen“4.

Solche Phrasen wie "Suche nach Stabilität" sind Teil einer Sprache, die in der Region seit den Anfängen des Kalten Krieges bekannt sind, und die stets als Rechtfertigung für die Interventionspolitik zu Lasten der nationalen Souveränität der Länder diente. Auf der aktuellen Webpräsenz des US-amerikanischen Südkommandos (United States Southern Command) wird als Ziel der UNITAS-Manöver Southern Seas 2015 die "fortdauernde Verantwortung für die Region, die Führung und den Ausbau der gemeinsamen Arbeit und die Festigung der Stabilität des Kontinents" aufgeführt. Es versteht sich, dass diese gemeinsame Arbeit im Verein mit Ländern und Regierungen stattfindet, die, wie Peru, Chile, Kolumbien und Panama, sich an den politisch-ökonomischen und sicherheitsrelevanten Washingtoner Vorgaben orientieren. Die Trainingsbeihilfen reichen bis nach Brasilien: UNITAS gibt dem Militär dieses Landes Anleitung bei der elektronischen Kriegsführung, beim Luft- und Unterseekrieg, bei Absicherungsmaßnahmen, auch gemeinsame Übungen gehören dazu5.

Allgemeiner gesagt macht es sich das Südkommando zur Aufgabe, befreundeten Nationen mit Trainingskursen, gegenseitiger "Teilhabe an Informationen", ferner mit personeller und technischer Unterstützung und Hilfe bei der Infrastruktur beizustehen (wobei zu beachten ist, dass dies insbesondere US-Firmen aus dem Sicherheitsbereich zu Gute kommt). Darüber hinaus gibt es besondere Unterstützung bei Geheimdiensttätigkeiten und der Bekämpfung von Drogenhandel und Terrorismus, wobei stets "die Menschenrechte respektiert werden"6. Es ist erstaunlich, wie wenig von alldem in die öffentliche Diskussion gelangt. Es scheint so, als sei die Anwesenheit kooperierender Militärkräfte ein "natürlicher" Teil der Souveränität der Staaten dieser Region, und das trotz der wieder lebendig gewordenen Erinnerung an vergangene Zeiten von Widerstandsbekämpfung (Counterinsurgency), des gewaltsamen Verschwindenlassens, Paramilitarismus etc. der Fünfziger bis Ende der Achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Zu Zeiten des Kalten Krieges war bei der Ausbildung lateinamerikanischer Militärs auf US-Militärakademien stets betont worden, dass es sich um rein technisches Training mit keinerlei "politisch-ideologischer” Bedeutung handele. Genau diese Behauptung hatte sich als falsch erwiesen bei dem, was dann in Chile und später in Argentinien passierte, wo Militär die bis dahin politische Bühne in Beschlag nahm.

Derzeit beunruhigen Meldungen wie die folgenden: "Kolumbianische Unteroffiziere bekommen in den Vereinigten Staaten Lektionen in Führungstechnik (...) erhalten zehn Tage lang Instruktionen in kooperativer Führung, Konfliktlösung, Organisationstechnik und emotionalem Training im Militärstützpunkt Fort Sam Houston, San Antonio Texas, durch Personal der US-Südkommandotruppen"7.

Einige Zahlen zeigen den Grad der Abhängigkeit lateinamerikanischer Streitkräfte. Im Jahre 2014 summierte sich der Verkauf von US-Waffen nach Lateinamerika und in die Karibik auf 1,6 Milliarden US-Dollar, in 2012 waren es 2,4 Milliarden US-Dollar. Im Jahr 2013 erhielten 12.157 lateinamerikanische Militärs militärische Ausbildung, 2014 waren es 14.6008.

Die "Standardisierung der Streitkräfte" gemäß US-Vorstellungen bleibt eine Konstante seit Beginn des Kalten Krieges bis in die heutige Zeit. Der zu bekämpfende innere und äußere Feind wechselt den Namen, aber immer dient er als Rechtfertigung für ein kontinentales Sicherheitskorsett, das hinreichende Stabilität zum Geschäftemachen garantieren soll – dazu zühlen legale, illegale, lokale und transnationale Geschäfte. Daher werden wir vom "Imperium" (den USA, d. Red,) niemals hören, dass diese Politik beendet wird. Es wird lediglich von "strategischen Neujustierungen" die  Rede sein.

Silvina M. Romano arbeitet am Instituto de Estudios de América Latina y el Caribe in Argentinien