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Ecuador: Suche nach den Hintermännern

Nach dem Putschversuch kehrt das Land zur Normalität zurück. Für amerika21.de berichtet Navid Thürauf von der Lage in Ecuador

Nach dem Putschversuch gegen die demokratisch gewählte Regierung des ecuadorianischen Präsidenten Rafael Correa und dessen Festsetzung im Polizeikrankenhaus der Hauptstadt Quito ziehen die Medien Bilanz. Die Rede ist von über 100 Verletzten und mindestens einem toten Polizisten. Nach unbestätigten Angaben soll es bis zu vier Tote gegeben haben.

Der Ausnahmezustand für Ecuador wurde zunächst für vier Tage verlängert. Militärfahrzeuge patrouillierten durch Quito, während die Policia Metropolitana, die Hauptstadtpolizei, eine Einheit ohne Schusswaffen, den Verkehr regelt. Teil des Ausnahmezustandes war ein schulfreier Tag bei gleichzeitigem Versammlungsverbot. Noch sind nicht wieder alle Fernsehkanäle auf Sendung. Die meisten Menschen gehen ihren täglichen Besorgungen und Arbeit nach, auch wenn noch nicht wieder alle Rollläden der Geschäfte aufgezogen wurden.

Die erste Meldung blieb am Ende der Woche der Rücktritt des Generalkommandanten der Polizei, Freddy Martínez. "Ein Kommandant kann ohne den notwendigen Respekt nicht weiter an vorderster Linie stehen", kommentierte dieser seinen Rücktritt. "Gestern war ein bedauernswerter, kritischer und chaotischer Tag. Allerorten herrschte Regellosigkeit, man respektierte weder den Generalkommandanten (der Polizei) noch den Innenminister. Und als wäre das nicht genug: Nicht einmal dem Präsidenten der Republik wurde Respekt entgegengebracht. Die Polizisten, die eigentlich berufen sind, die Ordnung aufrecht zu erhalten, provozierten Verwirrung und Regellosigkeit", zitiert die Zeitung El Telégrafo Martínez. In einer Pressekonferenz sprach der zurückgetretene Polizeichef von "Infiltration" und dem "Missbrauch berechtigter Proteste" der Polizisten gegen das am Mittwoch im Parlament verabschiedete Gesetz zur Neuordnung des öffentlichen Dienstes (Ley Orgánica de Servicio Público). Er forderte die Regierung Correa auf, das Gesetz zurück zu nehmen. Martínez betonte, dass nur eine Minderheit der 40.000 Polizisten des Landes an den Protesten beteiligt gewesen sei. Seine Kollegen bat er um Wiederaufnahme der Arbeit. Es müsse nun Ruhe im Land einkehren.

Als offizielle Begründung hatten zahlreiche Polizisten in Interviews während der Straßensperren am Donnerstag die durch das Gesetz zu erwartenden Kürzungen unter anderem bei der Polizei angeben. Ihre Boni, etwa eine Art dreizehntes Monatsgehalt, oder Zuschläge für Spielzeug ihrer Kinder seien gekürzt worden.

Auch wenn es formal um den Wegfall von zahlreichen Privilegien geht, behandelt das Gesetz mehr als nur den Bereich der Polizei. Der gesamte öffentliche Sektor soll reformiert werden. Im Falle der Polizei sollen die gekürzten Zuschläge in einen neu zu schaffenden Fond zur Modernisierung des Polizeiapparates einfließen. Dies alles findet vor dem Hintergrund statt, dass in den letzten Monaten einerseits das Einkommen der Polizei stark erhöht und neue Ausrüstung angeschafft wurde. Auch wurde der Fuhrpark erneuert.

Angesichts dieser Lage waren schon zu Beginn des versuchten Umsturzes die genannten Erklärungen der Protestierenden wenig nachvollziehbar. Die Reaktion der Bevölkerung an den Straßenblockaden war entsprechend deutlich. Die Polizei sollten lieber arbeiten gehen, hieß es dort, sie hätten am wenigsten Grund zu protestieren.

Dabei gibt die Debatte über das Gesetz weniger Auskunft darüber, gegen was hier protestiert wurde. Aufschlussreicher waren Details wie die Losungen auf den Transparenten. "Fuera la cúpula" (Weg mit der Führungsspitze), hieß seitens des Oberkommandos der Polizei. Vor wenigen Monaten ist die Führungsspitze der Polizei ausgetauscht worden. Auch hier ist zu vermuten, dass ein politischer Konflikt und Fragen der Loyalität in Hintergrund stehen. Immerhin handelt es sich um eine bewaffnete Berufssparte.

Auch die gut organisierte Besetzung des Flughäfens in Quito durch die Luftwaffe wirft Fragen auf und lässt eine Zusammenarbeit von Teilen des Militärs und Teilen der Polizei vermuten. Als offenes Geheimnis gilt hier, dass sowohl die Luftwaffe als auch die Marine über die Präsidentschaft des linksgerichteten Rafael Correa nicht gerade glücklich sind. Als regierungstreu gelten lediglich die "Fuerzas terrestes", das Heer.

Schon in der nationalen Ansprache Rafael Correas nach seiner Befreiung durch die "Grupos Operativos Especiales" (GOE), Polizeispezialeinheiten zur Geiselbefreiung, legte sich Correa politisch auf die Gebrüder Lucio und Hilmar Gutiérrez fest, die der Rechtspartei Sociadad Patriótica angehören. Sie stünden hinter der Konspiration. Auch wenn es politisch für Correa durchaus von Bedeutung ist, die alte Machtclique um den 2005 gestürzten Ex-Präsidenten Lucio Gutiérrez anzugehen, damit dieser als potentieller Präsidentschaftsgegenkandidat in Zukunft verbrannt ist, so ist nicht von der Hand zu weisen, dass der Militär a.D. Gutiérrez nach wie vor über Einfluss in Teilen der Armee verfügt.

Die Medien sprechen nun in Ecuador von "Teilen des Militärs und der Polizei", die in den Putschversuch verwickelt waren. Politisch haben die meisten Redaktionen die Vorlage Correas aufgegriffen und schießen verbal gegen die Gutiérrez-Brüder.