Paramilitarismus in Kolumbien – Der illegale bewaffnete Arm der Eliten und des Kapitals

Der Paramilitarismus ist ein strategisches Projekt und ein integraler Bestandteil des Staates

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Paramilitärische Strukturen bestehen weiter fort und werden als Instrument des schmutzigen Krieges und der Vernichtung der Opposition wiederbelebt
Paramilitärische Strukturen bestehen weiter fort und werden als Instrument des schmutzigen Krieges und der Vernichtung der Opposition wiederbelebt

1. Einführung

Die Paramilitärs in Kolumbien sind der bewaffnete Arm der Eliten, der von allen staatlichen Behörden, auf sämtlichen Verwaltungsebenen und in allen sozialen Schichten unterstützt wird oder damit verwoben ist1. Sie wurden mithilfe der kolumbianischen Armee, mehrerer kolumbianischer und US-amerikanischer Geheimdienste und von Söldnern gebildet. Der Paramilitarismus ist ein strategisches Projekt und ein integraler Bestandteil des Staates. Die Paramilitärs spielen eine zentrale Rolle bei der Durchsetzung eines kapitalistischen neoliberalen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodells mit enormen Verdienstspannen. Diese sind auf die Intensivierung des Krieges und des Paramilitarismus zurückzuführen. Präsident Álvaro Uribe Vélez (2002-2010) verstärkte den von der vorhergehenden Regierung eingeschlagenen neoliberalen Kurs weiter und privatisierte die Staatsunternehmen in den Bereichen Telekommunikation, Elektrizität, Soziale Sicherung und Teile des Erdölsektors. Uribe militarisierte zudem die Anlagen und ließ mehrere Gewerkschaftsführer festnehmen, die er des Terrorismus bezichtigte. Daraufhin erklärte er mehrere Regionen zu militärischen Sonderzonen, in denen die Verfassung außer Kraft gesetzt wurde. Es handelte sich dabei ausschließlich um Regionen, in denen sich die Bevölkerung den Interessen und Plänen von transnationalen Konzernen entgegenstellt. Die physische Vernichtung der Opposition, ob politischer, gesellschaftlicher, kultureller oder ethnischer Art, sichert in Kolumbien die Gewinne. Kolumbien hat weltweit die höchste Anzahl an ermordeten Gewerkschaftern. Dadurch bleiben die Löhne wettbewerbsfähig. Kolumbien ist eines der Länder in Lateinamerika, in denen die Ungleichheit am stärksten ausgeprägt ist. Die Profite der Agrarindustrie, im Bergbau, der Raub der Artenvielfalt usw. werden durch die Vertreibung von über fünf Millionen Menschen sichergestellt. Der Paramilitarismus hat sich insbesondere zum Ziel gesetzt, das Modell der Exportlandwirtschaft durchzusetzen und sicherzustellen, dass der Zugang zum Abbau der Bodenschätze, insbesondere im Bergbau, gewährleistet wird (Ó Loingsigh, 2002). Der Terror der Paramilitärs und der Bedarf der Drogenunternehmer an Geldwäsche, nach der Öffnung der Märkte, haben die exportorientierte Agroindustrie gefördert. In den vergangenen 35 Jahren wurde eine regelrechte landwirtschaftliche Gegenreform vollzogen, im Zuge derer Millionen Bauern ihrer Ländereien beraubt wurden. Großgrundbesitzer und Paramilitärs eigneten sich über sechs Millionen Hektar Land an. Schätzungen des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung zufolge haben Drogenunternehmer 44.000 Quadratkilometer Land geraubt, was annähernd 40 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche Kolumbiens entspricht. Es kommt regelmäßig vor, dass die lokale Bevölkerung aus Regionen vertrieben wird, in denen Großprojekte in Planung sind. Dadurch werden die Arbeiten erleichtert, außerdem wird aus den geraubten Nutzflächen durch Spekulation enorm Profit geschlagen. Die Familie Castaño beispielsweise hat sich rund 1,2 Millionen Hektar Land angeeignet. Der zwischen 2004 und 2006 nach dem "Gesetz über Gerechtigkeit und Frieden" vorangetriebene Prozess einer angeblichen Demobilisierung der Paramilitärs war wenig transparent, für viele grausame Verbrechen waren lediglich milde Strafen vorgesehen und die Sicherung einer territorialen politischen Kontrolle des Paramilitarismus wurde erleichtert. Zugleich sind weiterhin immer noch Tausende bewaffnete Paramilitärs unter einem neuen Namen aktiv.

2. Der Vernichtungskrieg des Paramilitarismus

Die Bildung von paramilitärischen Gruppen nach der gegenwärtigen paramilitärischen Strategie geht auf 1981 zurück. In den neunziger Jahren gelingt es der Mehrheit der Gruppen sich auf nationaler Ebene zentralisiert als Vereinigte Bürgerwehren Kolumbiens (Autodefensas Unidas de Colombia, AUC) zu organisieren. Zu Beginn ihrer vermeintlichen Demobilisierung 2003 zählten diese rund 13.500 Mitglieder2.Nach Abschluss des Prozesses der Demobilisierung 2006 waren angeblich 31.671 Mitglieder demobilisiert worden – beinahe die dreifache Anzahl – und es waren noch Tausende Paramilitärs aktiv. Dies war selbst nach weiteren Demobilisierungen in den darauf folgenden Jahren der Fall.

Der Paramilitarismus wird größtenteils durch den Drogenhandel finanziert. Die Paramilitärs haben das Drogengeschäft größtenteils übernommen, kontrollieren die wichtigsten Routen des Drogenhandels, die Geldwäsche und damit 70 Prozent der Drogenausfuhren. Weitere Finanzierungsquellen sind Schmuggel, Erpressung und Zahlungen von Unternehmen, damit die Paramilitärs als deren bewaffneter Arm tätig sind.

Das Hauptziel der Paramilitärs ist die physische Zerstörung jeglicher Opposition. So verlor die Unión Patriótica (ein unter der Beteiligung der kolumbianischen Kommunistischen Partei gegründetes sozialistisches Wählerbündnis) innerhalb von fast 13 Jahren rund 4 000 Mitglieder, die durch die Paramilitärs ermordet worden waren. Die Paramilitärs vermeiden direkte Kämpfe mit der Guerilla. Ihre Angriffe gelten insbesondere unbewaffneten Zivilisten, Bauern, Gewerkschaftern, Menschenrechtsaktivisten, Mitgliedern von linksgerichteten Parteien und Organisationen sowie allen Initiativen zur Selbstverwaltung. Unter dem bezeichnenden Begriff der "gesellschaftlichen Säuberung" werden darüber hinaus unter anderem Kleinkriminelle, Arme, Straßenkinder, Homosexuelle, Prostituierte und Straßenkünstler attackiert. Um Angst und Schrecken zu verbreiten gehen die Paramilitärs mit äußerster Gewalt vor, foltern ihre Opfer und vierteilen sie häufig lebend mit Motorsägen. Zugleich zwingen sie die restliche Gemeinde diese Brutalitäten mitanzusehen und verbieten ihnen unter Todesdrohung die Getöteten zu begraben (Azzellini 2009b).

Die Paramilitärs verwenden sexuelle Gewalt als Kriegswaffe. Die Comisión de Justicia y Paz (Kommission "Gerechtigkeit und Frieden") hat sexuelle Gewaltverbrechen in sämtlichen paramilitärischen Gruppierungen nachgewiesen. Die Paramilitärs halten sich sogar Sexsklavinnen, bei denen es sich um 14-jährige Mädchen handeln kann3. Im Norden des Departamento Santander und im Departamento Antioquia, wo Uribe regierte, konnten die Paramilitärs gar Krematorien errichten, um die enorme Anzahl an Leichen systematisch zu beseitigen. Bisher wurden zwei große Krematorien ausfindig gemacht. Ein ehemaliger Paramilitär erklärte: „Die Körper zahlreicher Getöteten wurden nie gefunden, weil es hier in der Umgebung von Medellín, eine Stunde entfernt, Krematorien gab. Viele Menschen wurden verbrannt. Ich habe es selbst gesehen (…). Der Verbrennungsofen wurde von einem Mann bedient, der "Bestattungsinstitut“ genannt wurde (…). Zwei Männer warteten die Feuerroste und die Kamine, weil sie ständig von menschlichem Fett verstopft waren"4.

In den Gerichtsprozessen, die der Demobilisierung folgten, gestanden die Paramilitärs bis Ende 2012 Verbrechen mit einer Anzahl von insgesamt 51.906 Ermordeten5. Einem Bericht der Generalstaatsanwaltschaft zufolge wurden bis zum 31. Dezember 2010 "neben anderen Verbrechen 1.614 Massaker, 173.618 Morde, 3.557 Rekrutierungen von Minderjährigen, 34.740 Fälle von Verschwindenlassen, 77.180 Fälle von erzwungenen Vertreibungen und 3.611 Entführungen nachgewiesen", die dem Paramilitarismus zuzuschreiben sind (Procuraduría 2011: 128). Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch Menschenrechtsorganisationen schätzen, dass die Anzahl der durch die Paramilitärs Ermordeten höchstwahrscheinlich über 300.000 liegt.

Die Bildung der Paramilitärs und die Auslagerung des schmutzigen Krieges haben der Regierung entscheidende Vorteile verschafft. Da die Paramilitärs als nichtstaatliche Akteure gelten, trat Kolumbien als Staat auf, der von vielen Seiten bedroht wurde, sozusagen als eine neutrale Macht, die sowohl von links als auch von rechts unter Druck stand. So ist Kolumbien eine international anerkannte Demokratie, obwohl hinter der Fassade ein paramilitärischer Staat steht, in dem jährlich mehr Menschen ermordet werden, als in anderen Ländern Lateinamerikas während der Militärdiktaturen. Die Kulisse der Gewalt nützt der Regierung auch innenpolitisch. Die Existenz von unzähligen bewaffneten Akteuren, die scheinbar schwer voneinander zu unterscheiden sind, und die extreme Gewalt haben zu einer Entpolitisierung geführt, die in einigen Bereichen in einer offenen rechten Tendenz zum Ausdruck kommt. Es zählt einzig der Frieden, egal um welchen Preis. Auch aus diesem Grund wurde Uribe über lange Zeit unterstützt.

Der Paramilitarismus hatte auch den Zweck, das Image der Armee zu verbessern. Vor dem massiven Ausbau des Paramilitarismus waren die Armee und die Polizei für den weitaus größten Teil der Menschenrechtsverletzungen verantwortlich. Seit Ende der achtziger Jahre waren dann 70 Prozent der Menschenrechtsverletzungen dem Paramilitarismus zuzuordnen. So bekam die Armee wieder Zugang zu internationaler militärischer Unterstützung, die zuvor umstritten war. Und das obwohl aktive Mitglieder der Armee direkt in paramilitärischen Blöcken mitwirken. Nach einem Angriff auf fünf Camps von Paramilitärs im südlichen Bolívar im Jahre 2001 veröffentlichten die Guerillabewegungen FARC (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia - Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens) und ELN (Ejército de Liberación Nacional - Nationale Befreiungsarmee) mehrere Ausweispapiere von Berufssoldaten, die unter getöteten Paramilitärs gefunden worden waren6.

3. Der bewaffnete Arm der Eliten

Die Aufgabe der Paramilitärs besteht darin, die Interessen der Oligarchen, der Armeeangehörigen, der Regierung, des Drogenhandels und transnationaler Konzerne durchzusetzen. Ohne deren Schutz würde der Paramilitarismus nicht existieren. Sie verfügen über kein politisches Programm außer dem Schutz der bestehenden Machtstrukturen und der Interessen der Privatwirtschaft. Oder, wie es der frühere paramilitärische Anführer Carlos Castaño im Jahre 2003 ausdrückte: "Wir achten das Privateigentum, wir achten ausländische Investitionen, wir achten die nationale Wirtschaft"7.

Dass kolumbianische Unternehmer und transnationale Konzerne paramilitärische Gruppierungen nutzen ist in Kolumbien gang und gäbe. Einem Bericht des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) zufolge wurden in Kolumbien zwischen 1984 und Februar 2012 rund 2 888 Gewerkschafter ermordet (darunter 59 unter der Regierung Santos) und es wurden 216 Fälle von Verschwindenlassen gezählt. 94,4 Prozent dieser Verbrechen sind ungesühnt geblieben8.

Der paramilitärische Anführer Carlos Castaño gab in der Vergangenheit offen zu: "Wir ermorden Gewerkschafter, weil sie die Leute an der Arbeit hindern". Iván Duque alias Ernesto Báez, ein inhaftierter früherer Sprecher der Paramilitärs, erklärte Anfang 2007: "Es war logisch, dass die Unternehmen die Paramilitärs unterstützten, da wir die Privatunternehmen achteten. Außerdem stimmten deren Vorstellungen über den Nutzen des freien Marktes mit denen der Paramilitärs überein"9.

Nach Angaben des paramilitärischen Anführers Salvatore Mancuso gegenüber der kolumbianischen Staatsanwaltschaft erfolgten Zahlungen von beinahe allen großen Unternehmen, insbesondere den transnationalen Unternehmen, an die Paramilitärs. Neben Chiquita waren das auch die Dole Food Company10 und Fresh del Monte11. Des Weiteren zahlten das Unternehmen Postobón (Gruppe Ardila Lule aus Kolumbien, die annähernd vollständig den Markt für nichtalkoholische Getränke in Kolumbien kontrolliert), die Brauerei Bavaria (nach Aussage von Mancuso "wussten die Geschäftsführer von Bavaria von diesen Zahlungen, da die lokalen Händler Hilfe forderten"). Die Kohle-Unternehmen und die Kohle-Transportunternehmen zahlten über 70.000 US-Dollar im Monat an die Paramilitärs. Der Generalstaatsanwalt Mario Iguarán erklärte, dass diese "nicht für Sicherheit bezahlten, sondern für Blut"12.

Der erste bekannte Fall einer Zusammenarbeit von Konzernen mit dem Paramilitarismus war die Anbindung des Erdölkonzerns Texaco an die Organisation von paramilitärischen Gruppierungen in der Region von Puerto Boyacá seit 1983. Außerdem beteiligt waren lokale politische Amtsträger, einige Unternehmer aus Magdalena Medio, Drogenhändler aus Medellín und US-amerikanische Agenten.

Im Oktober 1998 erließ das Europäische Parlament eine Erklärung, in der die Finanzierung von Todesschwadronen vonseiten von BP verurteilt wurde. Die Gewerkschaft USO, deren Mitglieder regelmäßig Ziel von Mordanschlägen der Paramilitärs und von juristischen Anklagen werden, macht weiterhin auf gegen sie gerichtete Spionageaktivitäten aufmerksam. Auch der spanische Erdölkonzern Repsol in Arauca wurde beschuldigt, Beziehungen zum Paramilitarismus zu unterhalten13.

Die gleiche Anschuldigung wurde gegen Drummond Coal erhoben, einen der größten Kohle-Unternehmen in Kolumbien14. Dem multinationalen Konzern aus den USA wird vorgeworfen, "den Paramilitärs der AUC (Vereinigte Bürgerwehren Kolumbiens) Gelder, Lebensmittel, Kraftstoff, Waffen und Ländereien für Camps beschafft zu haben. Im Gegenzug übt die AUC äußerste Gewalt aus, foltert und ermordet Gewerkschafter, um zu verhindern, dass sie in diesen Unternehmen aktiv werden"15. Am 14. April 2003 wurde eine von der International Labour Rights Foundation im Namen der Gewerkschaft der Minenarbeiter und von Angehörigen von drei Ermordeten bei einem Arbeitsgericht in Alabama eingereichte Klage zugelassen. Das Gericht bezeichnete die Paramilitärs als "staatliche Akteure" 16. Im Juli 2008 wurde der Konzern jedoch von Geschworenen freigesprochen.

Seit Beginn der neunziger Jahre beschuldigten die Gewerkschaften das Schweizer transnationale Unternehmen Nestlé Paramilitärs damit beauftragt zu haben, ihre Vertreter bei Tarifverhandlungen angegriffen und ermordet zu haben. Coca Cola pflegt ebenfalls enge Beziehungen zu Paramilitärs, die sogar auf dem Konzerngelände offen aktiv waren und Gewerkschaften unter Todesdrohungen aufgelöst und Gewerkschafter ermordet haben (siehe unten). Außerdem haben Großgrundbesitzer Paramilitärs genutzt, um gegen Landarbeiter vorzugehen und um sich Ländereien anzueignen, indem diese vertrieben und beraubt wurden.

Auch Gewerkschaften von Angestellten des öffentlichen Sektors sind Ziel der Paramilitärs. In den Universitäten des Landes genügte es den Paramilitärs nicht, Gewerkschafter anzugreifen. Sie wollten die Universitäten unter ihre Kontrolle bringen, indem sie Studierende, Dozenten und Angestellte attackierten. Die paramilitärischen Anführer Salvatore Mancuso und Carlos Castaño drängten persönlich mehrere Universitätsrektoren zur Zusammenarbeit, unter anderem den früheren Rektor der Universität Córdoba, Víctor Hugo Hernández Pérez. Hernández Pérez wurde zu 35 Jahren Haft verurteilt, da er einen Hinterhalt gelegt hatte, damit die Paramilitärs im Jahr 2000 den Dozenten Hogo Alfonso Iguarán ermorden konnten17.

Die Paramilitärs betrieben massiv Kampagnen gegen die Universitäten, in denen Studierende, Angestellte und Dozenten als Helfer der Guerilla dargestellt wurden. Die AUC ermordeten Dozenten und Studierende der Küstenregion, die sie angeblicher Beziehungen zu subversiven Gruppen bezichtigten. In der Region Atlántico wurden 19 Opfer gezählt. Zwischen 1996 und 2003 hinterließ das Vorgehen der Paramilitärs gegen Universitäten der Regionen Atlántico, Magdalena, Córdoba und Cesar eine Spur von Blut, Tod und Schmerz, die in der Erinnerung der Kommilitonen, der Familienangehörigen der Opfer und in der Gesellschaft noch heute allgegenwärtig ist. In dieser Zeit, die von Professor Walberto Torres Mármol, dem Vorsitzenden der Gewerkschaft der Dozenten der Universität Atlántico, Aspu, als "Tanz des Todes" bezeichnet wurde, wurden in der gesamten Küstenregion 17 Dozenten und 20 Studenten ermordet“ (Colina 2013).

4. Blut-Bananen

Am 6. Dezember 1928 richtete eine Schwadron der Armee in Ciénaga, Magdalena das Bananenarbeiter-Massaker an, bei dem über 1 000 Arbeiter und Familienangehörige ermordet wurden, die gegen die Arbeitsbedingungen protestiert hatten. Die Plantagen gehörten der United Fruit Company, die auch die Armee um Unterstützung gebeten hatte. In Hundert Jahre Einsamkeit beschreibt García Márquez dieses Massaker, indem er es nach Macondo verlegt, wo der Bananenproduzent bei seiner Ankunft als Symbol der Moderne und des Fortschritts galt. Fast einhundert Jahre später scheint sich in den Bananenanbaugebieten wenig verändert zu haben. Die multinationalen Bananenproduzenten in der Region Urabá bereiteten dem Engagement der Gewerkschaften größtenteils ein Ende, indem sie zwischen Ende der achtziger und Mitte der neunziger Jahre mehr als 400 Gewerkschafter von Paramilitärs ermorden ließen.

Der Unternehmerverband der Bananenproduzenten Uniban ließ nach Angaben der kolumbianischen Staatsanwaltschaft den israelischen Söldner und Waffenhändler Yair Klein (und sein Unternehmen Spearhead Ltd.) nach Kolumbien kommen. Klein hatte unter anderem diejenigen Paramilitärs ausgebildet, die im März 1988 mehrere Massaker in Bananenplantagen anrichteten. Ein Zeuge sagte aus, dass die Söldner um Klein vonseiten von Uniban und einigen Drogenhändlern mit 800 000 Dollar für ihre Arbeit entlohnt wurden. In einem Interview erklärte Klein: "Zunächst bildeten wir die Leute in Puerto Boyacá und in anderen Orten von Magdalena Medio aus, wo wir eine Gruppe in Taktiken schulten, wie sie Guerilleros begegnen sollten. Während des ersten Kurses, der einen Monat dauerte, gab es sogleich Kontakt und Kämpfe mit der Guerilla. Ich brachte ihnen bei, wie sie diese angreifen und in einen Hinterhalt locken konnten. So konnten viele Kämpfer der Guerilla getötet und ihnen das Geld abgenommen werden, das aus Erpressung und von Farmern eingefordertem Lösegeld stammte. Aufgrund dieses Erfolgs wurde ich für eine weitere Schulung angeheuert (…) Als ich erneut nach Kolumbien kam, wurde mir klar, dass die Armee selbst die Leute beschäftigte, die ich in Angriffen und Hinterhalten geschult hatte"18.

Am 22. Juli 2001 wurde Klein vom Obergericht in Manizales wegen Schulungen von Paramilitärs in den Regionen Magdalena Medio und Urabá zwischen 1987 und 1989 in Abwesenheit zu zehn Jahren Haft verurteilt. Er leugnete stets, etwas Illegales getan zu haben: "Wenn man von Angehörigen der Polizei, der Armee, des Ministeriums für Landwirtschaft, Finca-Besitzern und Anführern von Verbänden und Organisationen von Farmern engagiert wird, nimmt man wohl an, dass es sich um eine absolut legale Angelegenheit handelt", und er betont darüber hinaus, dass das israelische Außenministerium und das Verteidigungsministerium über diese Dinge ausführlich informiert waren19.

Die Bananenproduzenten wurden zu sehr engen Partnern der Paramilitärs und unterstützten sie weiterhin umfassend. Im Jahre 1997 kam Carlos Castaño als Anführer der AUC mit dem geschäftsführenden Direktor von Banadex zusammen, einer Tochtergesellschaft von Chiquita Brands, was offenbar den Anfang einer engen Zusammenarbeit markierte. Chiquita hat zugegeben, den Paramilitärs bis zum 4. Februar 2004 1,7 Millionen Dollar gezahlt zu haben. Die Zahlungen wurden hauptsächlich über Schecks im Namen von Convivir Papagayo abgewickelt, einer der "paramilitärischen Kooperativen" für die Álvaro Uribe bürgte, als er Gouverneur von Antioquia war. Bis 1970 hieß Chiquita Brands noch United Fruit Company. 2007 erklärte der frühere paramilitärische Anführer Salvatore Mancuso, dass Chiquita Brands, Dole und Del Monte einen Dollarcent für jede ausgeführte Kiste Bananen bezahlten20.

Der frühere paramilitärische Kommandant Freddy Rendón Herrera, auch bekannt als "El Alemán" (Der Deutsche), versicherte im Juni 2010, dass sämtliche Bananenproduzenten in den Regionen mit paramilitärischer Präsenz die Zahlungen freiwillig tätigten. Aufgrund ihres Einflusses wurden die Bananenunternehmen als "El Grupo de los Veinte" (Gruppe der Zwanzig) bekannt. Diese Gruppe ließ den Paramilitärs Listen mit den Namen von Personen zukommen, die als Guerilla-Kämpfer galten. Nach Angaben von El Alemán war der bekannte Unternehmer aus Antioquia und Eigentümer der Tageszeitung El Mundo Guillermo Gaviria Echeverri seit 1997 für die Übergabe der Gelder zuständig.

Chiquita hat zudem Regierungsbeamte bestochen, um zu erreichen, dass dem Konzern ein von ihm selbst verwaltetes Zollgebiet mit Sonderregelungen in Turbo eingerichtet wird21 . Diese Sonderzone war von großem Nutzen für die Paramilitärs. Indem Chiquita sie ihnen zur Verfügung stellte, unterstützte sie die militärische und territoriale Ausdehnung des Paramilitarismus. Im Jahre 2001 führten Chiquita Brands und seine kolumbianische Tochtergesellschaft Banadex S.A. über diesen Weg 3.117 Sturmgewehre des Typs AK-47 (Kalaschnikow) sowie zwischen 2,5 und 5 Millionen Patronen für die AUC ein22 . Castaño sah diesen Schmuggel als seinen „größten Treffer” an und hält ihn für einen entscheidenden Faktor für ihr militärisches Erstarken 23 .

Die Ereignisse wurden durch Ermittlungen der US-amerikanischen Justizbehörde zu den Bananenproduzenten bestätigt. In der Zeit, in der Chiquita die AUC unterstützte, ermordeten diese Tausende Menschen in der Region, wobei viele unter ihnen bei den Bananenproduzenten beschäftigte Arbeiter waren. Und obwohl es sich dabei um den einzigen Fall von Waffenschmuggel handelt, bei dem gegen Chiquita ermittelt wurde, wird stark angezweifelt, dass es der einzige war. Carlos Castaño erklärte in einem Interview 2002: „Es war der größte Erfolg der AUC. Fünf Verladungen über Zentralamerika, 13.000 Gewehre"24.

Chiquita einigte sich schließlich mit der US-amerikanischen Justizbehörde auf eine Strafzahlung in Höhe von 25 Millionen Dollar, da der Konzern die AUC, die von den USA seit dem 11. September 2001 als terroristische Organisation eingestuft wird, nachweislich mit 1,7 Millionen Dollar unterstützt hatte. Chiquita wurde lediglich vorgeworfen, gegen US-amerikanische Gesetze verstoßen zu haben. Die Opfer des Paramilitarismus sahen nichts von dem Geld25.

Ende 2012 ordnete die kolumbianische Staatsanwaltschaft an, die Ermittlungen gegen Chiquita Brands wegen der mutmaßlichen Finanzierung von Paramilitärs in Urabá und Magdalena wieder aufzunehmen. Es wird gegen dreizehn Angestellte und führende Mitarbeiter des transnationalen Bananenkonzerns ermittelt26. Chiquita Brands versucht unterdessen unter Einsatz einer Heerschar an Rechtsanwälten zu erreichen, dass eine Klage von Angehörigen von Opfern der kolumbianischen Paramilitärs, die den Konzern für den Tod ihrer Angehörigen verantwortlich machen, abgewiesen wird27.

5. Coca Cola und die AUC

"Bei Coca Cola ist es in den vergangenen Jahren immer wieder zu Übergriffen gegen gewerkschaftlich organisierte Arbeiter gekommen. Die Bandbreite reicht von Einschüchterungen, Entführungen und Folter bis zu Tötungen. Bei einer feuchtfröhlichen Feier im Jahr 1996 kündigte Mario Mosquera, Geschäftsführer des Unternehmens Panamco, dem kolumbianischen Abfüllbetrieb von Coca Cola, in Carepa lautstark an, dass er die Gewerkschaft mithilfe der Paramilitärs vernichten würde. Seitdem wurden in Carepa mehrere Aktivisten der Gewerkschaft ermordet und die Paramilitärs können sich innerhalb des Unternehmens frei bewegen"28, so ein Aktivist der Nationalen Gewerkschaft der Arbeiter der Lebensmittelindustrie, Sinaltrainal.

Die Paramilitärs der AUC gehen auch beim Abfüllbetrieb Panamco in Barrancabermeja ein und aus und lassen aktiven Gewerkschaftern Drohbriefe zukommen. Dies geschieht mit der Zustimmung der örtlichen Geschäftsführung. Als die AUC im Jahr 2001 gegen die Entmilitarisierung der Region und die Gespräche mit der ELN mit Straßenblockaden protestierte, versorgte Coca Cola die Blockierer mit Getränken.

Mit der Hilfe der Paramilitärs wurden darüber hinaus Deregulierungsprozesse gefördert, wie ein Mitglied von Sinaltrainal eindrücklich schildert: "Anfang der neunziger Jahre waren in den Zweigstellen von Coca Cola in Kolumbien über 10.000 Arbeiter beschäftigt, alle verfügten über unbefristete Verträge und über ein Durchschnittseinkommen in Höhe von 600 bis 700 Dollar. Gegenwärtig beschäftigt Coca Cola nach einem umfassenden Umbau des Konzerns nur noch rund 2.500 Mitarbeiter, von denen lediglich 500 fest angestellt sind. Die restlichen 7.500 verfügen über einen Arbeitsvertrag mit einer der Tochtergesellschaften. Ihr monatliches Durchschnittseinkommen beträgt nur rund 150 Dollar. Die zuvor guten Arbeitsbedingungen bei Coca Cola im Vergleich zu anderen kolumbianischen Unternehmen verschlechterten sich allesamt innerhalb von nur zehn Jahren. Um dies durchzusetzen, musste unter anderem die Gewerkschaftsbewegung zerstört werden, die sich gegen diese Bedingungen und die auferlegte Restrukturierung einsetzte. Während zweier Streiks in den Jahren 1995 und 1996 wurden sieben unserer Gewerkschaftsführer von Coca Cola Colombia ermordet, über fünfzig mussten ihre Heimat verlassen und zwischen 6.000 und 10.000 Mitarbeiter wurden innerhalb von zehn Jahren ersetzt. Die Zahl unserer Mitglieder bei Coca Cola sank von ehemals 2.500 auf rund 500"29.

Am 31. August 2002 wurde ein weiterer Gewerkschafter von Coca Cola ermordet, der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft CUT (Central Unitaria de Trabajadores de Colombia) Adolfo de Jesús Múnera López in der Region Atlántico, der vertretungsweise auch bei Sinaltrainal tätig war. Er war zuvor jahrelang schikaniert und bedroht worden. 1997 fiel die Armee in sein Haus ein, er musste fliehen und wurde entlassen, weil er nicht auf der Arbeit erschienen war. Nach einem Gerichtsverfahren über mehrere Instanzen urteilte das Obergericht, dass er wieder eingestellt werden müsse. Zehn Tage später wurde Múnera von Paramilitärs erschossen.

Am 30. März 2003 wurde eine von Sinaltrainal gegen das lateinamerikanische Abfüllunternehmen Panamericana Beverages Inc. und gegen das kolumbianische Unternehmen Panamco y Bebidas y Alimentos bei einem Bundesgericht in Miami eingereichte Klage zugelassen. Sinaltrainal wirft ihnen vor, paramilitärische Gruppierungen genutzt zu haben, um die Arbeit der Gewerkschaften zu behindern und diese zu vernichten. Im September 2006 entschied das Gericht, dass es nicht zuständig sei.

Unterdessen geht die Verfolgung von Gewerkschaftern bei Coca Cola weiter. Von der angeblichen Demobilisierung der Paramilitärs ist nichts zu spüren. Im Gegenteil, seit April 2007 läuft eine neue Kampagne mit Todesdrohungen vonseiten der vermeintlichen "neuen Paramilitärs" oder der "hochkommenden Gruppen", wie sie in der Presse bezeichnet werden. Die Gruppe Águilas Negras-AUC ließ einem Dutzend Aktivisten von Sinaltrainal Briefe mit Todesdrohungen zukommen. Wie schon zuvor geschah dies im Zuge von Arbeitskonflikten. Anfang 2008 wurde der Sohn von José Domingo Flórez, dem Vorsitzenden von Sinaltrainal in Bucaramanga und Barranquilla, entführt, gefoltert und im Anschluss aus einem fahrenden Auto geworfen 30. Die Morde und Drohungen gegen Gewerkschafter von Sinaltrainal bei Coca Cola nehmen kein Ende. Die jüngste Tat wurde am 27. November 2013 verzeichnet, nur wenige Tage vor Abschluss dieses Kapitels. Die Ehefrau von Etiel Aragón, dem Vorsitzenden von Sinaltrainal und Angestellten beim Unternehmen Industria Nacional de Gaseosas S.A. (Coca Cola) in der Stadt Santa Marta, erhielt einen Drohanruf von einer Person, die sich als "Kommandant Giraldo" der paramilitärischen Gruppe Giraldo ausgab: "Sagen Sie diesem H*rensohn, dass wir ihn gerade anrufen, dass wir mit ihm sprechen müssen und dass wir, falls er sich weigert, ein Attentat auf seine Tochter Gisel Paola ausüben und ihn umbringen werden, wenn er nicht mit uns redet"31.

6. Uribe und der vom Drogenhandel und Paramilitarismus kontrollierte Staat

Álvaro Uribe war der Präsident, der Kolumbien endgültig in einen Para-Staat verwandelte. Uribe wurde als unabhängiger Kandidat der Rechten Dank des Paramilitarismus Präsident. Der militärische Anführer der AUC Salvatore Mancuso gratulierte Uribe und erklärte, dass in den Kongresswahlen im März 2002 über 35 Prozent der 268 Abgeordneten die AUC unterstützten.

In einem Interview im April 2008 antwortete Mancuso auf die Frage, ob es stimmte, dass die AUC 35 Prozent des Kongresses kontrollierte, folgendermaßen: "Was ich sagte war, dass 35 Prozent der Kongressabgeordneten in Regionen gewählt wurden, wo die AUC aktiv war. In diesen Regionen waren wir es, die die Steuern eintrieben, für Recht und Ordnung sorgten und die territoriale und militärische Kontrolle über die Gebiete innehatten. Und jeder, der in der Region politisch aktiv werden wollte, musste zu den politischen Vertretern, die wir dort hatten, gehen und sich mit ihnen absprechen. (…) Vielleicht habe ich eine zu kleine Zahl genannt. Der Anteil von Kongressabgeordneten mit Beziehungen zu örtlichen illegalen Akteuren wird bei weit höher als 50 Prozent liegen"32.

Uribe unterhielt mindestens seit 1981 intensive Kontakte zu Drogenhändlern und Paramilitärs. In einem Bericht des US-amerikanischen Nachrichtendienstes Defense Intelligence Agency (DIA) von 1991 über die 104 "bedeutendsten kolumbianischen Drogenhändler, die von den kolumbianischen Drogenkartellen in den Bereichen Sicherheit, Transport, Vertrieb, Ernte und Verstärkung der Drogenaktivitäten eingesetzt wurden" wird der damalige Senator Uribe auf Platz 82 geführt. Uribe "arbeitet auf höchster Regierungsebene mit dem Medellín-Kartell zusammen. Uribe hatte Verbindungen zu einem Geschäft, das Drogenaktivitäten in den USA umfasste. (…) Uribe hat für das Medellín-Kartell gearbeitet und ist ein enger persönlicher Freund von Pablo Escobar Gaviria. Er nahm an der politischen Kampagne von Escobar teil, um einen Sitz als stellvertretender Abgeordneter von Jorge (Ortega) zu erlangen."33

Uribe kam Anfang der achtziger Jahre ins Geschäft, als er während der aktiven Zeit von Pablo Escobar Bürgermeister von Medellín war. Anfang der neunziger Jahre vergab er als Direktor der zivilen Luftfahrt Lizenzen und Fluggenehmigungen an Kollaborateure des Medellín-Kartells. Während seiner Zeit als Senator der Republik gehörte er dem Abgeordnetenblock an, der den Drogenbaronen loyal war und jegliche Gesetzgebung zu deren Schaden verhinderte (Contreras 2002).

Als Gouverneur von Antioquia unterstützte Uribe zwischen 1995 und 1997 die paramilitärischen "Kooperativen" Convivir, die legal, stark bewaffnet und privat, jedoch vom militärischen Geheimdienst gebildet worden waren.

Der paramilitärische Anführer Salvatore Mancuso sagte 2012 von einem US-amerikanischen Gefängnis in Warsaw, Virginia, gegenüber der kolumbianischen Justiz aus, dass er sich drei oder vier Mal mit dem früheren Präsidenten Kolumbiens Álvaro Uribe getroffen hatte, als er Gouverneur von Antioquia (Nordwest) war, und dass er darüber hinaus zur Kampagne zu seiner Wiederwahl 2006 beigetragen hatte. Nach Aussage von Mancuso ging es in den Gesprächen hauptsächlich um den Kampf gegen die Guerilla. Mancuso sei vom Kommandanten der Polizei von Córdoba, Raúl Suárez, zum ersten Treffen mit Uribe in einer Finca der Familie Uribe in Córdoba geführt worden. Der Kommandant "hat mich dahin geführt, da er bereits Mitglied der AUC war, und so erfuhr es der Gouverneur", sagte Mancuso 34. Außerdem erklärte er, dass der (verstorbene) frühere Staatssekretär von Uribe in Antioquia, "Pedro Juan Moreno mit mir und Carlos Castaño zusammengekommen war, damit wir gemeinsam die Kooperativen Convivir in Urabá bildeten. Damals bildeten wir dort zwölf"35. Während der Amtszeit von Uribe vertrieben die Convivir über 200.000 Menschen und ermordeten Tausende (Contreras 2002, 111ff). Als sie daraufhin im Jahre 1997 verboten wurden, gingen sie in den AUC auf. Uribe brüstet sich bis heute damit, in "seiner Region" für Ruhe gesorgt zu haben.

Ab dem Jahr 2000 vervierfachte sich dank des "Plan Colombia" und der damit verbundenen US-amerikanischen Militärhilfe für Kolumbien die Zahl der professionellen Soldaten und verzwanzigfachte sich die Zahl der Armeehubschrauber, Aufklärungsflugzeuge und Militärberater. In den Gebieten, die im Plan Colombia als prioritär eingestuft werden, zeigten sich die Paramilitärs besonders aktiv (Rütsche 2001). So überrascht es nicht, dass die Zahl der Paramilitärs in der Zeit der Umsetzung des Plan Colombia von 5.000 auf 13.500 zunahm (Azzellini 2009b). Nach Auffassung eines vom Boston Globe befragten Paramilitärs wäre der Plan ohne die Paramilitärs nicht durchführbar gewesen. Die Gesamtstrategie sei zwischen ihnen und der Armee abgesprochen worden. Der frühere Ombudsmann für Menschenrechte der Stadt Puerto Asís, Germán Martínez, stellte fest: "Das Phänomen des Paramilitarismus in Putumayo ist die Speerspitze des Plan Colombia, damit die territoriale Kontrolle über diejenigen Gebiete erlangt werden kann, die ausgeräuchert werden sollen"36. Die Paramilitärs attackieren, bedrohen, ermorden und vertreiben die Bevölkerung in den Grenzgebieten. Das geht mit dem Interesse der Regierungen Kolumbiens und der USA einher, Druck auf die Nachbarstaaten auszuüben, damit sie ihre Grenzen militarisieren (Azzellini 2009b; 2009c).

Im Jahr 2001 begannen die Paramilitärs damit, zunehmend Städte ins Visier zu nehmen. Demnach wurde die im Norden Kolumbiens gelegene Stadt Barrancabermeja mit 400.000 Einwohnern de facto durch die AUC besetzt, nachdem die Armee mehrere Massaker ermöglicht hatte. Die AUC patrouillierten frei und offen durch die Straßen und setzten ihre Regeln durch. Sich politisch oder sozial zu organisieren ist fast unmöglich, hunderte Aktivisten sind den "Säuberungen" zum Opfer gefallen. Diego Murillo alias "Don Berna", der frühere paramilitärische Anführer von Medellín erklärte aus seiner Haft in den USA, dass die Generäle Mario Montoya und Leonardo Gallego die Militäroperationen mit ihren Männern aus dem Block Cacique Nutibara koordinierten37. Jorge Noguera, der zum engsten Personenkreis um Álvaro Uribe gehörte, wurde im August 2002 von diesem zum Vorsitzenden des Inlandsgeheimdienstes DAS (Departamento Administrativo de Seguridad) ernannt. Aufgrund seiner engen Beziehungen zum Paramilitarismus musste er 2005 zurücktreten. Zeugenaussagen zufolge hatte Noguera den DAS den Paramilitärs der AUC praktisch zur Verfügung gestellt, und ließ dem Bloque Norte Namen und Informationen zukommen. Im Jahr 2011 wurde Jorge Noguera zu 25 Jahren Haft verurteilt. Mancuso erklärte dazu sogar: "Der Direktor des DAS von Cúcuta, Jorge Díaz, war ein Anführer der AUC. Mit seinen Fahrzeugen wurde genauso vorgegangen wie in denen der Polizei und der Armee. Damit bewegten sich die Truppen"38.

Im Frühling 2001 trat Carlos Castaño als militärischer Anführer der AUC zurück und wurde kurze Zeit später deren "politischer Anführer". Salvatore Mancuso wurde zum neuen militärischen Anführer der AUC ernannt und es wurde ein Generalstab mit 10 Mitgliedern (einschließlich Mancuso) eingerichtet. Mancuso führte den paramilitärischen Block von Catatumbo an, dem die Polizei 7.300 der 8.113 im Norden von Santander zwischen 1999 und 2004 begangenen politisch motivierten Morde zur Last legt.

Mitte des Jahres 2002 wurden die AUC formal aufgelöst und angeblich ohne die Beteiligung der im Drogenhandel tätigen und für schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlichen Blöcke umgebaut. Es war ein Schritt, um das Image zu säubern und Verhandlungen mit der Regierung zu ermöglichen.

7. Die angebliche Demobilisierung

Am 1. Dezember 2002 erklärte ein Großteil der AUC einen Waffenstillstand, um Verhandlungen mit der Regierung aufnehmen zu können. Im Januar 2003 wurde das auf die Guerilla zugeschnittene Gesetz zur Strafaussetzung und Strafminderung im Falle einer Zusammenarbeit mit der Justiz auf die Paramilitärs ausgedehnt und es begannen die Verhandlungen. Damit erkannte die Regierung Uribe die Paramilitärs als unabhängige politische Akteure an.

Ungeachtet des von den Paramilitärs erklärten Waffenstillstands stellt Amnesty International in seinem Jahresbericht 2004 fest, dass "die Paramilitärs weiterhin für Blutbäder, gezielte Morde, Verschwindenlassen, Folter, Entführungen und Bedrohungen verantwortlich waren. Im Jahr 2003 wurde ihnen die Verantwortung für den Tod oder das Verschwinden von mindestens 1.300 Personen zugeschrieben, davon über 70 Prozent aller Morde und Fälle von Verschwindenlassen, bei denen fest steht, dass sie politisch motiviert waren und dass sie nicht im Zusammenhang mit den Kämpfen geschahen. Im Jahr 2003 wurden 250.000 Kolumbianer vertrieben, 20.000 baten im Ausland um politisches Asyl"39.

Seit Beginn der Verhandlungen kam fast nichts in Bezug auf ihren Gegenstand und ihre Fortschritte an die Öffentlichkeit. Aus den unterzeichneten Abkommen geht nicht hervor, wie mit den schweren Menschenrechtsverletzungen und Verstößen gegen das Humanitäre Völkerrecht, den laufenden Strafverfahren und den inhaftierten Paramilitärs umgegangen werden wird. Die Verhandlungen waren kaum beendet worden, auch waren noch nicht einmal die entsprechenden Gesetzesgrundlagen geschaffen worden, als am 25. November 2003 die erste "Demobilisierung" durchgeführt wurde, die die Befürchtungen bestätigte. 855 Mitglieder der AUC (des Bloque Cacique Nutibara, BCN, aus Medellín) gaben 110 Sturmgewehre des Typs Kalaschnikow, mehrere automatische Pistolen, Revolver, Gewehre und selbst hergestellte Waffen ab. Angeblich waren sie schichtweise tätig und waren daher nicht alle bewaffnet. Nach einer „Resozialisierung“ von nur drei Wochen kehrten die Paramilitärs mit offizieller Bestätigung und Arbeit in die Viertel zurück, die sie zuvor terrorisiert hatten. 698 von ihnen wurden von den kommunalen Behörden beschäftigt und 200 angeheuert, um mit einer Sicherheitsfirma in den Stadtvierteln zu patrouillieren. Zehn Tage zuvor hatte Amnesty International bekanntgemacht, dass die Paramilitärs allmählich über Bewachungsdienste "wiederverwertet" wurden oder als "Bauernsoldaten" Waffen und Uniformen erhalten hatten.

Der Prozess der Demobilisierung wurde angeblich Mitte 2006 beendet, danach folgten jedoch weitere kollektive und individuelle Demobilisierungen. Ende Januar 2007 wurde die endgültige Zahl auf 35.213 demobilisierte Paramilitärs beziffert. Da vielen Berechnungen und selbst Erklärungen von Paramilitärs zufolge zu Beginn des Prozesses zwischen 12.000 und 13.500, und nach der Demobilisierung im Juli 2007 nach Zählungen der NGO Indepaz mindestens 8.924 Paramilitärs aktiv waren40, hielten viele den Prozess der Demobilisierung für eine Farce. Dieser Eindruck festigt sich umso mehr beim Blick darauf, wie mit den schweren Verbrechen der Paramilitärs umgegangen wird. Nach Auffassung der Fédération Internationale des Ligues des Droits de l’Homme (FIDH) "haben bis heute 92 Prozent der 30.000 demobilisierten Paramilitärs von einer de facto per Dekret festgeschriebenen Amnestieregelung profitiert. Nur acht Prozent fallen in das Anwendungsgebiet des Gesetzes über Gerechtigkeit und Frieden, das über Dekrete umgesetzt wurde, die die Entscheidung des Verfassungsgerichts missachten. Dieses war der Auffassung, dass es korrigiert werden müsse, damit es das Recht der Opfer auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Entschädigung nicht verletze. Über die Paramilitärs, auf die das Gesetz über Gerechtigkeit und Frieden Anwendung findet, wird in sogenannten 'freien' Gerichtsverfahren ("versiones libres") gerichtet. Dabei können sie zu Strafen von maximal acht Jahren verurteilt werden, die sie entweder auf Farmen verbüßen können oder aber in "Haft", deren Bedingungen sie selbst bestimmen können. Das verstößt angesichts der Schwere der begangenen Verbrechen gegen die elementarsten Grundsätze der Gerechtigkeit"41.

Der Prozess der Demobilisierung ermöglichte es den Paramilitärs, ihren Einfluss und ihre territoriale Kontrolle über einen legalen politischen Rahmen zu festigen. Den paramilitärischen Anführern wurde zugestanden, Nutzflächen, die zuvor kleinen Bauern geraubt worden waren, unter den früheren paramilitärischen Kämpfern aufzuteilen. Mit diesem Vorgehen wird der Raub legalisiert, während die paramilitärischen Anführer im Zivilleben zu Feudalherrschern gemacht werden.

Im Mai 2008 wurden 14 paramilitärische Anführer und ein Drogenhändler an die Vereinigten Staaten ausgeliefert, unter ihnen Carlos Mario Jiménez (alias Macaco), Salvatore Mancuso, Rodrigo Tovar Pupo (Jorge 40), Diego Fernando Murillo (Don Berna) und Hernán Giraldo42. Die Auslieferung muss als ein Geschenk ihnen gegenüber aufgefasst werden. In den USA wird ihnen nämlich nur wegen Drogenhandel, Geldwäsche und Finanzierung von Terrorismus der Prozess gemacht43.Wenn sie mit der Justiz zusammenarbeiten, wird das Strafmaß erträglich sein. Es ist anzuzweifeln, dass sie sich anschließend in Kolumbien für die begangenen Massaker, Morde und Raube vor Gericht verantworten werden. Gegen Salvatore Mancuso beispielsweise sind in Kolumbien mindestens 20 Strafverfahren anhängig, außerdem wurde er bereits zu 40 Jahren Haft verurteilt, was eine Senkung des Strafmaßes auf rund acht Jahre, wie im Gesetz über Gerechtigkeit und Frieden vorgesehen, verhindern könnte.

So äußerte Mancuso kurz vor seiner Auslieferung in einem Interview mit RCN TV im April 2008 seelenruhig, dass er hoffte, "mit einem sehr milden Strafmaß" davonzukommen, weil es "von Vorteil ist, in den Vereinigten Staaten Wahrheiten klar und transparent auszudrücken. (…) Meine Rechtsanwälte in den USA prüfen und ermitteln, wie ich die Probleme lösen kann, die sich aus meiner Zugehörigkeit zur bewaffneten Gruppe dieses Landes ergeben haben".

Auch die kolumbianische Regierung profitiert enorm von der Auslieferung. Wie internationale Menschenrechtsorganisationen richtig feststellen, "werden durch diese Auslieferungen die im Zusammenhang mit der skandalösen Verflechtung von Politik und Paramilitarismus ('Parapolitik') von der kolumbianischen Staatsanwaltschaft und dem Obersten Gerichtshof eingeleiteten Ermittlungen behindert. Dabei wird gegen über 100 amtierende und frühere Parlamentarier wegen ihrer Beziehungen zu Paramilitärs und außerdem wegen der Enthüllungen über die Beteiligung von Armeeangehörigen an Massakern ermittelt, was unter anderem Don Berna vor einigen Wochen in Bezug auf das Massaker in der 'Friedensgemeinde' (Comunidad de Paz) San José de Apartadó zugegeben hatte"44.

8. Die Parapolitik

Aufgrund der Aussagen einiger Paramilitärs und der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wurde ab Anfang 2007 der Skandal der sogenannten Parapolitik bekannt, der Verflechtung der Politik mit dem Paramilitarismus. Bis Mitte Juni 2008 wurde gegen 65 Kongressabgeordnete wegen Beziehungen zum Paramilitarismus ermittelt, von denen 30 inhaftiert waren45. Fast alle gehören der Fraktion an, die Uribe unterstützt. Der Kongress wurde dennoch nicht aufgelöst, und Uribe trat auch nicht zurück. Am 22. April 2008 ordnete die Staatsanwaltschaft die Inhaftierung von Senator Mario Uribe an, dem Cousin und engen Verbündeten von Álvaro Uribe, wegen Anstiftung zu organisierter Kriminalität. Salvatore Mancuso hatte zuvor erklärt, dass Mario Uribe ihn um Hilfe gebeten hatte, um Wählerstimmen in den Gebieten zu erlangen, die unter seinem Einfluss standen. Zugleich hatte ein weiterer paramilitärischer Anführer, Jairo Castillo Peralta alias Pitirri, ausgesagt, dass Mario Uribe Mitglieder der AUC um Hilfe ersucht hatte, um Ländereien in Sucre und Caucasia zu erwerben. Uribe stellte in der Botschaft Costa Ricas einen Antrag auf Asyl, der jedoch abgelehnt wurde. Bis Oktober 2013 wurden siebzig Politiker wegen Verbindungen zu Paramilitärs gerichtlich belangt und verurteilt, darunter ein Großteil der ehemaligen Fraktion von Uribe im kolumbianischen Parlament.

Den Aussagen von Mancuso zufolge wählten die Paramilitärs nicht nur Kongressabgeordnete aus, "sondern auch Bürgermeister, und wir gingen ebenso bei Regierungspakten vor". Darüber hinaus waren die Paramilitärs in sämtliche Machtebenen eingedrungen, einschließlich der Justiz und der Staatsanwaltschaft. Außerdem behauptete er, dass sie zum Beispiel in der von ihm kontrollierten Region der Polizei 400.000 Dollar im Monat bezahlten.

9. Der neue alte Paramilitarismus

Ermordungen von Gewerkschaftern, Bedrohungen und Aggressionen vonseiten der paramilitärischen Gruppen kamen nach der angeblichen Demobilisierung der Paramilitärs genauso häufig vor wie zuvor. Am 5. November 2013 begann Sinaltrainal einen Hungerstreik bei Nestlé, um das transnationale Unternehmen dazu zu zwingen, sich an die unterzeichneten Verträge zu halten. Am 9. November 2013 wurde der Mitarbeiter von Nestlé Oscar López Triviño mit vier Kugeln ermordet. Er hatte 25 Jahre bei Nestlé gearbeitet und war bei Sinaltrainal aktiv gewesen. Am Tag zuvor hatte Sinaltrainal eine Drohung via SMS mit folgendem Inhalt erhalten: "verdammte Guerillakämpfer nehmen Nestlé weiter auf den Arm kein Nachsehen mehr wir werden alle Kommunisten von Sinaltrainal aus Urabá zerhacken"46.

Ebenso werden weiterhin Menschen vertrieben, um sich anschließend deren Ländereien anzueignen. Im November 2013 bestätigte das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) in Buenaventura, dass innerhalb von zehn Tagen 2.791 Personen und 853 Familien vertrieben wurden. Die an der Pazifikküste nahe Cali gelegene Stadt Buenaventura hält den traurigen Rekord, landesweit die höchste Zahl an Vertriebenen zu haben. Bei einer Bevölkerung von gegenwärtig 360.000 Einwohnern wurden seit 1997 über 82.000 Menschen vertrieben. Allein zwischen Januar und August 2013 wurden 4.670 Personen vertrieben. Nach Angaben des UNHCR geschahen die letzten Vertreibungen infolge angeblicher Auseinandersetzungen zwischen den paramilitärischen Gruppen La Empresa und Los Urabeños. Ein lokaler Anführer, der aus Sicherheitsgründen anonym bleiben wollte, versicherte der Presse gegenüber: "Man hört davon, dass die bewaffneten Gruppen wollen, dass die Menschen ihre Häuser verlassen, um sich deren Land aneignen und Großprojekte bauen zu können. Diese Gemeinde ist afrikanischer Abstammung und hat im Allgemeinen ihren Grundbesitz nicht legalisiert. So kommt es vor, dass Besitzer aus dem Nichts auftauchen, Urkunden im Rathaus legalisieren lassen, und sich dabei von der Polizei oder sogar von Paramilitärs begleiten lassen, um die Grundstücke zu bekommen"47. Während des Streiks in der Landwirtschaft, den massiven Protesten der kolumbianischen Bauer im Jahr 2013, agierten die Paramilitärs einmal mehr wie gehabt, infiltrierten die Bewegungen, um intern Probleme auszulösen und die Proteste zu diskreditieren und griffen die beteiligte Bevölkerung gemeinsam mit der Armee an.

Die Regierung leugnet, dass der Paramilitarismus weiter existiert oder zurückgekehrt ist und spricht von kriminellen Banden, bacrim (bandas criminales), die im Drogenhandel und anderen kriminellen Feldern tätig seien. Diese haben angeblich keinerlei Verbindung zum früheren Paramilitarismus und üben auch nicht seine Aufgaben aus. Der Verteidigungsminister Juan Carlos Pinzón beharrte kategorisch darauf, dass es im Juli 2012 in 934 der 1.102 Gemeinden des Landes keinerlei "bacrim" gab (Indepaz 2013). Die Sicherheitsbehörden geben offiziell an, dass in 118 Gemeinden bacrim aktiv seien, die im September 2012 insgesamt 4.170 Mitglieder zählten (Indepaz 2013).

Den Zahlen der Organisation Indepaz zufolge waren 2012 in 409 Gemeinden "narko-paramilitärische Gruppen" aktiv. Sie machte damit auf deren rasche Expansion innerhalb Kolumbiens aufmerksam: 2008 waren sie noch in 259 Gemeinden präsent. "Am deutlichsten stieg die Anzahl in den Regionen, in denen vier Faktoren eine Rolle spielen: a) Entstehen neuer Gruppen nach den Prozessen zur Beugung unter die Justiz, wie es bei der Übergabe der Männer von Erpac geschah, die den Libertadores de Vichada und dem Bloque Meta Platz machte; b) Wiedererscheinen von regionalen Gruppen, um größere Gruppen beim Krieg zu unterstützen, wie es bei Los Machos in Valle und Renacer in Chocó der Fall war; c) Erscheinen neuer Strukturen als Folge von internen Streitigkeiten bei den großen paramilitärischen Gruppen, wie den Autodefensas Nueva Generación im Norden von Santander und Heroes del Noroeste in Antioquia; und d) Fortdauer der Aktivitäten von Gruppen wie Oficina de Envigado, Cordillera, Cacique Pipintá und Autodefensas Unidas del Casanare"(Indepaz 2013).

Die angeblichen bacrim handeln genauso wie die Paramilitärs, verteidigen die gleichen Interessen, werden durch die gleichen Quellen finanziert, schmieden die gleichen Bündnisse und genießen Unterstützung durch die Armee und die Polizei. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass die Politik und andere Staatsorgane nicht darin verwickelt sind. In einem Interview erklärte Salvatore Mancuso, dass "Kolumbien als nächstes erleben wird, wie sich die Politiker mit den bacrim verbünden werden", da "diejenigen, die das nicht tun, riskieren werden, ihre Macht zu verlieren"48. Mancuso zufolge stand Präsident Juan Manuel Santos in Verbindung mit dem Paramilitarismus49. Auch El Alemán und Jorge 40 brachten Präsident Santos und seinen Cousin Francisco Santos, dem Vizepräsidenten unter Uribe, mit dem Paramilitarismus in Verbindung. Das Image von Präsident Santos und von Kolumbien ist jedoch ein anderes. Durch die Inszenierung mit der Demobilisierung konnte der kolumbianische Staat sein früheres Schmuddelimage loswerden und als neutrale Friedensmacht auftreten, während Paramilitärs und Drogenhändler mit milden Strafen davonkommen und das paramilitärische Modell fortbesteht. In diesem Zusammenhang müssen die Tatsache, dass einige Paramilitärs in ihren Aussagen weiterhin Politiker, Armeeangehörige, Polizisten und Unternehmer mit dem Paramilitarismus in Verbindung bringen, oder dass Uribe von der amtierenden Regierung zum Feind erklärt wurde (ohne dass er versteht, warum er nun als Bösewicht gilt) als Kollateralschäden betrachtet werden.

Der Pfarrer Javier Giraldo fasste im Mai 2013 in einem offenen Brief während der Gespräche zwischen der Regierung und der FARC in Havanna sehr gut zusammen: "Mit den jüngsten Errungenschaften in der Politik Kolumbiens treten drei Tatsachen deutlich zutage, die einem Frieden und sozialer Gerechtigkeit noch massiv im Weg stehen: 1) das Fortbestehen der politischen Intoleranz vonseiten der Oligarchie, 2) die vollkommene Weigerung des Staates, signifikante Reformen der Wirtschaft, Politik und des Staates durchzuführen, 3) das Fortbestehen und die Wiederbelebung der paramilitärischen Strukturen als Instrument des schmutzigen Krieges und der Vernichtung der Opposition".

Der Beitrag ist erschienen in Ugalde, Alexander; Freytter-Florian, Jorge (Hg.): "Gegenwart und Zulunft Kolumbiens in Zeiten der Hoffnung" (Presente y futuro de Colombia en tiempos de esperanzas). Donostia: Servicio Editorial de la Universidad del País Vasco / Euskal Herriko Unibertsitatea (UPV/EHU)


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