Die sichtbare Hand des Marktes

Kissinger und Nixon zerstörten die Regierung Allende in Chile, indem sie schworen, dass sie deren Wirtschaft "vor Elend weinen" lassen würden. Von uns hängt es ab, ob sie die unsrige zerstören oder nicht

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Schlangestehen beim Einkaufen von Lebensmitteln
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Was nicht gehortet oder nach Kolumbien geschmuggelt wird, verkaufen Mafiagruppen über Kleinhändler auf der Straße zu überhöhten Preisen
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In einem Lager eines Supermarktes in Caracas wurden Unmengen Klopapier beschlagnahmt
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Im Bundestaat Zulia 30 Tonnen Maismehl des Konzerns Polar
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Von Mangel keine Spur: Alle Produkte und Import-Luxusgüter gibt es immer zu kaufen...
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In den Supermärkten der Reichen-Viertel in Caracas
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Ich halte es für wichtig, die Kernstücke der Arbeiten von Pascualina Curcio zu kommentieren, die meines Erachtens bisher nicht in der ihnen angemessenen Form bekannt geworden sind. In Bezug auf die aktuelle Knappheit von Gütern des täglichen Bedarfs verbreiten bestimmte private Medien nicht die Wahrheit. Sie behaupten, diese Knappheit werde durch die fehlende Bewilligung von Vorzugsdevisen für den Import sowie die Preiskontrollen verursacht. Dies wiederum führe dazu, dass die Kapitalisten nicht die ihnen zustehenden exorbitanten Gewinne erzielen könnten.

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In "Unterversorgung und Inflation in Venezuela"1 zeigt Curcio jedoch anhand überzeugender Zahlen und Graphiken, dass "im Falle Venezuelas seit 2003 das Niveau der Unterversorgung nicht mit dem Produktionsniveau Schritt gehalten hat. Sowohl die Produktion als auch die Importe sind relativ stabil geblieben. Daher betrifft diese Knappheit, die man in den Läden misst, Güter, die produziert wurden, die aber nicht auf reguläre und angemessene Art und Weise sowie in ausreichender Stückzahl in den Regalen der Verkaufsläden platziert wurden. In diesem Fall liegt der Boykott nicht in der Produktion, die Aktionen zielten auf eine Veränderung der Distributionsmechanismen und auf die Behinderung des angemessenen und regulären Zugriffs von Seiten der Bevölkerung auf eben diese Güter ab." Und tatsächlich, seit 2002 bis zum heutigen Datum fällt jeder tollkühne Versuch der Opposition, die Regierung durch Gewalt oder auf dem Wege der Wahlen zu stürzen mit einer Situation der Unterversorgung zusammen. Das ist etwas zu viel des Zufalls.

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Anhand vieler Zahlen und Graphiken zeigt Pascualina Curcio weiterhin auf, dass bei verschiedenen Basisgütern, wie beispielsweise dem Maismehl, sowohl die Produktion (oder der Import) wie auch der Konsum "vom ersten Quartal 2012 bis zum zweiten Quartal 2015 im Durchschnitt konstant geblieben sind". Man möge mir die vielfache Nutzung der Anführungszeichen verzeihen, aber für die Argumente von Pascualina gibt es kein Vertun: "Dieses Verhalten wiederholt sich bei allen Nahrungsmitteln, die eine Knappheit aufgewiesen und lange Schlangen wartender Käufer verursacht haben: Reis, Teigwaren, pflanzliche Öle, H-Milch, Rindfleisch, Hühnerfleisch, Hühnereier, weißer Hartkäse, Zucker, Kaffee, um nur einige zu nennen." Also, es gibt sehr wohl eine Produktion bzw. einen Import der Güter. Denn wenn dem nicht so wäre: woher kommen diejenigen Güter, mit denen die Schwarzhändler immer wieder handeln?

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Die Autorin weist auch nach, dass die Ausmaße des Konsums ungefähr gleich geblieben sind. Curcio zeigt auf, dass "wenn wir Venezolaner im Durchschnitt die gleiche Anzahl der Hauptnahrungsmittel konsumieren (gemessen in Kilogramm oder in Kilokalorien), und wenn wir sie konsumieren, eben weil sie hergestellt oder importiert wurden, dann sollte man sich die Frage stellen: was passiert zwischen der Produktion/dem Import und dem Konsum, dass sich die Produkte nicht mit der notwendigen Regelmäßigkeit und in den notwendigen Mengen in den Regalen wiederfinden. Wenn die Produktion und die Importe stabil geblieben sind, warum müssen wir uns in lange Schlangen stellen, um einige dieser Nahrungsmittel zu erwerben, oder warum müssen wir diese im Parallel- oder illegalen Markt zu überhöhten Preisen kaufen". Die Antwort liegt auf der Hand: "Die seit 2003 von Sektoren der Opposition gegenüber der nationalen Regierung vorangetriebenen Strategien einer politischen und sozialen Destabilisierung haben Methoden der wirtschaftlichen Nicht-Kooperation eingesetzt. Und sie taten dies nicht über den Weg des Streikaufrufs, der der Unterstützung verschiedenster und zahlreicher politischer Sektoren bedürft hätte, sondern durch einen Boykott der Güterversorgung. Diese Aktivitäten haben sich seit 2013 verstärkt".

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Aber wir wissen alle, dass aus den Regalen weder Bier, noch Softdrinks, noch hoch verarbeitete, nicht-regulierte Nahrungsmittel verschwinden. Was zeichnet die "verschwundenen" Güter aus? Curcio antwortet: "In erster Linie werden sie stark konsumiert, sie sind unabdingbar für die typisch venezolanische Ernährung, sie sind Teil der venezolanischen Kultur. Dazu zählen Maismehl, Kaffee, Reis, Zucker, Bohnen, Teigwaren, Hühnereier. Zweitens und zusätzlich zum hohen Konsum, liegen ihre Produktion und Distribution in der Hand einiger weniger Unternehmer; im Allgemeinen sind es Nahrungsmittel, die von Monopolen und Oligopolen hergestellt werden. Daher verursachen auch die Guajave, die Banane und der Orangensaft trotz ihres ebenfalls hohen Konsums keine Schlangen. Diese Güter werden von vielen Herstellern angeboten, die durch ihre Vielzahl keine Kartelle zur Änderung der Distribution bilden können. Drittens handelt es sich um nicht verderbliche Nahrungsmittel, bzw. um Nahrungsmittel, die über einen relativ langen Zeitraum gut konserviert werden können. Das Maismehl, der Reis, die Teigwaren, der Kaffee, die Bohnen, die Milch, die Margarine, das Öl, um nur einige zu nennen, können bis zu ein Jahr aufbewahrt werden. Dies ist bei Bananen oder der Guajave nicht möglich."

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Daher hebt Curcio berechtigter Weise hervor, dass "offensichtlich nicht das Vorliegen einer Preisregulierung bestimmt, ob Nahrungsmittel knapp sind. Zusätzlich müssen wir darauf hinweisen, dass es Produkte gibt, deren Konservierungslogistik sehr teuer ist und die daher nicht auf den illegalen Märkten durch Schwarzhändler gehandelt werden; dies passiert im Fall des Hühnerfleisches, des Rindfleisches, des weißen Hartkäses und der Hühnereier. Diese Produkte müssen für ihre Konservierung gekühlt werden und sie werden in den Lebensmittelmärkten vermarktet. Allerdings zu Preisen, die deutlich über den regulierten Preisen liegen, das heißt unter Missachtung der Vorgaben".

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Curcio folgert daraus, dass "Die Anpassung der Preise nicht die Lösung für das Problem der Unterversorgung ist, für die Schlangen und den Schwarzhandel, eben weil die Preise nicht die Ursache dieser Phänomene sind. Die Ursache liegt im Boykott der Versorgung und der Verzerrung der Distributionsmechanismen. Daher sind es die Überwachung und die Regulierung, auf die sich die Regierung konzentrieren sollte. Es ist die Präsenz weniger, aber mächtiger Hände im Markt, die mit durchschaubaren politischen Intentionen die Distributions- und Versorgungsmechanismen der für das Leben der Venezolaner so wichtigen Güter verfälschen".

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Mit anderen Worten: die Regierung hat mit der vertrauensvollen Übergabe von 60 Billionen Vorzugs-Dollars oder mehr den Zugang zu ihrer Lebensader dem kapitalistischen Wirtschaftsgegner übergeben, damit dieser das Geld für Phantasie-Importe oder für Güter verschwendet, die er danach hamstert oder bei denen er verhindert, dass sie ihre Abnehmer finden. Auf diese Weise erreicht die riesige Anstrengung der Regierung, nämlich Dollar zu Vorzugskonditionen für die privaten Unternehmer herbeizuschaffen, damit diese Basisgüter herstellen oder Rohstoffe für die Herstellung importieren, nicht den Konsumenten. Und diese Güter oder Rohstoffe stauen sich in einer verkommenen Mafia von Zwischenhändlern, größtenteils kontrolliert durch die Monopole und Oligopole der Branche. Der normale Bürger kann gegen diesen Pfropfen, der die sozialistischen Politiken zerstört und die Unterstützung des Volkes für seine Regierung zersetzt, nichts tun. Notwendig ist ein staatliches Handeln zu Gunsten eines direkten, kontrollierten und sanktionierten Imports. Kissinger und Nixon zerstörten die Regierung Allende in Chile, indem sie schworen, dass sie deren Wirtschaft "vor Elend weinen" lassen würden. Von uns hängt es ab, ob sie die unsrige zerstören oder nicht. Gegen den Wirtschaftskrieg, politische Gegenoffensive.