"Ein christlicher Tod"

Unter der Diktatur in Argentinien wurden Gefangene lebend aus Flugzeugen in den Río de la Plata geworfen. Ein Ex-Militär bricht das Schweigen über die Todesflüge

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Gefangene wurden betäubt, aber lebendig, aus Flugzeugen in den Río de la Plata geworfen
Gefangene wurden betäubt, aber lebendig, aus Flugzeugen in den Río de la Plata geworfen

Der argentinische Korvettenkapitän Adolfo Scilingo berichtete 1995 dem ehemaligen Mitglied der linksperonistischen Guerillagruppe Montoneros und Journalisten Horacio Verbitsky detailliert über eine der grausamsten Praktiken der argentinischen Militärdiktatur (1976-1983) unter General Jorge Rafael Videla: Gefangene wurden betäubt, aber lebendig, aus Flugzeugen in den Río de la Plata geworfen, jeden Mittwoch, jahrelang. Scilingos vordergründiges Motiv ist die verweigerte Beförderung seiner ehemaligen Kollegen Antonio Pernías und Juan Carlos Rolón, denen Verbrechen während der Diktatur nachgewiesen worden waren. Doch in den Dialogen wird bald deutlich, dass der Marineoffizier, der selbst im Jahr 1977 an einigen Flügen beteiligt gewesen war, mit seiner eigenen Geschichte hadert.

Scilingo ist der erste, der das Schweigen der Militärs bricht. Die Veröffentlichung von Verbitskys Buch "El vuelo" (Der Flug) löste vor 20 Jahren in Argentinien eine breite gesellschaftliche Debatte um Schuld und Verantwortung während der Diktatur aus. Die juristische Aufarbeitung der Diktaturverbrechen ist bis heute nicht abgeschlossen, 2015 wurden mehrere Gerichtsverfahren zu den Todesflügen eröffnet. Adolfo Scilingo wurde in Spanien verurteilt und sitzt bis heute dort im Gefängnis.

Verbitskys Buch ist nun auch in deutscher Sprache erschienen1Wir veröffentlichen einen Auszug daraus.


Bei den ersten beiden Treffen hatte Scilingo seine Geschichte erzählt. Beim dritten sollte er Belege liefern. Er kam pünktlich zum vereinbarten Termin. Er hatte es also nicht bereut. Er brachte die angekündigten Fotokopien der Briefe2 mit.

"Jetzt können Sie sicher sein, dass ich mich nicht mehr zurückziehe", sagte er zu mir. Jetzt galt es nur noch, seine Aussage auf Band aufzunehmen.

"Warten Sie, nehmen Sie nicht auf", widersetzte er sich, "heute müssen wir einen Fragebogen erstellen."

Nein, wir nehmen jetzt auf.

Das Band begann zu laufen. Er streckte die Hand aus, um das Gerät zu stoppen.

Lassen Sie das!

Scilingo zog die Hand zurück. Jetzt musste er antworten. Er begann sein Geständnis, das er 18 Jahre lang hinausgeschoben hatte.

Auf welchem Weg haben Sie die Befehle erhalten, wehrlose Gefangene ins Meer zu werfen?

Erste Informationen erhielt ich 1976 von Admiral Luis María Mendía, dem Befehlshaber über die Marineeinsätze, und zwar vor dem Regimentsstab aller Einheiten von Puerto Belgrano, die sich im Kino des Marinestützpunktes versammelt hatten. Er legte dar, dass spezielle militärische Operationen geplant waren, die jeweils abhängig von den Gegebenheiten auszuführen seien, um sie an den Kampf gegen einen Feind anzupassen, dem mit Standardoperationen nicht beizukommen war. Er erklärte, dass man seit der Kolonialzeit unterschiedliche Uniformen benutzt habe, um die Kriegsparteien auseinanderhalten zu können. Später habe man sie genutzt, um sich im Gelände zu tarnen. Und jetzt würden wir zivile Kleidung tragen, um uns im alltäglichen Leben zu tarnen. Alle Offiziere des Stützpunktes Puerto Belgrano waren anwesend. Mit Blick auf die Subversiven3, die zum Tode verurteilt würden oder die man zu eliminieren gedachte, sagte er, dass sie fliegen würden, und so wie es immer Menschen gibt, die Probleme haben, würden einige nicht an ihrem Ziel ankommen. Und er sagte, man habe mit den kirchlichen Autoritäten Rücksprache gehalten – ich weiß nicht auf welcher Ebene –, um einen Weg zu finden, der christlich und wenig gewaltsam sein würde.

Von wem und auf welchem Wege wurden sie verurteilt?

In der ESMA 4 war Admiral Chamorro 5 die Nummer Eins. Ich weiß nicht, ob er sich mit anderen Befehlshabern abgesprochen hat oder ob es seine eigenen Entscheidungen waren. Für mich war das ein Thema, das keiner Diskussion bedurfte. Ich ging davon aus, dass es vollständig durchdacht worden war. Wir waren überzeugt, dass es die humanste Art und Weise war, so wie es uns Mendía gesagt hatte.

Wurden Mendía Fragen gestellt?

Ja.

Was ist er gefragt worden?

Eine Frage bezog sich auf das Tragen der Uniform. Was er gesagt hatte, war erstaunlich und schockierend.

Hat Mendía es als etwas verkündet, das bereits beschlossen war?

Es tauche in den schriftlichen Plänen der Marine auf: spezielle militärische Operationen. So hat er es erklärt, als etwas, das von der Organisation so geplant worden war. Die Einsatzgruppe 3.3., die in der ESMA agierte, war dafür vorgesehen.

Ein militärischer Befehl muss klar und präzise sein. Nach dem, was Sie berichten, überbrachte Mendía nur ein diffuses Konzept in einem rätselhaften Satz.

Es war eine allgemeine Beschreibung des Themas. Er stellte einen Handlungsrahmen vor, keine Details, die wurden später in den einzelnen Einheiten erklärt.

Sie sagen, dass es das schriftlich gab. Aber die Flüge tauchen in den Plänen der Marine, die später, während des Prozesses gegen die Militärjunta 1985 6, bekannt wurden, nicht auf?

Nein. Was es schriftlich gab, war der Ausdruck "spezielle militärische Operationen".

Wie sind die Verlegungen per Flugzeug, die Sie in Ihrem Brief an Videla erwähnen, konkret abgelaufen?

Die, an denen ich teilgenommen habe?

Ja. Wie haben Sie die Befehle erhalten?

Mein direkter Vorgesetzter hat sie mir erteilt. Etwa Mitte 1977, als ich in der ESMA stationiert war, rief mich der Chef der Verteidigung an, Fregattenkapitän Adolfo Maria Arduino. Er war die Nummer Drei und stieg dann zur Nummer Zwei auf, als der Kapitän zur See Salvio Menéndez verletzt wurde. Arduino hat mir gesagt, dass ich einen Flug machen müsse und deshalb in Dorado vorstellig werden sollte. Das war die Zentrale im Gebäude der Offiziere, in der die Befehle erteilt wurden. Es war völlig klar, dass das jeden treffen konnte, wir rotierten ja und die gesamte Marine war involviert. Es war ein Befehl und der wurde befolgt. Es gab keine Zweifel, es war auch nichts Seltsames oder Geheimes daran. Arduino wurde dann Vizeadmiral und Chef der Marineeinsätze.

Aber innerhalb der operativen Gruppen wurden die Hierarchien nicht respektiert, die Befehlskette wurde unterbrochen.

Es gab Kommandogruppen. Später wurde das wieder normal, dann kehrte man zu den Hierarchien zurück, wie sie eigentlich waren. Das waren geheime Operationen.

Und es hat niemanden überrascht, dass eine so schwerwiegende Entscheidung, wie jene, Menschen umzubringen, nicht im Rahmen des normalen Prozederes und durch eine von den Verantwortlichen gegengezeichnete Order kam?

Nein. Es gibt keine Armee, in der alle Befehle schriftlich festgehalten werden, das wäre unmöglich durchzuhalten. Das System, das entwickelt worden war, um die Subversiven zu eliminieren, war institutionell geplant, es konnte Erschießung bedeuten oder andere Arten der Eliminierung. Sie werden sich vorstellen können, dass nicht irgendeine Bande Flugzeuge in Bewegung setzt, sondern die Streitkräfte. Die Befehle, die wir erhalten haben, waren außergewöhnlich, aber sie waren kohärent in der Funktion des Krieges, in dem wir uns befanden, sowohl mit Blick auf die Festnahmen als auch auf die Eliminierung des Feindes.

Niemand hat je gefragt, warum es keine schriftlichen Erschießungsbefehle gab und die Erschießungen nicht öffentlich waren?

Doch, das war eines der Themen, das bei jener Sitzung mit dem Chef der Marineeinsätze, besprochen wurde. Man hat dort nicht gesagt, was mit den Gefangenen passieren würde, damit diese Information nicht herauskommt und dadurch Verunsicherung beim Feind provoziert. Das war zumindest die theoretische Begründung, die man uns damals gegeben hat. Die Zeit hat gezeigt, dass das Motiv ein anderes war. Jahre später, während des Junta-Prozesses, da hat keiner etwas davon gesagt.

Glauben Sie, dass es schon damals Überlegungen gab, sich der Verantwortung zu entziehen?

In jenem Moment? Das weiß ich nicht. Aber dass sie sich dann der Verantwortung entzogen haben, darüber gibt es keinen Zweifel. Warum hat man den Bürgern bis heute nicht die Wahrheit gesagt, nach 20 Jahren? Wenn das legale Befehle waren – was hat man dann zu verheimlichen? Warum hat der Kongress nicht alle notwendigen Informationen, um zu entscheiden, ob Rolón und Pernías befördert werden sollen oder vielleicht beim nächsten Mal Astiz 7?

Was ist geschehen, als Sie in Dorado vorstellig wurden?

An einer Wandtafel sind die Befehle angeschlagen. Dort steht, wer in der Kolonne ist, die mit den Gefangenen zum Militärflughafen von Buenos Aires fährt.

Haben Sie gesagt, "Kolonne, die zum Flughafen fährt"?

Ich kann mich nicht genau an den Ausdruck erinnern, aber ja, es war eben die Kolonne, die zum Flughafen fuhr.

In den Unterhaltungen untereinander, wie haben Sie darüber gesprochen?

Der Flug.

Der Flug?

Ja, es wurde von einem Flug gesprochen. Es war normal, auch wenn es aus heutiger Sicht wie eine Monstrosität wirkt. Genau so wie Pernías und Rolón den Senatoren erzählt haben, dass die Folter die reguläre Methode war, um Informationen von den Gefangenen zu erhalten, das war das Gleiche. In dem Schema des Krieges, in dem wir uns zu befinden glaubten, war das eine der Methoden.

Auf der Wandtafel fanden Sie Ihren Namen und die Namen der anderen, die fahren sollten?

Den Decknamen.

Kannten Sie auch untereinander nicht ihre richtigen Namen?

Doch, jeder einzelne kannte die Namen. In der Marine kennen sich alle.

Welchen Sinn machte es dann, Decknamen zu benutzen?

Damit der Feind unsere richtigen Namen nicht erführe. In der ESMA gab es Subversive, die mit uns zusammen gearbeitet haben. Wenn jemand in Uniform reinkam, wurden auch grundsätzlich die Rangabzeichen entfernt, damit man ihren Dienstgrad nicht erkennen konnte.

Erzählen Sie mir, was als Nächstes geschah?

Ich ging in den Keller, da warteten die, die fliegen würden. Von denen im Keller blieb niemand übrig. Dort informierte man sie, dass sie in den Süden verlegt und deshalb eine Impfung erhalten würden. Man gab ihnen die Impfung ... also ich meine, eine Dosis Betäubungsmittel. Dadurch schliefen sie ein.

Dosis von was?

Das weiß ich nicht, eine Spritze.

Wer hat die verabreicht?

Einer der Ärzte, der dort Dienst tat.

Ein Arzt der Marine?

Ja. Dann brachte man sie zu einem Lastwagen der Marine, ein grüner Lastwagen mit einer Plane. Wir fuhren zum Militärflughafen, zum Hintereingang, und dort erfuhren wir, dass der Flug nicht mit einer Electra der Marine, sondern mit einer Skyvan der Küstenwache durchgeführt werden würde. Da dort nicht alle reinpassten, wurden die Gefangenen in zwei Gruppen aufgeteilt. Ich hatte da gar nichts zu sagen. Keine Ahnung, warum sie mich für den ersten Flug auswählten. Wir gingen zu zweit an Bord, ich und mein Vorgesetzter, der Aufseher über die Abteilung Fahrzeuge, Leutnant Vaca, bei dem später herauskam, dass es sich gar nicht um einen Leutnant handelte, sondern um einen zivilen Anwalt, der unter Vertrag stand und ein Cousin von Tigre Acosta, dem Geheimdienstchef der Einsatzgruppe, war. Dann wurden die völlig benommenen Subversiven ins Flugzeug gebracht.

Halten Sie diese Menschen immer noch für Subversive oder benutzen Sie dieses Wort jetzt, weil wir das hier aufzeichnen?

Ich beschreibe es Ihnen, wie es in jenem Moment war.

Deshalb habe ich ja die Zeitform geändert. Halten Sie die Menschen heute immer noch für Subversive?

Nein.

Wie würden Sie sie heute nennen?

So wie die Dinge heute stehen, wo leider immer noch alles verheimlicht wird und niemand die Wahrheit sagt, glaube ich, dass sowohl diejenigen, die da ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben und so gestorben sind, als auch wir, die wir dort eingesetzt waren, letztlich zwei Gruppen nützlicher Idioten waren, die nur benutzt worden sind. Wie viele bedeutende Subversive sind denn gestorben? Schauen Sie doch mal, was für Leute dort gestorben sind?

Was für Leute waren es?

Ich glaube nicht, dass jemand gestorben ist, der schrecklich wichtig oder gefährlich war ... Natürlich war das Land in einem chaotischen Zustand. Aber das hätte man problemlos auch anders lösen können. Das denke ich heute, es gab überhaupt keine Notwendigkeit, sie alle zu töten. Man hätte sie an irgendeinem Ort des Landes verstecken können. Es waren ja nicht nur die Streitkräfte, die die Verantwortung trugen, die Mehrheit der Gesellschaft war ja mit der Barbarei, die damals verübt wurde, einverstanden.

Wie äußerte sich dieses Einverständnis?

Ich glaube nicht, dass die Gesellschaft aus Angst vor dem Terror einverstanden war. Ich glaube, dass sie es von den Streitkräften erwartet hat oder dass sie es zumindest gut hieß. Der eine oder andere Exzess bei dem Vorgehen der Militärs, der wurde nicht verurteilt. Es wurde akzeptiert. Es hat sehr wenige Stimmen der Ablehnung gegeben. Wenn die Mehrheit der Gesellschaft ihre Ablehnung manifestiert hätte, dann wäre die Sache anders gelaufen. Heute sage ich Ihnen, das war eine Barbarei. Damals, in dem Moment, da waren wir völlig überzeugt von dem, was wir taten. So wie wir ausgebildet worden waren, in der Situation, in der das Land war, wäre es eine glatte Lüge, wenn ich behaupten würde, ich täte das Gleiche nicht wieder, wenn ich wieder in genau diese Situation käme. Das wäre heuchlerisch. Als ich all das getan habe, war ich vollkommen überzeugt, dass es sich um Subversive handelte. Dass ich Ihnen das hier jetzt alles erzähle – und im Detail, weil Sie danach fragen –, dann deshalb, weil ich glaube, dass man die Wahrheit erfahren sollte. Aber glauben Sie nicht, dass mich das besonders glücklich macht oder dass es mir besonders gut tut. Jetzt und hier würde ich nicht sagen, dass es Subversive waren. Es waren Menschen. Wir waren total überzeugt, niemand stellte es in Frage, es gab auch keine Option – wie Rolón es im Senat gesagt hat. Die Mehrheit hat einen Flug mitgemacht, es gab ja dieses Rotationsprinzip, es war auch eine Art Kommunion.

Worin bestand diese Kommunion?

Es war etwas, dass man getan haben musste. Ich weiß nicht, was Henker empfinden, wenn sie Menschen umbringen müssen, das Messer der Guillotine herunterlassen oder den Knopf für den elektrischen Stuhl drücken. Es hat niemandem gefallen, so etwas zu tun, es war nichts Angenehmes. Aber man hat es getan und man hat geglaubt, dass es die beste Art und Weise war. Es wurde nicht diskutiert. Es war etwas Höheres, das man für das Land getan hat. Ein höherer Akt. Das ist sehr schwierig zu verstehen und zu erklären, erst recht, nachdem so viel Zeit vergangen ist, und jetzt, wo man die Dinge anders sieht.

Das Wort Kommunion hat einen mystischen, charismatischen Klang?

Ja. Das war so. Wenn man den Befehl erhalten hatte, dann wurde darüber nicht mehr gesprochen. Man hat ihn automatisch erfüllt.

Haben alle dabei mitgemacht?

Das Rotationsprinzip funktionierte im ganzen Land. Vielleicht hat sich der eine oder andere davor retten können, dann aber eher zufällig. Wenn es ein kleines Grüppchen gewesen wäre, aber das war es eben nicht, sicher nicht, es war die ganze Marine. Die ESMA hatte einen ständigen Mitarbeiterstab, den sogenannten Staff, die Einsatzgruppe, die permanent dort war, und eine andere Gruppe, die alle drei Monate wechselte. Und unabhängig davon wurden Offiziere aus dem ganzen Land delegiert, für ein Wochenende oder einen Tag. Die Flüge waren immer mittwochs. Der Staff ging raus und hat legale Befehle erledigt, sie haben nicht getötet oder gemordet. Sie haben Leute festgenommen und übergeben. Die Gehirnwäsche war total. Die Festgenommenen wurden eine halbe Stunde befragt, mehr Zeit war nicht, und dann hat Chamorro entschieden, wer getötet wurde.

Was war die Reaktion der Gefangenen, wenn man ihnen die Impfung für die Verlegung ankündigte?

Sie waren froh.

Schöpften sie keinen Verdacht, was da vor sich ging?

Überhaupt nicht.

Wie lange dauerte es, bis die Betäubung Wirkung zeigte?

Nicht lange.

Das heißt während der Reise?

Nein, bevor sie das Flugzeug bestiegen.

Der Lastwagen fuhr in einer Kolonne ...

... mit anderen Wachfahrzeugen. Sie wirkten wie Zombies, waren völlig benommen.

Aber sie konnten sich bewegen, um in den Wagen zu steigen?

Diese Fragen hier, die sind ein bisschen makaber, eigentlich sind sie total makaber. Das ist eine reale und konkrete Tatsache. Wenn Sie wollen, dass ich Ihnen davon erzähle, dann erzähle ich davon.

Das ist unvermeidlich. Sie sprechen in dem Brief an Videla darüber.

Weil das die Wahrheit ist, das ist geschehen. Oder haben Sie Zweifel daran?

Überhaupt nicht. Konnten sie trotz der Betäubung selbst in das Flugzeug einsteigen?

Nein, man musste ihnen helfen.

Ihnen war nicht klar, was mit ihnen passieren würde?

Da habe ich gar keinen Zweifel. Niemand ahnte, dass er sterben würde.«

Sie glaubten, sie hätten eine Impfung bekommen. Als sie dann merkten, dass sie zu Zombies wurden, das bedeutete nicht, dass ...

... nein, nein, überhaupt nicht.

Das Flugzeug hob ab. Wie ging es weiter?

Ich mag jetzt nicht mehr weitermachen.

Dieses Mal gelang es ihm, das Band zu stoppen.

Warum wollen Sie nicht weitermachen?

"Weil ich nicht will. Beim nächsten Mal."


Horacio Verbitsky ist Direktor der Menschenrechtsorganisation „Centro de Estudios Legales y Sociales” (Cels) in Buenos Aires, Journalist und Buchautor. Mit dem Cels begleitet er die fortwährende juristische und gesellschaftliche Aufarbeitung der Militärdiktatur

  • 1. Horacio Verbitsky: Der Flug. Wie die argentinische Militärdiktatur ihre Gegner im Meer verschwinden ließ. Aus dem Spanischen von Sandra Schmidt. Mandelbaum Verlag: Wien 2016
  • 2. Bevor Scilingo sich an Verbitsky wandte, hatte er sein Anliegen in verschiedenen Briefen dem Ex-Diktator Jorge Videla und dem aktuellen Chef des Generalstabs beschrieben. Beide haben nie geantwortet
  • 3. In der Sprache der Militärs galten alle Oppositionellen und Festgenommenen als Subversive, ganz gleich ob es Angehörige von Guerillagruppen, Gewerkschafter oder zufällig Verhaftete waren
  • 4. Escuela de Mecánica de la Armada, Mechanikerschule der Marine, seit den 1920er Jahren eine Marine-Ausbildungsstätte mitten in Buenos Aires. Während der Diktatur fungierte ein Teil des Geländes als geheimes Gefangenenlager
  • 5. Rubén Jacinto Chamorro, Admiral und Leiter der sogenannten Einsatzgruppe der ESMA. Er wurde wegen unrechtmäßiger Freiheitsberaubung, Folter und Mord verurteilt und starb 1986 im Gefängnis.
  • 6. Nach dem Übergang zur Demokratie 1983 wurden die Oberbefehlshaber der Diktatur zunächst in einem ersten Prozess 1985 zur Verantwortung gezogen und verurteilt. Durch zwei Gesetze und Begnadigungen kamen bis 1989 alle wieder frei.
  • 7. Alfredo Ignacio Astiz, Fregattenkapitän und Mitglied der Einsatzgruppe der ESMA
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