Nicaragua gegen die Zombie-Außenpolitik der USA

Die Lateinamerika-Politik der USA bleibt im "Herzen der Finsternis" des Imperialismus des 19. Jahrhunderts stecken

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Den USA ein Dorn im Auge: Die guten Beziehungen zwischen Russland und Nicaragua. Der Präsident der Russischen Föderation, Wladimir Putin, bei seinem Besuch in Nicaragua mit Präsident Daniel Ortega und der heutigen Vizepräsidentin Rosario Murillo (2014)
Den USA ein Dorn im Auge: Die guten Beziehungen zwischen Russland und Nicaragua. Der Präsident der Russischen Föderation, Wladimir Putin, bei seinem Besuch in Nicaragua mit Präsident Daniel Ortega und der heutigen Vizepräsidentin Rosario Murillo (2014)

Die kürzlich in der Washington Post erschienene Karikatur von Nicaragua übernimmt eher die Einstellungen des Imperialismus aus dem 19. Jahrhundert, als sich ehrlich mit dem Land zu beschäftigen.

Es war im November 2008, am US-Wahlabend, als ein Reporter hier in Nicaragua den damaligen US-Botschafter Robert Callahan fragte, welche Änderungen in der US-amerikanischen Lateinamerika-Politik unter dem neuen Präsidenten Barack Obama zu erwarten wären. Callahan, ein kampferprobter Diplomat in Sachen US-Todesschwadronen von Honduras bis zum Irak, antwortete, dass er keine Änderung absehen könne, da die US-Politik in der Region seit Jahrzehnten dieselbe sei. Es war dann auch tatsächlich nur ein paar Wochen nach Präsident Obamas vorgetäuschter Botschaft des guten Willens beim Gipfel der Amerikas 2009 in Trinidad und Tobago, als seine Regierung den militärischen Putsch in Honduras unterstützte. Wie Callahan voraussagte, ist die Regionalpolitik der USA von 2008 bis heute praktisch nicht zu unterscheiden von den vergangenen fünfzig Jahren – abgesehen von kosmetischen Änderungen gegenüber Kuba.

Jetzt stellen die herrschenden Eliten der USA sicher, dass Präsident Donald Trump wie seine Vorgänger an der Monroe-Doktrin festhält, unter der Lateinamerika und die Karibik seit der Zeit von Simón Bolívar1 leiden. Im Fall Nicaraguas finden sich die jüngsten Beispiele der Bemühungen von US-Eliten, Präsident Trumps Politik in der Region zu bestimmen, im Wiederaufleben des von Anti-Castro- Republikanern inspirierten Nica Act 2 und in einer Attacke psychologischer Kriegsführung der Washington Post vom 8. April: "Die Sowjetunion kämpfte in Nicaragua im Kalten Krieg. Jetzt ist Putins Russland zurück." Dieser Bericht ist ein beunruhigendes Zeichen dafür, dass der Flügel der US-Eliten, der mit der Demokratischen Partei verbunden ist, mit den Extremisten der Republikaner kooperieren wird, um Nicaragua wie in den 1980er Jahren anzugreifen.

Der Artikel ist eingebettet in eine gnadenlose Verfälschung des zeitgenössischen und historischen Hintergrunds und behauptet, dass Nicaragua eine Bedrohung für US-Interessen darstellt, weil es russische Ausrüstung für seine Streitkräfte bekommt und auch eine Bodenstation des russischen Satellitennavigationssystems Glonass beherbergt. Neben der Anerkennung des wertvollen Engagements Russlands in der Entwicklungszusammenarbeit mit Nicaragua, unterstellt der Bericht fälschlich: "In den vergangenen Jahren wurde die Partnerschaft militarisiert." Um die Propagandabotschaft zuzuspitzen, lässt der Autor wichtige Zusammenhänge weg, denn während Nicaragua beim Wirtschaftswachstum in Zentralamerika führt, bleibt sein Militärbudget im Vergleich zu seinen Nachbarn bescheiden. Die entsprechenden Verteidigungs- und Sicherheitshaushalte von 2017 der fünf größten zentralamerikanischen Länder sehen so aus:

Infografik eins Nicaragua

Die Zahlen widersprechen der irreführenden Darstellung der Washington Post. Costa Rica hat höhere Pro-Kopf-Ausgaben für Sicherheit und Verteidigung als alle anderen vier zentralamerikanischen Staaten, während Nicaragua am wenigsten ausgibt. Costa Rica tarnt seine Verteidigungsausgaben als "Ausgaben für staatliche Sicherheitskräfte", aber diese Einheiten nutzen militärische Waffen und werden von Armeen unter anderem in Kolumbien und Israel ausgebildet. Nicaraguas Streitkräfte ähneln denen seiner nördlichen Nachbarn. Obwohl es stimmt, dass Nicaragua mehr Panzer und Artillerieausrüstung hat, sind es fast komplett Bestände aus dem Krieg der 1980er Jahre. Aber El Salvador, Honduras und Guatemala verfügen über mehr Fluggeräte, während Honduras, Guatemala und Costa Rica eine größere Marine haben. Was das militärische Personal angeht, sind die entsprechenden Zahlen sehr ähnlich:

Infografik zwei Nicaragua

Für Nicaragua sind die Streitkräfte seiner Nachbarn jedoch viel gewaltiger als sie auf den ersten Blick scheinen, denn sie teilen Militärbasen, Einrichtungen und Abkommen mit der US-Armee. In Honduras ist Soto Cano die Militärbasis der US Joint Task Force Bravo und weitere US-Einrichtungen befinden sich in Catarasca in der Mosquitia, in Puerto Lempira und Puerto Castillo an der karibischen Küste sowie auf Guanaja, eine der Inseln der honduranischen Bucht. In Guatemala hat das US-Militär mindestens vier Basen zusammen mit den guatemaltekischen Streitkräften aufgebaut: San Jose, Champerico, Tecun Uman und Poptu. In El Salvador befindet sich die US Joint Task Force Eagle auf der Comalapa Luftwaffenbasis. Von vergleichbarer Bedeutung ist die anhaltende Genehmigung Costa Ricas für die Stationierung von 7.000 Soldaten und mehr als 40 US-Kriegsschiffen auf seinem Territorium.

Angeblich sind diese militärischen Stationierungen und Vereinbarungen ein Teil des fälschlich so benannten "Krieges gegen Drogen" der USA. Aber die Erfahrung Venezuelas und Boliviens ist, dass die US-Behörden oft das schützen, was sie als nützliche Interessen bezüglich Drogen auffassten, zum Beispiel im Zusammenhang mit dem ehemaligen Präsidenten Kolumbiens, Álvaro Uribe. Auf dieselbe Weise schützte der US-"Krieg gegen den Terror" von den USA ausgebildete, bewaffnete und mit Nachschub versorgte Terroristen in Libyen, Syrien und im Irak. Aus Sicht fortschrittlicher politischer Bewegungen in Lateinamerika und der Karibik sieht das Netz von US-Militärbasen ziemlich stark nach einem System militärischer Kontrolle in der Region aus und nach einem Mittel, um mögliche Brückenköpfe für Militärinterventionen zu schaffen. Nichts von diesem wesentlichen Zusammenhang kommt bei der Washington Post vor, denn er zeigt, wie die USA, nicht Russland, eine bedrohliche militärische Macht in der Region entfalten.

Die Washington Post schürt die Angst, dass Nicaraguas winzige Bodenstation des russischen Satellitennavigationssystems Glonass eine Spionage-Gefahr für US-Interessen darstellen könnte. Aber der Bericht verschweigt den monströsen US-Überwachungsapparat in der Region. Er verschweigt auch, dass das Glonass-Satellitensystem sehr wichtige technologische Fortschritte für Nicaragua und den Rest von Zentralamerika mit sich bringen wird. Zum Beispiel Vermessungstechnik, um das Katastersystem der Region zu verbessern, außerdem eine bessere Kontrolle des Schiffsverkehrs auf dem Meer und auf Flüssen, speziell der Fischerei. Informationen von Glonass werden dabei helfen, die Stromerzeugung und -verteilung zu optimieren. Das Satellitensystem wird Risiken für die regionale Bevölkerung beobachten und abmildern und die Kommunikation während Hurrikans sowie bei vulkanischer und Erdbebenaktivität sichern. Langfristig wird Glonass den Klimawandel mittels hochauflösender Fernerkundungsbilder beobachten und so helfen, die landwirtschaftliche und viehzüchterische Praxis zu optimieren, da sich das Wettergeschehen verändert.

Die US-Entwicklungszusammenarbeit versagt dabei, einen solchen Technologietransfer zu leisten. Die Glonass-Technologie wird nicht nur für die staatlichen Institutionen der Region verfügbar sein, sondern auch für private Unternehmen, einschließlich Firmen und Investoren aus den USA. Die Washington Post erwähnt keinen der regionalen Nutzen durch den Glonass-Technologietransfer an Nicaragua. Stattdessen unterstützt der Artikel den destruktiven Nica Act, der vom extrem rechten Flügel der Republikaner im US-Kongress vorangetrieben wird. Nicaragua ist eine sehr kleines, verletzliches Land. Es kann sich international mit niemandem schlechte Beziehungen leisten. Gegenwärtig bestehen wichtige Beziehungen in der Entwicklungszusammenarbeit mit Taiwan, Südkorea und Japan und wichtige Handelsvereinbarungen mit der Europäischen Union, den USA, Chile und Mexiko. Das Land unterhält freundschaftliche Beziehungen mit fast jedem Partnerland der USA, wie auch mit Ländern, die mit Russland verbunden sind.

Nicaragua tut mehr als andere Staaten in der Region für Frieden und Sicherheit mittels des Systems der zentralamerikanischen Integration (SICA), das Belize, Panama und die Dominikanische Republik einschließt. Als Mitglied der Bolivarischen Allianz (Alba) und von Petrocaribe arbeitet Nicaragua unermüdlich für die regionale Integration durch friedliche Zusammenarbeit und komplementären Handel. Seit 2007, in einer ungünstigen Weltwirtschaft, die beherrscht ist von einer erneuten Krise des westlichen Konzernkapitalismus, überholte Nicaraguas Wirtschaftswachstum alle seine Nachbarn, indem es seine Gesellschaft und Wirtschaft durch sozialistisch inspirierte politische Maßnahmen transformierte und Dialog, Solidarität und nationale Einheit beförderte. Diese Karikatur der Washington Post erklärt gar nichts über Nicaragua. Sie spiegelt stattdessen wider, wie die Zombie-Außenpolitik der USA in der Region im "Herzen der Finsternis" des Imperialismus des 19. Jahrhunderts stecken bleibt, unfähig, sich der Entwicklung einer multipolaren Welt zu stellen.

  • 1. Simón Bolívar, südamerikanische Kämpfer gegen die Kolonialherrschaft, gilt in Lateinamerika als Befreiungsheld
  • 2. Nicaragua Investment Conditionality Act. Mit diesem Gesetz können die USA Kredite internationaler Finanzinstitutionen für Nicaragua blockieren. Die darin vorgesehenen Bedingungen waren die Durchführung von "freien und transparenten Wahlen", die von Wahlbeobachtern überwacht werden sollen. Außerdem wurden Reformen gefordert, die "zur Stärkung der Demokratie und der Menschenrechte" beitragen sollen. Von der Obama-Administration unterstützt, wurde der Nica Act noch im Jahr 2016 im US-Kongress beschlossen. Kürzlich forderten Abgeordnete des Kongresses eine Verschärfung dieses Gesetzes. Die neue Version fordert von der Regierung Nicaraguas "substantielle Schritte für die Erneuerung der Demokratie, Kampf gegen Korruption, die Einhaltung der Menschenrechte und die freie Zulassung politischer Parteien der Opposition"
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