Kolumbien / Politik / Militär

Kolumbien: Studie bringt staatliche Verbrechen unter der Regierung Uribe ans Licht

Omar Rojas, Mitautor des Buches "Außergerichtliche Hinrichtungen 2002-2010. Blinder Gehorsam auf fiktiven Schlachtfeldern", über seine Nachforschungen

falsos-positivos-kolumbien.jpg

Rojas und Benavides Silva haben die bisher umfassendste und genaueste Studie zum Thema der falsos positivos in Kolumbien vorgelegt
Rojas und Benavides Silva haben die bisher umfassendste und genaueste Studie zum Thema der falsos positivos in Kolumbien vorgelegt

Das vor wenigen Monaten erschienene Buch von Omar Eduardo Rojas Bolaños und Fabián Leonardo Benavides Silva ist in Zusammenarbeit mit Wirtschafts- und Geschichtswissenschaftlern, Psychologen und Soziologen entstanden und bezieht verschiedenste Quellen ein. Damit ist es die bisher umfassendste und genaueste Studie zum Thema der falsos positivos in Kolumbien. Als falsos positivos werden zivile Opfer bezeichnet, die während des Bürgerkrieges von Soldaten der kolumbianischen Armee wahllos erschossen wurden und als gefallene Guerilla-Kämpfer ausgegeben wurden, um so in den Genuss von Sonderprämien, wie Urlaub oder Beförderungen, zu kommen.

Artikel 11 der kolumbianischen Verfassung von 1991 legt kategorisch fest: "Das Recht auf Leben ist unantastbar. Es wird keine Todesstrafe geben." Von daher handelt es sich bei den außergerichtlichen Hinrichtungen oder den falsos positivos um ein Morddelikt an Zivilisten, verübt durch das Militär. Auch wenn die Nachforschungen ergeben haben, dass die ersten Fälle bereits Mitte der 1980er Jahre registriert wurden, hat sich die systematische Praxis dieser Verbrechen erst mit der sogenannten Demokratischen Sicherheitspolitik, der Aufstandsbekämpfungsstrategie unter der Regierung Álvaro Uribe Vélez (2002-2010) entwickelt. Ziel war es gedemütigte Guerilla-Mitglieder und militärische Erfolge vorzuzeigen.

Verwirrende Zahlen

Als Álvaro Uribe 2002 an die Macht kam, erklärte das Militär, dass die Guerilla aus etwa 30.000 bewaffneten Personen bestünde. Am Ende seiner zweiten Amtszeit im Jahr 2010 präsentierten die gleichen Militärs folgende Zahlen: 19.405 Tote, 63.747 Festnahmen, 44.954 Demobiliserte auf Seiten der Guerilla. Das ergibt eine Bilanz von 128.106 Aufständischen, die entweder getötet, festgenommen oder demobilisiert wurden. Woher kamen all die getöteten, festgenommenen und demobilisierten Aufständischen auf einmal?

Die Zahlen zu den sogenannten falsos positivos sind verwirrend. Die Demokratische Sicherheitspolitik von Uribe spricht lediglich von 42 Fällen in denen es zu einer außergerichtlichen Hinrichtung kam, während die Generalstaatsanwaltschaft im Jahr 2015 bereits 4.500 Fälle registriert hatte, die Menschenrechtsorganisation Kolumbien-Europa-USA (CCEEU ) 5.700 Fälle verzeichnete und weitere Nichtregierungsorganisationen von bis zu 6.200 Fällen berichten.

Im Jahr 2010 bestätigte der Verteidigungsminister die Zahl der Gefallenen von 19.405. In einer Statistik von 2014 tauchten dann nur noch 15.925 Tote auf. Was ist mit den mehr als 4.000 Personen passiert, die in den offiziellen Zahlen nicht mehr auftauchen? Für Omar Rojas sind das falsos positivos: "Diese etwa 4.000 Toten kommen noch zu den über 6.000 hinzu, die von den NGO angegeben werden. Damit haben wir über 10.000 Fälle. Das sagen selbst die Verantwortlichen für die außergerichtlichen Hinrichtungen", sagt Rojas und verweist auf die offiziellen Quellen, die das belegen. Und es geht noch weit darüber hinaus. So erzählt Rojas, dass "einer der Verantwortlichen, den wir interviewt haben, uns versichert hat, dass auch wenn es lediglich in 48 Fällen Beweise gegen sie gibt, er in Wahrheit mehr als hundert Personen ermordet hat".

Antioquia ist das Departament, das durch diese Verbrechen am meisten Opfer zu beklagen hatte und gleichzeitig war es die politische Festung Álvaro Uribes. Das überrascht Rojas wenig und er gibt zu bedenken, dass "Antioquia eines der Departamente ist, in dem es das größte Beziehungsgeflecht zwischen Paramilitär, Drogenhandel und Staatsdienern, also Polizei oder Militär gibt". Die Zahlen bestätigen dies. Die Berichte der Gruppe Historische Erinnerung (Grupo de Memoria Histórica) geben an, dass von den 1.982 Massakern, die zwischen 1980 und 2012 von bewaffneten Gruppen verübt wurden, 598 in Antioquia stattfanden, was 30 Prozent entspricht. Zu diesen Massakern sollte man auch die Vernichtungspläne gegen die Partei Patriotische Union (UP) und die soziale Bewegung hinzurechnen. Seit der Unterzeichnung des Friedensvertrages zwischen den Farc und der kolumbianischen Regierung im Jahr 2016, wurden allein in Antioquia 32 Anführer sozialer Bewegungen ermordet.

Das Wie und das Wer

An den staatlichen Verbrechen, den sogenannten außergerichtlichen Hinrichtungen, waren alle bewaffneten Kräfte beteiligt: Die Armee, die Polizei, die Marine und die Luftwaffe. Laut dem Buch errichteten sowohl die Polizei als auch die Armee Straßensperren, hielten Busse an, gingen hinein, kontrollierten die Papiere und forderten junge Leute zum Aussteigen auf, die später als Leichen auftauchten. Rojas erklärt, dass "90 Prozent der Verbrechen vom Militär verübt wurden, aber wir zeigen auch Operationen auf, bei denen alle bewaffneten Kräfte zusammengewirkt haben, so beim Transport der Opfer in Helikoptern der Luftwaffe. Auch das Nationale Institut für Haftanstalten hat falsos positivos auf dem Gewissen, denn sie lieferten Gefangene ab, um sie hinrichten zu lassen".

Auch wenn der 2011 aufgelöste Inlandsgeheimdienst DAS nicht direkt in diese Verbrechen verwickelt war, unternahm er doch zahlreiche Überwachungen und illegale Verhöre und versorgte den Staat und die Paramilitärs mit den notwendigen Daten von Gewerkschaftern, sozialen Anführern, linken Aktivisten und Menschenrechtsverteidigern, um sie umzubringen. Das Buch berichtet auch darüber, wie paramilitärische Gruppen ungehorsame Männer aus den eigenen Reihen beim Militär ablieferten, um sie zu brechen und ihnen Gehorsam beizubringen. Zugleich kam es auch zu Infiltrierungen in die kriminellen Banden (Bacrims): "Die Militärs haben ihnen gesagt, das sie wüssten, wo die Waffen und das Geld der Guerilla versteckt seien und versprachen ihnen, wenn sie es holten, die Hälfte der Beute. Als die Bacrims ankamen trafen sie auf ein Einsatzkommando, das sie eliminierte".

Rojas gibt zu bedenken, dass die bestehende Information über die Demobilisierung von Guerilla-Mitgliedern auch dazu benutzt wurde Geschäfte abzuwickeln, die auf gezielte Verbrechen hinausliefen. "Es war eine Allianz zwischen den staatlichen und paramilitärischen Kräften, wo es zu willkürlichen Verhaftungen kam, man Opfer hat verschwinden lassen und sie dann ermordete."

Auch viele der von Paramilitärs verübten Massaker wurden im Nachhinein in den Massenmedien als Niederschlagung der Guerilla dargestellt: "Sie gingen in ein Dorf, ermordeten zwei, drei Bauern, verständigten das Militär und dieses übernahm die Verantwortung für die Operation. Also sind es weder falsos positivos noch außergerichtliche Hinrichtungen; was diese Studie zeigt ist, dass es staatliche Morde sind. Das haben wir hinreichend mit Beweisen belegt".

"Hilfe" aus Nordamerika – Ohne Geld keine falsos positivos

Die Studie zeigt, dass mit Hilfe der allseits bekannten wirtschaftlichen Vergünstigungen, der Ehrenauszeichnungen, Beförderungen, des Sonderurlaubs und weiteren Anreizen für die Militärs, das politische Ziel der Demokratischen Sicherheitspolitik erreicht wurde. Der Öffentlichkeit wurde gezeigt, dass die Operationen effektiv waren und dass die Militärs den Krieg gewinnen, finanziert durch die USA.

Rojas berichtet: "Ein General der Armee, den wir für die Studie interviewen konnten sagte mir, dass alles möglich gewesen sei, weil es genug Geld gab, Geld von allen Seiten, und das habe man nutzen müssen, weil jeder die Hand nach dem Geld ausgestreckt habe. Die USA verlangten Ergebnisse für die Finanzierung des Plan Colombia. Dieses Geld wurde also auch für außergerichtliche Hinrichtungen genutzt, um den USA Ergebnisse präsentieren zu können. Ein anderer Geldtopf, der angezapft wurde, war ein spezieller Rücklagen-Etat, den Uribe allein für die Belohnungen nutzte. Ohne Geld, keine falsos positivos. Zum Beispiel im Falle der falsos positivos von Soacha. Hier brauchte man Geld, um die Rekruten, die oft Ex-Mitglieder von paramilitärischen waren, zu bezahlen. Danach musste der Transport von Soacha nach Bucaramanga bezahlt werden, einigen wurde die Fahrt über den Landweg bezahlt und man gab ihnen einen Vorschuss, um sie glauben zu machen, dass die Arbeitsversprechen ernst gemeint waren. Sie haben Uniformen und Stiefel gekauft, Computer eingerichtet; sie kauften Waffen von den Paramilitärs, sie bezahlten die Anführer, die Soldaten (…). Die Offiziere bereicherten sich nicht nur an diesem Geld, sondern heimsten darüber hinaus auch noch die Belohnungen ein; das war ein kriminelles Unternehmen. Die Beweise über die Herkunft dieses Geldes sind in dem Buch aufgeführt."

Der Versöhnungsbund FOR (Fellowship of Reconciliation) und die CCEEU haben die Beziehung zwischen dem Plan Colombia und den falsos positvos untersucht. Man kam zu dem Schluss, dass ein hoher Prozentsatz der Offiziere, die sich für diese Verbrechen hergegeben hatten, in der US-amerikanischen Escuela de las Americas militärisch ausgebildet worden war. Der Bericht zeigt auch die direkte Beziehung zwischen den falsos positivos, der imperialistischen Doktrin und der Ausbildung auf, die die Mitglieder des kolumbianischen Militärs von den USA erhalten hatten.

Die Verwaltung der Todesfälle

Keiner anderen Studie ist es bisher gelungen aufzuzeigen, dass es ein Davor, ein Während und ein Danach gab. Diese drei Planungsphasen wurden von verschiedenen Kommandeuren der Armee ausgeführt. Sie stimmten die Einsatzorte ab, an denen scheinbare Niederschlagungen der Guerilla stattfinden sollten, vereinbarten woher sie die Opfer nehmen und wie sie sie ermorden würden. Das heißt "kein falso positivo war ein Zufallsprodukt", so Rojas, alles war geplant.

Beim Davor spielte der psychologische Faktor eine große Rolle, sowohl der interne wie der externe. Rojas veranschaulicht dies: "Die Verantwortlichen für die psychologische Kriegsführung und auch der Geheimdienst näherten sich den Gemeinden, die es anzugreifen galt, an und sorgten dort für Unsicherheit, um die Gemeinden zum Schweigen zu bringen." Intern indoktrinierten sie die Soldaten, um sie glauben zu machen, dass sie die Moral der kolumbianischen Gesellschaft verteidigten und die Pflicht hätten, die kommunistischen castro-chavistischen Feinde zu eliminieren. Man sagte ihnen, dass der Feind im eigenen Land die Verteidiger der Menschenrechte und die Anführer der sozialen Bewegungen seien und überzeugte sie davon, dass der Kommunismus dabei wäre, Kolumbien zu übernehmen. "Diese Gruppe aus Verantwortlichen lud auch Journalisten ein, militärische Einheiten oder die Polizei für zwei oder drei Tage zu besuchen; sie schliefen mit ihnen im Urwald, ließen sie bei den militärischen Übungen zuschauen, um sie mit Stolz zu erfüllen. Als es dann zu den Hinrichtungen kam, hatten sie sich die Loyalität bereits erkauft."

Dann kam das Während, also die Ermordungen im eigentlichen Sinne (die immer noch geschehen) und die anschließende Inszenierung der Ermordeten. Das Danach zeichnet sich aus durch die Strategie der Desinformation und der Unterlassung von Untersuchungen. Ein neuer Akteur erschien auf der Bühne: Das Militärgericht. Dazu Rojas: "Die Militärrichter kamen am Schauplatz der Verbrechen an, aber nicht um Untersuchungen durchzuführen, sondern um den Soldaten Anweisungen zu geben, wie sie ihre Aussagen machen sollten. In einem dieser Fälle kam eine Richterin des militärischen Strafgerichts zu einem Tatort, wo sie vier Jungen getötet hatten. Ein weiterer Junge war noch am Leben und als er die Richterin sah rief er 'Ich lebe', sie drehte sich daraufhin um und sagte 'Ich habe nichts gesehen', danach erschoss ihn ein Soldat."

Zu alledem kommen noch die vermeintlichen Demobilisierungen der Paramilitärs hinzu, die nur ihren Namen in Golf-Clan oder andere kriminelle Banden abgeänderten haben. Rojas weist darauf hin, dass nichts getan wurde, um den Paramilitarismus zu beenden: "Ich weiß wovon ich spreche, denn ich war im Militär. (…) Das Militär zwinkert den Paramilitärs zu. Es gibt Beweise, die wir auch im Buch aufzeigen, wo Paramilitärs Hand in Hand mit dem Militär und der Polizei patrouillieren. Ich habe in einem Dorf in Antioquia gelebt, wo die Paramiltärs regiert haben."

Die abgestumpfte Gesellschaft

Omar Rojas wurde auch von einigen Leuten kritisiert, da er gelegentlich die gesamte Gesellschaft für die falsos positivos verantwortlich macht. Er begründet das wie folgt: "Als die Militärs ausrückten, um ihren Part im Krieg zu erledigen, haben ihnen alle gesellschaftlichen Gruppen zugejubelt; und die, die es nicht getan haben, haben geschwiegen. Vom Präsidenten abwärts haben das alle gefeiert: Die Kirche, die wusste was passierte, segnete weiterhin die Waffen, mit denen sie die Jungs ermordet haben. Auch die Industrie und der Handel begrüßten die Taten und die Medien gaben dem Militär enormen Spielraum, obwohl die Stimme der Menschenrechtsverteidiger und verschiedener NGO sich bereits erhoben hatte, und selbst aus den eigenen Reihen des Militärs Anzeigen kamen". Und er fährt fort: "Die kolumbianische Gesellschaft ist unsensibel, eine Gesellschaft, die die Toten nicht schmerzt, sondern die sich darüber freut. Ich war auf einer Veranstaltung auf dem Plaza de Bolívar in Bogotá zum Gedenken an die Opfer der falsos positivos, es waren nicht mehr als 150 Personen da. Wir haben die Opfer nicht begleitet, wir sind unsensibel geworden." Ohne Zweifel ist dies ein Produkt des Krieges, der tief in den Charakter der kolumbianischen Gesellschaft eingedrungen ist. Rojas ergänzt: "Heute habe ich im Internet einen Kommentar von jemandem gelesen, dem die falsos positivos unter Uribe lieber seien, als kein Klopapier kaufen zu können. Das ist die Philosophie eines Großteils der kolumbianischen Gesellschaft".

Die politisch Verantwortlichen

Eindrücklich weist Rojas darauf hin, das die Verfassung von 1991 besagt, dass der Präsident der Republik gleichzeitig auch der Oberbefehlshaber der Armee ist und als Chef trägt er auch die Verantwortung für die Handlungen der Truppen. Und wer war der Oberbefehlshaber der kolumbianischen Armee von 2002-10? "Der Oberbefehlshaber, der für die 10.000 falsos positivos verantwortlich gemacht werden muss, weil sie mitnichten auf militärisches Versagen zurückzuführen sind, ist der Ex-Präsident Uribe", so Rojas. Seine Verteidigungsministerin war damals Marta Lucía Ramírez. Heute ist sie Vize-Präsidentin des uribistischen Präsidenten Iván Duque. Das erste, was Ramírez damals als Verteidigungsministerin gemacht hat, war die Leistung der militärischen Oberbefehlshaber zu evaluieren und sie begann "die Kommandanten auf Grundlage der Anzahl der Verluste auf Seiten der Terroristen zu bewerten", erklärt Rojas. Der letzte Zivilist, der in der Regierung Uribes als Verteidigungsminister arbeitete, war der Noch-Präsident Juan Manuel Santos.

Offene Straflosigkeit

Der Wissenschaftler Rojas bestätigt, dass viele Untersuchungen über die falsos positivos, an deren Ermordungen etwa 4.500 Soldaten beteiligt waren, in den Schubladen ziviler und militärischer Gerichte schlummern. Er weist darauf hin, dass wahrscheinlich weder die politisch Verantwortlichen noch die Oberen des Militärs irgendeine Art von Strafe erhalten, nicht einen Tag im Gefängnis verbringen und "sauber" aus der Sache rauskommen werden. Der Staat hat sogar einen Fonds zur Unterstützung angeklagter Militärs eingerichtet, doch für die Opfer wurde nichts dergleichen unternommen.

"Bei den außergerichtlichen Hinrichtungen wird nicht nach der intellektuellen Urheberschaft gefragt, sondern nur nach der praktischen Ausführung, was ziemlich lächerlich ist. Ein Offizier, der für 48 falsos positivos verurteilt wurde, sagte, dass er seine Taten nicht bereue; die Mütter und Familien der Opfer kommen kaum gegen diese Situation der Straflosigkeit an. So sind diese Familien für die nächsten 30, 40, 50 Jahre verdammt und die Täter werden noch nicht einmal fünf Jahre im Gefängnis verbringen. Und das schlimmste ist, dass auch wenn sie fünf Jahre einsitzen, diese Jahre auf ihre Rente angerechnet werden, weil der Staat ihnen weiterhin ihren Lohn bezahlt. Es ist eine Schande, dass es keine Gerechtigkeit gibt! Der kolumbianische Kongress ist verantwortlich, weil er die Wahrheit verleugnet hat, die Wahrheit ist das, was den Staat am wenigsten interessiert. Ich schäme mich", so der Autor. Doch Rojas gibt auch an, dass nicht alle Militärs und Polizisten in die Knie gegangen sind und das einige von ihnen die Ersten waren, die Anzeige erstattet haben, noch vor den NGO für Menschenrechte. Aber diese Soldaten wurden zum Schweigen gebracht.

Ausgehend von den Berichten der Studie vermutet Rojas, dass "uns eine Auslöschung der Vergangenheit bevorsteht". Das Verteidigungsministerium hat sich in das Nationale Zentrum für historische Erinnerung eingeklinkt und sich als Hauptakteur beim Aufbau des Erinnerungsmuseums in Stellung gebracht. In diesen zwei Institutionen, wo die bitteren Tage der Gewalt der letzten 50 Jahre dargestellt werden, könnte die Geschichte der staatlichen Verbrechen und der falsos positivos ausgelöscht werden. Die Armee kann die Geschichte umschreiben und so die Mörder als Helden darstellen.

Der Frieden und die Zukunft

Omar Rojas arbeitete 31 Jahre mit der Nationalen Polizei zusammen. Er ist Soziologe und Experte für öffentliche Sicherheit. Nach seinem Rückzug 2011 widmete er sich der wissenschaftlichen Lehre in Bogotá und Medellín sowie der akademischen Forschung im Institut für Soziohistorische Studien Fray Alonso de Zamora an der Santo Tomás-Universität in Bogotá. Außerdem ist er als Berater in Angelegenheiten der öffentlichen Sicherheit tätig, vor allem in der Nationalen Schutzeinheit UNP (Unidad Nacional de Protección) des Inneministeriums für gefährdete Personen. Er arbeitet in dem Bereich Sicherheit und Schutz, der speziell für die Begleitung des Prozesses der Wiedereingliederung ehemaliger Farc-Kämpfer eingerichtet wurde.

Gerade in der UNP erlebte er sein blaues Wunder, eine Verschwörung, die darauf abzielte, dass die Farc (jetzt als neue politische Partei) nun selbst für ihre Sicherheit verantwortlich sein sollte, entgegen aller Vereinbarungen, die in Kuba getroffen wurden. Rojas: "Das Vorhaben bestand darin, ihnen die Beratung und Begleitung zu entziehen, also bin ich aufgestanden, weil ich mit der Entscheidung nicht einverstanden war. Denn das war wie ein Freifahrtschein dafür, die Ex-Guerillas zu ermorden, genauso wie es mit den Mitgliedern der linken Partei Patriotische Union (Unión Patriótica) in den 1980er und 1990er Jahren gemacht wurde. Meine Loyalität gilt dem Friedensprozess, dafür haben sie mich berufen." Und er erzählt, dass die Militärs versucht haben an die Daten der Ex-Kämpfer zu kommen und er diese warnen musste. Wenn Iván Duque als Präsident vereidigt sei, würden als erstes die Stellen für die Farc in der UNP mit den Ergebenen von Álvaro Uribe Vélez besetzt werden.

Rojas weist auch auf die Gefahr der Weiterführung eines mafiösen Staates hin, der die Täter der falsos positivos vor juristischen Konsequenzen schützt und nur gewisse gesellschaftliche Gruppen wirtschaftlich bevorteilt. Mit Duque als Präsident, so Rojas, wäre Uribe vor jedwedem (inter)nationalen Urteil wegen der falsos positivos gefeit, ihm würde nichts passieren. Die "Rückkehr Uribes an die Macht", vernichte nicht nur den Traum vom Frieden, sondern verhindere auch die notwendige juristische Aufarbeitung der Opfer außergerichtlicher Hinrichtungen. Von daher komme auch die starke Abneigung der extremen Rechten und aus einigen Gruppen der Reserveeinheiten der Armee gegen den linken Präsidentschaftskandidaten Gustavo Petro. Sie setzten sich öffentlich für die Ermordung des progressiven Kandidaten ein und bezichtigten ihn ein "castro-chavistischer" Kommunist zu sein.

Der Preis für die Studie

Seine Nachforschungen über die falsos positivos und seine kritische Haltung in der UNP sind den bewaffneten Kräften negativ aufgestoßen. Also begann die Verfolgung, er wurde auf der Straße fotografiert und bedroht. Ein Koordinator des Militärgerichts veröffentlichte sein Foto in den Sozialen Medien und nannte ihn "Verräter" und "Oberst der Farc". Unter diesem Druck musste er fliehen. Rojas dazu: "Ein alter Freund aus dem Militär ist zur UNP gekommen und hat mir gesagt, dass ich abhauen soll, weil sie mich ermorden wollen. Ich sagte ihm, dass wenn ich solch einer Gefahr ausgesetzt bin, ich binnen eines Monats weggehen werde, aber er sagte ich müsse sofort gehen. Noch in derselben Nacht habe ich das Land verlassen".

Für Omas Rojas, der ins Exil gezwungen wurde, ist klar, dass die Verfolgung mit seinen Nachforschungen zusammenhängt: "Als ich eine Untersuchung über die Ermordung von Polizisten in den 1990er Jahren gemacht habe, hat niemand Einspruch erhoben, jetzt, wo es um die falsos positivos geht, wüten viele Polizisten, Militärs und Politiker von Uribes Partei Centro Democrático. Als Wissenschaftler ist es meine Pflicht, Studien über jene Phänomene zu erheben, die die Gesellschaft in einem bestimmten Moment betreffen."

"Das Problem der Polizei und des Militärs in Kolumbien ist, dass sie vergessen haben, dass sie sich der politischen Verfassung und der kolumbianischen Bevölkerung gegenüber loyal verhalten müssen, stattdessen schwören sie den Kriminellen die Treue. Illoyal sind all jene, die mich bedrohen, weil sie wissen, aus welchem Büro die Strategie der falsos positivos gekommen ist. Einige Ex-Mitglieder der bewaffneten Kräfte haben angefangen auszupacken, wir sind ehrlich und verfechten die Menschenrechte", bekräftigt Rojas.

Der Beitrag erschien in zwei Teilen zuerst bei Poonal. Leicht gekürzte Fassung