Der IWF hat die Situation Ecuadors verschlechtert

Die Kreditvereinbarung Ecuadors mit dem Internationalen Währungsfonds führt zur Zunahme von Arbeitslosigkeit und Armut

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IWF-Chefin Christine Lagarde mit Ecuadors Präsident Lenín Moreno beim Weltwirtschaftsforum in Davos im Januar 2019
IWF-Chefin Christine Lagarde mit Ecuadors Präsident Lenín Moreno beim Weltwirtschaftsforum in Davos im Januar 2019

Wenn die Menschen an den Schaden denken, den Länder mit hohem Einkommen, typischerweise angeführt von den USA und ihren Verbündeten, der Bevölkerung der restlichen der Welt zufügen, denken sie vor allem an Krieg. Hundertausende Iraker verloren in Folge der militärischen Invasion der USA 2003 ihr Leben und noch viele starben danach, als die Situation in der Region sich weiter verschärfte. Aber die reichen Länder haben auch durch die Kontrolle von globalen internationalen Institutionen eine enorme Macht über das Leben von Milliarden Menschen. Eine davon ist der Internationale Währungsfonds (IWF). Er hat 189 Mitgliedsstaaten, aber die USA und die mit ihnen verbündeten reichen Länder haben eine solide Stimmenmehrheit. Die Leitung des IWF ist gewöhnlich europäischer Nationalität; und die USA selber haben haben genügend Stimmen, um bei vielen Entscheidungen ihr Veto einzulegen, obwohl die reichen Länder fast nie gegeneinander stimmen.

Werfen wir einen Blick auf ein unlängst gewährtes IWF-Darlehen, um zu sehen, wie das Ganze funktioniert. Im März 2019 unterschrieb Ecuador ein Abkommen mit dem IWF, mit dem ihm ein Kredit von 4,2 MIlliarden US-Dollar für eine Laufzeit von drei Jahren gewährt wird, wenn und insoweit sich die Regierung an ein durch die Vereinbarung festgelegtes Wirtschaftsprogramm hält. In Worten der damaligen Leiterin des IWF, Christine Lagarde, ausgedrückt, war dies ein „integrales Reformprogramm mit dem Ziel, die Wirtschaft zu modernisieren und den Weg für ein starkes, nachhaltiges und gerechtes Wachstum zu ebnen“.

Das Erste, was man jedoch feststellen muss, ist, dass das Programm eine enorme Kürzung des Staatshaushaltes verlangt, ungefähr um sechs Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) in drei Jahren (um zu erfassen, was das bedeutet: In den USA wäre das eine Haushaltskürzung von 1,4 Billionen Dollar, umgesetzt durch eine Kombination von Kürzungen und Steuerhöhungen). In Ecuador bedeutete dies die Entlassung von zehntausenden Angestellten des öffentlichen Dienstes, die Erhöhung der Steuern, die in erster Linie die arme Bevölkerung betrifft, sowie Kürzungen von öffentlichen Investitionen.

Die Wirkung dieser umfangreichen fiskalischen Anpassungspolitik wird die Wirtschaft in eine Rezession stürzen. Der IWF geht von einer relativ leichten Rezession bis zum kommenden Jahr aus, aber wahrscheinlich wird sie wesentlich größer und langanhaltender sein, wie es oftmals geschieht, wenn die IWF-Programme umgesetzt werden. Die Arbeitslosigkeit und die Armut werden zunehmen, wovon auch der IWF ausgeht.

Ein Grund, warum die Situation möglicherweise noch wesentlich schlechter wird als vom IWF prognostiziert, ist, dass die Vereinbarung auf Annahmen basiert, die nicht haltbar sind. Zum Beispiel geht der IWF von einem Nettozufluss ausländischen Privatkapitals in die Wirtschaft von 5,4 Milliarden Dollar (rund fünf Prozent des BIP) im Zeitraum 2019 bis 2022 aus. Aber wenn wir uns die letzten drei Jahre anschauen, gab es einen Abfluss von 16,5 Milliarden Dollar (17 Prozent des BIP). Warum sollten die ausländischen Investoren jetzt enthusiastischer sein und ihr Geld nach Ecuador bringen? Sicherlich nicht wegen der Rezession, die auch der IWF vorhersagt.

Es gibt weitere unrealistische Annahmen, sogar einige, die auf Bilanzierungsfehler zurückzuführen sind, und leider gehen sie alle in die gleiche Richtung. Es scheint wenig wahrscheinlich, dass die Maßnahmen der „weitreichenden Austeritätspolitik“ des Programms – eine Strategie, die fast nie funktioniert – Ecuador zu einer weltberühmten Ausnahme macht, wo die Wirtschaft wächst, wenn die Gesamtnachfrage zurückgeht.

Das IWF-Programm will auch die Wirtschaft auf eine Weise umbauen, die für viele Ecuadorianer einen politischen Charakter zu haben scheinen. Die Zentralbank wird autonomer agieren; öffentliche Güter werden privatisiert; und das Arbeitsrecht wird so reformiert, dass die Arbeitgeber mehr Macht über die Arbeitnehmer haben. Einige dieser Änderungen ‒ zum Beispiel die Entkopplung der Zentralbank von anderen Regierungsentscheidungen ‒ werden die wirtschaftliche Erholung noch mehr erschweren.

All dies spielt sich unter einer Regierung ab, die 2017 auf der Grundlage vermeintlicher Kontinuität gewählt wurde und die jetzt die politischen Reformen des vorangegangenen Jahrzehnts rückgängig machen will. Diese Reformen waren sehr erfolgreich, wenn wir uns die Sozial- und Wirtschaftsdaten ansehen. Die Armut ging um 38 Prozent zurück, die absolute Armut um 47 Prozent; die öffentlichen Investitionen ‒ darunter Krankenhäuser, Schulen, Straßen und Zugang zu Strom ‒ wurden als Teil der Ökonomie verdoppelt, aber die Vorgängerregierung war eben eine linke Regierung mit größerer Unabhängigkeit von den USA, wie etwa, als sie die US-Militärbasis auf ihrem Territorium schloss.

Man kann sich schon vorstellen, wie das Panorama aussieht, wenn man bedenkt, dass die Regierung Trump eine große Macht über Ecuador nicht nur durch den 4,2-Milliardenkredtit des IWF erlangt hat, sondern auch durch die anderen Kredite multinationaler Institutionen mit Sitz in Washington, wie der Weltbank und der Interamerikanischen Entwicklungsbank (BID) in Höhe von sechs Milliarden Dollar (diese Summe stellt etwa zehn Prozent des jährlichen BIP von Ecuador dar, entsprechend wären das 2,1 Billionen Dollar im Falle der USA).

Tatsächlich braucht man gar nicht viel Phantasie, denn der neue Präsident Ecuadors, Lenín Moreno, hat sich der Außen- und Wirtschaftspolitik Trumps in der Region angepasst. Gleichzeitig verfolgt seine Regierung seinen Amtsvorgänger Rafael Correa juristisch mit falschen Anschuldigungen, die selbst Interpol nicht durch die Ausstellung eines internationalen Haftbefehls unterstützt. Andere Führungspersönlichkeiten der Opposition flohen aus dem Land, um eine illegale Untersuchungshaft zu verhindern (wie im Fall des ehemaligen Außenmisnister Ricardo Patiño wegen einer Rede, die der Regierung nicht gefiel).

Da Washington die Entscheidungsfindung des IWF für diese Region unter Kontrolle hat, sind die Regierung Trump und der IWF an der politischen Repression in Ecuador beteiligt; ebenso an dem umfassenden Versuch, die Politik und Wirtschaft des Landes so umzugestalten, wie Trump und Pompeo es gerne sehen würden, wofür die Mehrheit Ecuadorianer aber nicht gestimmt hatte.

All dies liefert noch mehr Gründe für eine ernsthafte Reform des IWF, beginnend damit, ihn in die multilateralere Institution umzuwandeln, die er vorgibt zu sein. [...]