Corona-Pandemie, Rassismus und Xenophobie

Der Beitrag aus Kuba zeigt auf, wie sich diese Phänomene in Zeiten von Corona manifestieren

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Aktivisten des chinesisch-kanadischen Rates für soziale Gerechtigkeit verteilen Desinfektionsmittel in Corona-Zeiten: "Stoppt die Verbreitung von Rassismus" (Stop the spread - of racism)
Aktivisten des chinesisch-kanadischen Rates für soziale Gerechtigkeit verteilen Desinfektionsmittel in Corona-Zeiten: "Stoppt die Verbreitung von Rassismus" (Stop the spread - of racism)

Covid-19 gibt es bereits in mehr als 180 Ländern, es ist eine tödliche Pandemie. Nicht alle Regierungen nehmen den Kampf dagegen mit Objektivität auf noch verteidigen sie die internationale Einheit, um sie zu besiegen.

Die Vereinten Nationen (UN) haben einen großen Aufruf zur Einheit gemacht; die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat nachdrücklich erklärt, dass es wichtig ist, nicht nach dem Schuldigen für das Virus zu suchen; tatsächlich ist sie nicht der Ansicht, dass es Schuldige gebe, wie verschiedene Verschwörungstheorien behaupten. Es geht darum, sich zu seiner Bekämpfung zusammenzuschließen, solidarisch zu arbeiten und diejenigen nicht zurückzulassen, die weder über die notwendigen Mittel noch über das erforderliche Humankapital verfügen.

Das ist etwas, das man bedenken muss, da es zu einem unveräußerlichen Teil der Letalität dieser Pandemie geworden ist: Die hemmungslose Entwicklung von Rassismus und Xenophobie; Geißeln, die seit Jahrhunderten Menschen vernichten. Sie sind Teil der Ausbreitung vieler Pandemien gewesen. Ihr weitreichenden Folgen zeigen sich in der Zerstörung vieler Völker.

Sie sind keine modernen Erscheinungen: Aber sie sind nicht immer bekämpft worden, Gesellschaften, in denen eine Haltung der Überlegenheit einiger Menschen über andere vorherrscht, sind auch kranke Gesellschaften, weil sie Ungleichheiten erzeugen.

Heute ist die Welt verändert, die meisten Regierungen haben den Kurs verloren, die Probleme von Tausenden von Jahren werden reproduziert, die Untugenden der Mächtigen äußern sich zunehmend in fremdenfeindlichen und rassistischen Positionen. Der Kampf gegen ein neues Coronavirus ist Teil dieses Szenarios.

Covid-19 ist neu – der Rassismus und die Xenophobie nicht

Seit die Menschen begannen, um die Macht der einen über die anderen zu kämpfen, tauchten die ersten Spuren von Rassismus und Xenophobie auf; sie hatten andere Namen, aber ihr Wesen war dasselbe. Es gab einen Machtkampf, der Sieger behandelte den Verlierer als Objekt, das denkende Wesen verschwand, und der Sieger, der sich als Spezies überlegen fühlte, war der Stärkere.

Bereits im antiken Griechenland gab es fremdenfeindliche Züge. Platon hat in seinen Schriften die "Polis" seiner eigenen Kultur auf Kosten der anderen überbewertet. Im Lauf der Geschichte hat sich Xenophobie unter den Zivilisationen manifestiert, und so sind insbesondere der Antijudaismus, der Rassismus gegen europäische und amerikanische Volksgruppen, der koloniale und neokoloniale europäische Rassismus in Afrika und die Ablehnung "der Zigeuner" entstanden; viele weitere Beispiele könnten angeführt werden.

Die Welt besteht nicht aus einer Reihe isolierter Sektoren, die Migration ist eines der herausragendsten sozialen Phänomene, das die Evolution des Menschen ermöglicht und zugleich zur Entwicklung fremdenfeindlicher und rassistischer Gefühle in allen Regionen der Welt geführt hat. Menschen migrieren aus verschiedenen Gründen: Hunger, Krieg, Pandemien, Terrorismus, persönliche oder Entwicklungen von Gruppen.

Verschiedene Prototypen haben dabei in uns selbst nebeneinander koexistiert, negative und positive; die Entwicklung der Rationalität und die Eindämmung fremdenfeindlicher Gefühle im Menschen, die Angst vor dem Andersartigen, die angeboren sein könnte oder auch nicht, vielleicht als Erinnerung an unsere Evolutionsgeschichte oder als Ergebnis der Unterdrückungsprozesse der Gewinner und Verlierer und der Ausbeuter und der Ausgebeuteten.

Die verschiedenen Formen der Herrschaft der Imperien vor und in unserer Zeit, die Bewegung der Kreuzzüge, die Konfrontationen zwischen verschiedenen Gruppen von Ureinwohnern, entwickelten eine Art von Xenophobie und Rassismus, der von den Siegern gerechtfertigt wurde.

Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts war besonders tragisch mit der Auslöschung von Millionen von Menschen in den Weltkriegen, die in vielen Fällen durch Xenophobie und Rassismus gerechtfertigt wurden. Der Sieg über den Faschismus sollte diese beiden Phänomene begraben. Die Realität sieht jedoch so aus, dass nazistische, neonazistische, rassistische und fremdenfeindliche Bewegungen fortbestehen und in Krisenzeiten mit größerer Stärke wieder auftauchen.

In Europa begannen in den 1980er Jahren unter dem Dach der rechtsextremen Parteien und der Boulevardpresse erneut die Ausbrüche von Xenophobie und Rassismus. Mit dem Fall des sozialistischen Lagers wurden die Bewohner der meisten Länder, die dieses gebildet hatten, zu Bürgern zweiter oder dritter Klasse, was sich bis ins 21. Jahrhundert fortsetzte.

Die Gründung der Fraktion "Identität, Tradition, Souveränität" (ITS) im Europäischen Parlament im Jahr 2007 ermöglichte die Zusammenführung der rechtsextremen und rassistischen Parteien von Österreich, Belgien, Frankreich und Italien sowie Bulgarien und Rumänien.

Die traditionellen faschistischen Parteien der Rechten haben sich entschieden, ihre Botschaft und das Profil ihrer Anhänger etwas zu mäßigen und einen versüßten Faschismus zu kreieren. Was früher rein faschistische Parteien waren, sind heute rechtspopulistische Formationen, deren Anhänger ein Spektrum aus Menschen mit faschistischer, rassistischer, fremdenfeindlicher Ideologie und der Arbeiterklasse entfremdete Weiße umfasst.

Die Bevölkerungen Afrikas tragen seit mehr als einem halben Jahrtausend Rassismus und Xenophobie auf ihren Schultern. Eine große Anzahl Menschen wurde von den Großmächten aus ihrer Heimat gerissen, um als Sklaven in anderen Ländern, vor allem in den Amerikas, zu dienen.

Zwischen dem Beginn des 16. und bis zum 19. Jahrhundert brachten die damaligen Mächte England, Frankreich, Spanien, Portugal und die Niederlande aus Afrika, vor allem aus Angola, Senegal, Gambia und Sierra Leone, rund 15 Millionen schwarze Sklaven in die Amerikas1.

Es gibt keine genauen Zahlen über die Opfer der begangenen Gräueltaten. Experten schätzen, dass insgesamt 100 Millionen Menschen deportiert wurden oder während der Deportation starben. Diese Zahl bezieht auch die Toten aus den Versklavungskriegen mit ein2.

Aber auch nach Erreichen der Unabhängigkeit blieben die meisten afrikanischen Länder unter dem Einfluss ihrer ehemaligen Metropolen, die ihre wirtschaftliche, politische und soziale Entwicklung auf unterschiedliche Weise beeinflussen. Heute zwar auf eine andere Art und Weise, aber mit einer rücksichtslosen Ausbeutung, mit Hungerkatastrophen in vielen Ländern und zahlreichen Krankheiten, darunter AIDS, das heute endemisch ist und Millionen Tote gefordert hat.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Rassentrennung, besser bekannt als Apartheid, ein beschämender Akt für die Menschheit mitten im 20. Jahrhundert, trotz der ständigen Anklagen in den meisten Foren multilateraler Organisationen gegen die reiche weiße Oligarchie und den US-Imperialismus.

Dank des Kampfes seines Volkes und der internationalen Solidarität mehrerer Länder wurde im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts der Sieg errungen. Südafrika konnte ein freies Land werden und die Resolution 435, die die Unabhängigkeit Namibias ermöglichte, wurde erfüllt. Dennoch entwickeln sich auf dem Kontinent mit der Unterstützung und Finanzierung der imperialistischen Hauptmächte immer noch rassistische und fremdenfeindliche Prozesse.

Der Nahe Osten ist eine ständige Konfliktzone. Diese Region ist ständig ein Vulkan der Gewalt, wo Xenophobie und Rassismus eine normale Praxis sind und sie ist gekennzeichnet durch Kriege, Sanktionen, Terrorismus, Unregierbarkeit, Finanzierung von "Revolutionen" durch Oligarchien, durch Länder der Region und durch die bedingungslose Unterstützung der USA für Israel als regionaler Garant.

In der asiatisch-pazifischen Region haben sich, seitdem viele Länder unabhängig wurden, Xenophobie und Rassismus in unterschiedlichen Formen entwickelt, von der Ausgrenzung der Schwächsten durch die Machthaber, über die Unterschiede zwischen Regionen bis zur Existenz verschiedener ethnischer und religiöser Gruppen.

Lateinamerika und die Karibik bilden eine Region, die unter den Schlägen von Xenophobie und Rassismus gelitten hat und weiterhin leidet. Die Anfänge reichen bis ins 15. Jahrhundert zurück, als die Europäer an unsere Küsten kamen. Zuerst waren Indigene die Opfer, dann die Menschen die aus Afrika herausgerissen und versklavt wurden, was zur skrupellosesten Ausbeutung führte, die der Kontinent erlitten hat.

Die Erlangung der Unabhängigkeit der Länder Lateinamerikas und der Karibik hat die Manifestationen von Rassismus und Xenophobie nicht gemindert. Die Existenz einer Region eines sozialen Regenbogens, in der es eine große Zahl von Indigenen, Schwarzen, Mestizen und Weißen mit europäischem und asiatischem Erbe gibt, hat auch dazu geführt, dass die Schwächsten in den sozialen Schichten unter sozialer Ausgrenzung leiden.

Ein weiteres Problem, das sich im Falle der Länder Lateinamerikas und der Karibik stellt, ist, dass wir unter dem imperialen Verhalten der USA gegenüber unseren Völkern gelitten haben, das von den US-Regierungen und den verschiedenen Politikstrategien des Imperiums als Hinterhof angesehen wird; das heißt: Politik der Kanonenboote, Politik des guten Nachbarn, Monroe-Doktrin und andere Projekte, die voller Hass auf unsere Völker sind und uns in jeder Hinsicht als minderwertig ansehen. Lateinamerika und die Karibik sind immer wieder Beispiele für die Praxis von Xenophobie und Rassismus, sei es durch die Diktaturen, die diese Länder direkt erlebt haben, oder durch die Regierungen der USA im Laufe der Geschichte ihrer Beziehungen.

Im Jahr 1790 verabschiedete der US-Kongress das erste Einbürgerungsgesetz, das die US-Staatsbürgerschaft nur für "freie weiße Personen" einführte und 1857 vom Obersten Gerichtshof ratifiziert wurde.

Aber Schwarze waren nicht die einzigen Opfer von Xenophobie des entstehenden Staates, es betraf auch viele weiße europäische Einwanderer aufgrund ihrer nationalen Herkunft: Iren, Franzosen und Deutsche, Juden, Italiener und Slawen wurden verachtet, weil sie keine Angelsachsen waren.

Seit den Anfängen der Kolonisierung herrschte die Diskriminierung der indigenen Bevölkerung und wurde bis zur Massenvernichtung getrieben; die Überlebenden wurden in Reservaten konzentriert und dies gilt bis heute. Auch hatten Menschen asiatischer Herkunft bis 1940 keinen Anspruch auf die US-Staatsbürgerschaft.

Seit dem 16. Jahrhundert begann mit der Eroberung der nördlichen Gebiete durch die Spanier auch die Entwicklung des Rassismus in den künftigen USA: Menschen kamen infolge der erzwungenen Einwanderung (der größten der Welt) als Sklaven aus Afrika ins Land.

Rassismus und Xenophobie haben ihre grundlegende Ursache in den Interessen der dominanten Gruppen, die Gesellschaft zu segmentieren und Unterschiede zu fördern, die die Möglichkeiten der politischen Organisierung der Unterklassen einschränken; was in den USA aufgrund ihrer außerordentlichen sozialen Heterogenität besonders funktional ist.

In der Politik gegen Migranten von Donald Trump findet sich nichts Neues, sondern nur ein Rückfall in die primitivste Xenophobie, um sie zu rechtfertigen.Sie macht sich die derbsten Anschauungen der weißen rassistischen Ideologen zu eigen. Der Ku-Klux-Klan ist ein Beispiel dafür3.

In den europäischen Ländern und den USA waren und sind es traditionell die rechtsextremen Formationen, die das Gefühl der Xenophobie angesichts der zunehmenden Migration, der aus ihrer schlechten Regierungsführung resultierenden interkulturellen Konflikte und der Wirtschaftskrise füttern und voranrteiben.

Das "Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von rassistischer Diskriminierung" der Vereinten Nationen definiert diese als

"jede auf der Rasse, der Hautfarbe, der Herkunft, dem nationalen Ursprung oder dem Volkstum beruhende Unterscheidung, Ausschließung, Beschränkung oder Bevorzugung, die zum Ziel oder zur Folge hat, dass dadurch ein gleichberechtigtes Anerkennen, Genießen oder Ausüben von Menschenrechten und Grundfreiheiten im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen oder jedem sonstigen Bereich des öffentlichen Lebens vereitelt oder beeinträchtigt wird". (Artikel 1)4

Viele Staaten haben rassistisches und fremdenfeindliches Verhalten unter Strafe gestellt. Beispielsweise hat die Europäische Union im September 2008 ein Gesetz gegen Rassismus und Xenophobie verabschiedet, und die Mitgliedsländer hatten zwei Jahre Zeit, ihre Gesetzgebung an dieses Gesetz anzupassen.

Die Realität von Rassismus und Xenophobie in Zeiten von Covid-19

Es gibt kein geographisches Gebiet, in dem diese Praxis heute nicht aufträte. Die Corona-Pandemie ist eine Rechtfertigung; indem Covid-19 politisiert wurde, wurde die Entwicklung von Rassismus und Xenophobie in diesem Zusammenhang beschleunigt.

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres sagte, dass "die Pandemie weiterhin eine Welle des Hasses und der Xenophobie auslöst, indem nach Sündenböcken gesucht und Angst geschürt wird". Er forderte die Regierungen auf, "jetzt zu handeln, um die Immunität unserer Gesellschaften gegen das Virus des Hasses zu stärken"5.

Einige Anführer, Regierungsvertreter und Parteigänger unter anderm in den USA, Großbritannien, Italien, Spanien, Griechenland, Frankreich und Deutschland haben direkt oder indirekt Hassverbrechen oder rassistische und fremdenfeindliche Äußerungen durch anti-chinesische Rhetorik gefördert und die Covid-19-Krise genutzt, um immigrantenfeindliche Verschwörungstheorien voranzutreiben, zugunsten der Anhänger weißer Vorherrschaft, Ultranationalisten, fremdenfeindliche Antisemiten, die Flüchtlinge, Ausländer, prominente Personen und politische Anführer dämonisieren.

Seit dem Ausbruch der Pandemie sind Asiaten und Menschen asiatischer Herkunft Ziel abfälliger Äußerungen in den Medien und auf Plattformen, wo auch Hassreden im Zusammenhang mit Covid-19 weit verbreitet wurden.

"Rassismus und physische Angriffe gegen Asiaten und Menschen asiatischer Herkunft haben sich mit der Covid-19-Pandemie ausgebreitet, und die Regierungschefs sollten entschlossen handeln, um dem entgegenzuwirken", sagte John Sifton, zuständig für Asien bei Human Rights Watch. "Die Regierungen sollten Schritte unternehmen, um die Öffentlichkeitsarbeit auszuweiten, Toleranz zu fördern und Hassreden entgegenzuwirken, während sie zugleich die Hassverbrechen energisch untersuchen und verfolgen."6

Der UN-Ausschuss, der für die Überwachung der Einhaltung des Internationalen Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von rassistischer Diskriminierung zuständig ist, hat den Regierungen "nationale Aktionspläne gegen Rassendiskriminierung" empfohlen. Diese Pläne sollten spezifische Schwerpunkte zur Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung festlegen, von einer verstärkten Überwachung von Hassverbrechen bis hin zu öffentlichen Botschaften und Bildungsprogrammen zur Förderung von Toleranz. Die Regierungen sollten dringende Schritte unternehmen, um weitere Aktionspläne zur Bekämpfung der durch Covid-19 hervorgerufenen Welle von Rassismus und Xenophobie zu verabschieden.

Die Verwendung des Begriffs "chinesischer Virus" durch US-Präsident Donald Trump und die Verwendung von "Wuhan-Virus" durch Außenminister Mike Pompeo könnten die Hassreden in den USA gefördert haben; zugleich ergriff die Regierung keinerlei Maßnahmen zum Schutz von Asiaten und Menschen asiatischer Herkunft.

Der Gouverneur der italienischen Region Venetien, eines der ersten Epizentren der Pandemie, sagte im Februar zu Journalisten, dass das Land das Virus besser handhaben werde als China, und zwar wegen der "Hygiene, die unsere Volk hat (...) Die kulturelle Bildung, die wir italienischen Bürger haben, zu duschen, uns zu waschen, uns sehr oft die Hände zu waschen, während wir alle die Videos mit Chinesen gesehen haben, die lebende Ratten essen". Später entschuldigte er sich7.

Brasiliens Bildungsminister verspottete die Chinesen in einem Tweet, indem er schrieb, dass die Pandemie Teil des "Weltherrschaftsplans" der chinesischen Regierung sei8.

Brasilien ist eines der Länder mit den meisten Infizierten in Lateinamerika. Die Mehrzahl der Opfer des Virus sind Menschen, die nicht die Möglichkeit haben, dagegen zu kämpfen; jene, die in den indigenen Gemeinschaften leben und die manchmal nicht einmal einen würdigen Tod haben können. Das ist auch Rassismus und Xenophobie.

Die Mehrheit der Völker Lateinamerikas und der Karibik erleidet das gleiche Schicksal: Dort wo die Regierungen es vorziehen, Handel und Finanzen für andere Zwecke zu lenken, und nicht darauf, ganze Bevölkerungen zu heilen; dort, wo mehr als 70 bis 80 Prozent der Bevölkerung keinen Zugang zu Vorbeugung und Behandlung haben.

Die Intensivierung der rassistischen Rhetorik ist mit einer Zunahme rassistischer Angriffe einhergegangen. Seit Februar sind Asiaten und Menschen asiatischer Herkunft auf der ganzen Welt Opfer von Angriffen und Schlägen, gewalttätigen Belästigungen, Drohungen, rassistischen Beleidigungen und Diskriminierungen im Zusammenhang mit der Pandemie geworden.

In Italien hat die zivilgesellschaftliche Gruppe Lunaria seit Februar über 50 Beschwerden sowie Medienberichte über Aggressionen, Beleidigungen, Belästigungen und Diskriminierung von Menschen asiatischer Herkunft gesammelt. Menschenrechtsorganisationen und andere Gruppen in Frankreich, Australien und Russland informierten Human Rights Watch ebenfalls über Angriffe und Schikanen gegen Menschen asiatischer Herkunft im Zusammenhang mit Covid-199.

In Großbritannien wurden asiatische Menschen ins Gesicht geschlagen und zur Zielscheibe von Spott und Beschuldigungen, das Coronavirus zu verbreiten. Zwei Frauen in Australien griffen chinesische Studenten an: Sie schlugen und traten eine von ihnen und schrien sie an, "Geht zurück nach China" und "verdammte Immigranten". Zwei Männer schlugen einen jungen chinesischen US-Amerikaner in Spanien derart, dass er zwei Tage lang im Koma lag. Ein Mann mit einem Messer griff eine burmesische Familie in Texas an10.

In Afrika wurden Vorfälle von Diskriminierung und Angriffen auf Asiaten, die beschuldigt wurden, Coronaviren in sich zu tragen, sowie auf Ausländer allgemein in Kenia, Äthiopien und Südafrika gemeldet11.

In einigen Fällen haben Regierungen strikte Quarantänemaßnahmen verhängt, von denen ausschließlich ausländische Arbeitnehmer betroffen sind, ohne angemessene medizinische Versorgung, finanzielle Unterstützung oder andere Dienstleistungen zu bieten, die viele jetzt zum Überleben benötigen. Anfang Mai führten die malaysischen Behörden massenhaft Razzien durch, um Flüchtlinge und Wanderarbeitern feszunehmen, wobei sie grundlos unterstellten, dass die Migranten und die Rohingya-Flüchtlinge für die Verbreitung von Covid-19 verantwortlich seien12.

Die Diskriminierung ist nicht auf Menschen chinesischer Herkunft beschränkt. In Indien und Sri Lanka, wo die führenden Politiker wenig getan haben, um die wachsende Diskriminierung von Muslimen in den letzten Jahren einzudämmen, wurden zahlreiche Angriffe und Vorfälle von Diskriminierung gegen Muslime gemeldet, die offenbar mit Covid-19 zusammenhängen. In Myanmar haben die ultranationalistischen Anführer die Pandemie benutzt, um Drohungen und Hassreden gegen Muslime zu rechtfertigen.

Länderbeispiele

USA

Es sind nicht nur Chinesen, die in Taten oder Worten angegriffen werden. Der Rassismus gegen Schwarze, Immigranten und Muslime nimmt weiter zu, gleichzeitig sind auch die Besitzlosen, die Armen, vom Leben soweit abgeschnitten worden, dass sie praktisch keine Chance haben, sich vor Covid-19 zu retten.

Hier lohnt es sich, an die demographische Theorie des Malthusianismus zu erinnern, die der britische Ökonom Thomas Malthus (1766-1834) während der industriellen Revolution entwickelt hat: Die Wachstumsrate der Bevölkerung folgt einer geometrische Progression, während die Wachstumsrate der Ressourcen für ihr Überleben dies in einer arithmetischen Progression tut. Aus diesem Grunde würde die Geburt neuer Menschen, wenn repressive Hindernisse (Hunger, Kriege, Pandemien usw) nicht eingriffen, die allmähliche Verarmung der menschlichen Spezies verstärken und könnte sogar zu ihrer Auslöschung führen ‒ was als malthusianische Katastrophe bezeichnet wurde.

Angesichts von Covid-19 haben viele Länder unter diesem Ansatz gelitten. In gewisser Weise hat die Situation in Spanien, Italien, Brasilien, Ecuador und den USA diese Realität deutlich gemacht. Die Präsenz von Rassismus und Xenophobie ist Teil dieses Plans13.

Großbritannien

Anfang Mai berichtete der Nachrichtenkanal Sky News, dass die Daten, die er durch Anfragen gemäß dem Gesetz über die Informationsfreiheit (Freedom of Information Act) bei mehreren regionalen Polizeikräften erhalten hatte, mindestens 267 Hassverbrechen gegen Asiaten enthüllten, die zwischen Januar und März landesweit registriert wurden. In vielen Gerichtsbezirken waren die Zahlen für die ersten drei Monate des Jahres 2020 höher als die Gesamtzahlen für das gesamte Jahr 2018 oder 2019. Die Zahlen der britischen Verkehrspolizei von Januar bis März beispielsweise zeigen, dass die Vorfälle von Hassverbrechen gegen Asiaten mit der Gesamtzahl der Meldungen für das gesamte Jahr 2019 übereinstimmen14.

Australien

Eine Erhebung, die sich auf den Covid-19-bezogenen Rassismus gegen asiatische und asiatisch-australische Menschen konzentriert, verzeichnete landesweit 178 Vorfälle in den ersten beiden Aprilwochen. Diese wurde von der Gruppe "Asian Australian Alliance" durchgeführt und erhielt seit dem 2. April täglich etwa zwölf Berichte, von rassistischen Verunglimpfungen bis hin zu körperlichen Angriffen. Die Mehrzahl der gemeldeten rassistischen Vorfälle (62 Prozent) richtete sich gegen Frauen. Auch die australische Menschenrechtskommission verzeichnet einen Anstieg der Beschwerden über rassistische Angriffe. Die Australian National University hat eine "Zensus über Vorurteile" eingeführt, um Informationen über die Zunahme der Vorfälle im Zusammenhang mit Covid-19 besser zusammenstellen zu können15.

Premierminister Scott Morrison hat die rassistischen Angriffe im Zusammenhang mit dem Covid-19 kritisiert und den Australiern gesagt: "Hört auf damit". Alan Tudge, Australiens Minister für Einwanderung und multikulturelle Angelegenheiten, verurteilte ebenfalls scharf die Zunahme rassistischer Angriffe; der Labour-Abgeordnete Andrew Giles und andere Oppositionsführer haben die Regierung aufgefordert, eine landesweite Kampagne gegen Rassismus wieder zu starten16.

Indien

Die sozialen Netzwerke und Whatsapp-Gruppen wurden überflutet mit sozialen und wirtschaftlichen Boykottaufrufen gegen Muslime; auch Mitglieder der hindu-nationalistischen Bharatiya Janata Party (BJP) waren daran beteiligt. Es gab zudem mehrere physische Angriffe auf Muslime, unter ihnen auch auf Freiwillige, die Hilfsmaterial verteilten ‒ inmitten von Lügen, die sie der vorsätzlichen Verbreitung des Virus beschuldigen.

Hassreden gegen Muslime scheinen zugenommen zu haben, nachdem die indischen Behörden bekanntgaben, dass eine große Zahl von Muslimen positiv auf Covid-19 getestet worden war, nachdem sie an einer religiösen Großveranstaltung in Delhi teilgenommen hatten, die von der internationalen islamischen Missionsbewegung Tablighi Jamaat organisiert worden war. Die BJP-Funktionäre schürten die Flammen, indem sie das Jamaat-Treffen als "Verbrechen der Taliban" und "Corona-Terrorismus" bezeichneten. Einige Mainstream-Medien, die die BJP unterstützen, verwenden Begriffe wie #CoronaJihad, was dazu führte, dass der Hashtag in sozialen Netzwerken viral geworden ist17.

Sri Lanka

Mehrere Regierungsvertreter haben im Zusammenhang mit der Pandemie stigmatisierende öffentliche Kommentare über die muslimische Minderheit in Sri Lanka abgegeben; entsprechend sind im ganzen Land Berichte über Vorfälle von Hassreden aufgetaucht. Dazu gehören Behauptungen, dass Muslime für die absichtliche Verbreitung der Pandemie verantwortlich seien, sowie Aufrufe zum Boykott muslimischer Unternehmen. Mehrere muslimische Organisationen schrieben am 12. April an die Regierung, um auf die Zunahme von Hassreden in Sri Lanka aufmerksam zu machen18.

Das neue Coronavirus ist eines der mächtigsten Mittel geworden, um die Probleme von Xenophobie und Rassismus in jenen Gesellschaften zu legitimieren, die multiethnisch sind, wo es viele Einwanderer, indigene Gemeinschaften und schwarze oder asiatische Männer, Frauen und Kinder gibt.

Schlussfolgerungen

Seit dem gemeldeten Auftauchen des Patienten 0 von Covid-19 sind fast sechs Monate vergangen . Einige Länder haben das Auftreten neuer Viruspatienten und die Letalität des Virus verhindert oder unter fast sichere Kontrolle gebracht. Der Rest der Welt kämpft darum, sich selbst vor dieser Pandemie zu retten.

Der Aufruf der WHO zur Einheit, um dieses Coronavirus zu bekämpfen und zu besiegen, wird von vielen politischen Entscheidungsträgern zunehmend gebremst. Die meisten Regierungen stellen Wirtschaft und Handel über das Leben der Menschen; eine andere Gruppe von Ländern hat versucht, zusammenzuarbeiten, und es hat sich bewährt; und für andere ist die unbegrenzte, bedingungslose Solidarität die Trumpfkarte.

Es gibt jedoch eine große Gruppe, in deren Handeln sich der Egoismus durchgesetzt hat, ebenso wie die Anwendung von Sanktionen gegenüber anderen Ländern inmitten der Pandemie, ohne Rücksicht auf Kinder, Frauen und ältere Menschen.

Covid-19 gibt es in mehr als 182 Ländern, Tausende Menschen sind weltweit gestorben und Millionen haben sich infiziert. Tatsächlich sind "moderner" Rassismus und Xenophobie jedoch während der gesamten Menschheitsgeschichte präsent gewesen und nahmen mit der Entwicklung eines grausamen Nationalismus und eines Neoliberalismus zu, der durch die neue Art der Ausbeutung von Völkern in internen und externen Aktionen beispiellos ist.

Ja, es ist notwendig, die Pandemie des neuen Coronavirus zu bekämpfen und dabei in gutem Willen und solidarisch zusammenzuarbeiten; aber es ist auch notwendig daran zu erinnern, dass es in jedem Winkel des Planeten endemische und tödliche Krankheiten gibt, die infolge der Ausbeutung und des Neokolonialismus, welche Xenophobie und Rassismus hervorgerufen haben, noch nicht behoben sind; diese beiden Geißeln sind auch eine Pandemie der Menschheit.

13. Juli 2020

Mario Antonio Padilla Torres aus Kuba ist Professor und Forscher am kubanischen Institut für die Untersuchung internationaler Politik (Centro de Investigación de Política Internacional – CIPI)